Türkische Presse würdigt Friedensappell von Papst und Erdogan. Erstes Resümee: Medien sehen "Hoffnungssignal" Ankara, 29.11.14 (KAP) Reichen Widerhall in den türkischen Medien fanden die Aufrufe von Papst Franziskus und des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einem Dialog zwischen den Religionen und zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Extremismus. "Lass uns gemeinsam kämpfen", titelte die bürgerliche Zeitung "Vatan", die am Samstag wie die meisten türkischen Blätter die Begegnung von Papst und Präsident zu einem Hauptthema machte. "Friedensbündnis", lautete die Schlagzeile des regierungsnahen Blattes "Star". Das Bild des gemeinsamen Auftritts von Erdogan und dem Papst "gibt Hoffnung für unsere Welt", heißt es in der ebenfalls regierungsfreundlichen Zeitung "Sabah". Die bürgerliche Zeitung "Milliyet" betont, der Papst habe in Ankara für den Frieden gebetet. Die regierungsnahe "Aksam" notiert, der Papst habe die Bemühungen der Türkei bei der Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge gelobt: "Gott schütze die Türkei", so die Schlagzeile. Die erdogantreue Zeitung "Yeni Safak" streicht heraus, dass der türkische Präsident im Beisein des Papstes auf die Gefahr der Islamfeindlichkeit im Westen hingewiesen habe. Erdogan habe dem Papst als Geschenk den auf Silber geprägten Text eines Erlasses des osmanischen Sultans Mehmet II. aus dem 15. Jahrhundert überreicht; darin sicherte der Sultan den Christen in Bosnien volle Religionsfreiheit zu. Kritische Medienstimmen Die gegenüber Erdogan distanzierte "Hürriyet" interpretiert dessen Hinweis darauf, dass Staatsstreiche in einigen Ländern von der Welt toleriert würden, als eine leise Kritik an Papst Franziskus. Dieser hatte vor wenigen Tagen den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi getroffen. Wie "Hürriyet" wertet auch die regierungskritische "Cumhuriyet" die Anspielung Erdogans auf Sisi als versteckte Kritik am Papst. Offene Kritik am Papstbesuch kommt in der islamistischen Zeitung "Milli Gazete" zum Ausdruck, dem Sprachrohr der religiösen Glückseligkeitspartei (SP). Das Blatt zitiert SP-Chef Mustafa Kamalak mit den Worten, dem Papst gehe es bei dem Besuch nicht um die Türkei, sondern darum, dem orthodoxen Patriarchat in Istanbul zu einem "Sonderstatus" zu verhelfen. Auch in der bürgerlichen "Habertürk" ist zu lesen, der Papst habe den Termin seines Besuches absichtlich auf das Andreasfest am 30. November gelegt, um die orthodoxe Kirche zu würdigen. Aus Sicht des Vatikan-Sprechers Wie Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Freitagabend in einer ersten Pressekonferenz zur Türkeireise resümierte, hat sich Papst Franziskus hat sich am ersten Tag seiner Türkei-Reise bei einem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Freitag in Ankara für die Achtung der Menschenrechte eingesetzt. Der Papst habe in der Unterredung die Bedeutung der Meinungsfreiheit dargelegt, zudem sei auch die Religionsfreiheit Thema gewesen. Erdogan habe Franziskus die Reformvorhaben vorgestellt, die den christlichen Kirchen in der Türkei eine größere Freiheit geben sollen, erklärte Lombardi. Der türkische Präsident habe zudem einen gemeinsamen Kampf gegen Islamfeindlichkeit gefordert. Die Unterredung im Präsidentenpalast dauerte insgesamt eine Stunde. In der zweiten Hälfte seien die jeweiligen Delegationen hinzugetreten, so der Vatikan-Sprecher. Auch in seiner anschließenden Rede vor Spitzenvertretern aus Politik und Gesellschaft im Präsidentenpalast hatte der Papst Religions- und Meinungsfreiheit eingefordert. Nach den Begegnung mit Erdogan, Regierungsvertretern und dem Leiter des türkischen Religionsamtes, Mehmet Görmez, war der Papst am Freitagabend in der vatikanischen Botschaft in Ankara mit rund einem Dutzend Mitgliedern der kleinen katholischen Gemeinde der türkischen Hauptstadt zusammengetroffen. Sie wird von Jesuiten betreut. Am Weg nach Istanbul An diesem Samstagmorgen reiste der Papst nach Istanbul weiter, wo er die Sultan-Ahmed-Moschee die "Blaue Moschee" ist das größte islamische Gotteshaus der Stadt - besucht. Es ist das erste Mal, dass Franziskus seit seinem Amtsantritt ein islamisches Gotteshaus betritt. Danach ist ein Halt in der antiken Hagia Sophia vorgesehen. Die einst größte Kirche der Christenheit wurde nach der Eroberung Konstantinopels 1453 zur Moschee umgewandelt; seit 1934 ist sie ein Museum. Für den Nachmittag stehen ein Gottesdienst mit den Katholiken der Region sowie eine erste Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., auf dem Programm. Eigentlicher Anlass des dreitägigen Türkei-Besuches ist am Sonntag die gemeinsame Feier des Andreasfestes, des Patronatsfestes des griechisch-orthodoxen Patriarchates. Der Patriarch von Konstantinopel ist das Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit. Für Sonntag ist eine gemeinsame Erklärung zur Ökumene vorgesehen. Erdogan-Berater: Papst will Verständigung = Ein enger Berater des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat Papst Franziskus einen "ernsthaften Willen zur Verständigung" zwischen den Religionen bescheinigt. Franziskus lege Bereitschaft an den Tag, das Ziel einer Verständigung zwischen Christen und Muslimen zu erreichen, schreibt Kalin in einer Kolumne für die regierungsnahe englischsprachige Zeitung "Daily Sabah". Muslime und Christen sollten sich gemeinsam gegen Gewalt im Namen des Islam und gegen die Islamfeindlichkeit im Westen wenden. In seiner Kolumne würdigte Kalin auch die Rolle des orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I., den Franziskus an diesem Wochenende in Istanbul treffen will. Der Erdogan-Berater bezeichnete Bartholomaios I. ausdrücklich als "das geistliche Oberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen" in der Welt. Diese Rolle von Bartholomaios I. als Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel und damit als Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie wird vom türkischen Staat normalerweise nicht anerkannt; offiziell ist er aus türkischer Sicht lediglich das Oberhaupt von wenigen tausend griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Zugleich verwies Kalin in seiner Kolumne auf Verbesserungen für die Christen in der Türkei seit dem Regierungsantritt von Erdogans Regierungspartei AKP vor zwölf Jahren. Unter anderem gebe der türkische Staat enteignetes Eigentum an die Minderheiten zurück. Anwalt und Kolumnist Orhan Kemal Cengiz Der regierungskritische Anwalt und Kolumnist Orhan Kemal Cengiz rief Ankara unterdessen auf, nicht nur dem Papst den nötigen Respekt zukommen zu lassen, sondern auch dem Patriarchen. Die bisherige Missachtung des Oberhaupts der Weltorthodoxie entspringe einer Furcht des türkischen Staates vor religiösen Minderheiten, schrieb Cengiz in der Zeitung "Bugün". "Zweifellos" sei aber noch mehr zu tun, so der Anwalt. Der Papst hatte am Freitag in seiner Ansprache vor Erdogan gleiche Rechte für Muslime, Christen und Juden angemahnt.