Predigt Invokavit - Evangelisch in Aurachtal und Oberreichenbach

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Invokavit, Predigt zu Mt 4,1-11, Pfr. Söder
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er
vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und
sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und
sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von
einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und
sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12):
»Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen,
damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch
geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt
und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich
anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du
sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und
siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Soweit der Predigttext.
Liebe Gemeinde,
„Was würden sie tun, wenn sie drei Wünsche frei hätten?“ Diese Frage, so irreal sie auch ist, wird
immer mal wieder gestellt. Gestellt in so mancher Vorstellungsrunde, um den anderen, die andere
etwas besser kennen zu lernen. Gestellt auch in Fragebögen, die uns Menschen etwas entlocken
wollen bezüglicher unserer Wünsche, Hoffnungen oder Sorgen. Gestellt auch manchmal zum Spaß –
oder aufgrund bitterer Realität.
„Was würden sie tun, wenn sie drei Wünsche frei hätten?“
Vielen Antworten darauf sind allerdings oftmals sehr stereotypisch: Gesundheit für sich selbst und
seine Familie, beruflicher Erfolg oder einfach Zufriedenheit.
Wobei: zumeist sind auf solche Fragen nur zwei Antworten wirklich konkret – denn gewitzte
Antworter kontern zumeist mit dem dritten Wunsch: „Ich hätte gerne unendlich Wünsche frei!“
In unserer heutigen Bibelstelle wird diese Frage indirekt auch gestellt. Gestellt vom Teufel an Jesus.
Allerdings äußert Jesus nicht drei Wünsche, sondern der Satan legt ihm vielmehr drei mögliche
Wünsche vor:
Essen, und damit das leibliche Wohl.
Sicherheit und Schutz, und damit Unversehrtheit.
Und schließlich Macht und Ansehen.
Nach vierzig Tagen in der Wüste, nach vielen Entbehrungen und Fasten wäre es nun nicht
verwunderlich, wenn man auf dieses Angebot eingehen würde.
Denn: wer gehungert hat, will etwas zum Essen haben. Wer den Gefahren der Wüste ausgeliefert
war, sehnt sich nach Schutz. Und wer ohne Begleitung und auf sich alleine gestellt ist, der hat gewiss
nichts dagegen, wenn andere ihn verehren.
Jesus hingegen, und das verwundert uns natürlich nicht, widersteht all diesen Angeboten, all diesen
Versuchungen. Und als er schließlich die letzte Versuchung, die nach Macht und Anbetung,
überwunden hatte, ist der Satan geschlagen – und die Engel Gottes kommen und dienen ihm.
Für den Evangelisten war diese Geschichte sehr wichtig gewesen. Jesus widersteht den
Versuchungen und erweist sich dadurch als der, der seinen Weg im Gehorsam geht.
Allerdings hat Jesu Weigerung auf das Angebot des Satans einzugehen noch einen zweiten Aspekt –
und zwar den, dass Jesus noch einmal als Mensch gezeichnet wird. Als ein Mensch, der anfällig sein
könnte für all diese Verlockungen. Aber eben auch ein Mensch, der den Weg für uns Menschen geht
– ohne Wenn und Aber.
Dass neben dieser Erzählung der Versuchung Jesu uns heute allerdings eine zweite Bibelstelle
begegnet, die ebenfalls mit Verführung zu tun hat, die aber ein anderes Ende kennt, nämlich die
Versuchung von Adam und Eva, unterstreicht, wie sehr wir Menschen auf Jesu Hilfe angewiesen sind.
Denn Adam und Eva – als ein Urtypus von uns Menschen – kennen nicht die Stärke von Jesus. Ganz
im Gegenteil. Sie fallen um und lassen sich verführen.
Auf die Frage nach den drei Wünschen hätten sie gewiss geantwortet: „Ich hätte gerne unendlich
Wünsche frei“ – und sie tun das stellvertretend für uns alle.
So und nicht anders sind auch die ersten 11 Kapitel der Bibel, also Gen 1-11 zu lesen und zu
verstehen. Überall werden Grundsituationen der Menschen geschildert, um den Menschen zu
beschreiben und sein Angewiesen-Sein auf Gott zu unterstreichen.
Gerade die Versuchung von Adam und Eva entlarvt aber das menschliche Herz sehr gut – und im
Vergleich zu Jesu Versuchung wird das noch deutlicher.
Denn: Jesus hätte allen Grund gehabt, auf die Angebote des Satans einzugehen. Er hungert, er war
schutzlos in der Wüste und er war ohne Volk und somit ohne Ansehen.
Adam und Eva hingegen hatten alles, fast alles. Das einzige, was ihnen noch fehlte, war der letzte
Schritt, der Schritt, Gott gleich zu sein.
Dafür steht der Baum der Erkenntnis, der Baum der Unterscheidung von Gut und Böse. Der göttliche
Vorsprung von uns Menschen.
Aber ansonsten war ihr Leben tatsächlich paradiesisch: sie hatten Essen und Trinken in Fülle, sie
kannten keine Gefahren und Nöte. Und sie wussten nichts von ihrer Nacktheit.
Dieses Bild der Nacktheit mag uns überraschen – es steht aber für alle Scham und alle Furcht vor dem
anderen, vor den Menschen und vor Gott. Und exemplarisch ist mit dem Erkennen der Nacktheit die
Sünde eingekehrt.
Der Mensch will halt immer mehr… „Was würden sie tun, wenn sie drei Wünsche frei hätten???“
Wie sehr die Welt von den Versuchungen und Sünden umfangen ist, sehen wir aktuell auf
erschreckende Art und Weise wieder. Die Flut der schlechten Nachrichten mag einfach nicht
abreißen. Egal, ob es um die Konflikte in der gar nicht so weit entfernten Ukraine geht, egal, ob es
um Fragen der Flüchtlinge und der Menschlichkeit geht, und egal, ob es um Terror in aller Welt sich
handelt.
Allerdings sehen wir es auch an uns selbst immer wieder neu. Die Zufriedenheit mit dem, was wir
haben, sie ist nicht immer gegeben. Und eine Woche oder gar ein Tag ohne etwas, das wir
nachträglich bereuen, kommt nicht so oft vor.
Dabei sind es sehr häufig die Kleinigkeiten, die uns zu schaffen machen.
Auf eine dieser Kleinigkeiten macht Jahr für Jahr eine wunderbare Aktion aufmerksam – die Aktion
„Sieben Wochen ohne“.
In diesem Jahr hat die Aktion dabei ein Thema sich ausgewählt, das ich sehr gelungen finde. Es lautet
nämlich: „Du bist schön! Sieben Wochen ohne Runtermachen.“
Der Hintergrund davon ist natürlich der Schönheitswahn, der uns Menschen so oft fest im Blick hat.
Aber auch der Gedanke der permanenten Unzufriedenheit und der Wunsch nach Mehr.
Schönheitsoperationen gehören heute oftmals zum guten Ton. Fitness und Essensumstellung mit
dem Ziel des Abnehmens sowie so. Dazu die zahlreichen Ratgeber, die uns sagen, wie wir mehr aus
uns machen können.
„Hätten sie drei Wünsche frei?“ – manche würden vielleicht ja Beine, Brüste und Po nennen.
Die Frage, die dahinter steht, ist natürlich immer: bin ich zufrieden? Bin ich zufrieden, mit dem, was
ich bin, mit dem, was ich habe und mit dem, was mich ausmacht?
Mich selber hat diese Frage in letzter Zeit sehr beschäftigt. Mein Leben hat sich verändert und eine
zeitlang war ich sehr unversöhnt mit mir selbst. Was mich dabei beschäftigt hat, war weder mein
Aussehen noch das Materielle, sondern vielmehr die Frage, wo habe ich Fehler gemacht.
„Schön“ fand ich mich dabei lange nicht. Und das Runtermachen konnte ich ganz gut.
In dieser Zeit aber war es mir so wichtig zu erkennen, dass ich aus eigener Kraft manches nicht
ändern kann. Ich kann zwar versuchen, Fehler wieder gut zu machen, aber Grenzen sind gesetzt.
Und noch mehr war mir wichtig zu erkennen, dass ich trotz allem für Gott schön bin. Das ist ja gerade
die Botschaft, die uns stets entgegenkommt: Du bist mein geliebtes Kind. Du bist für mich wertvoll.
Und du bist schön für mich!
Dieser Erkenntnis, dass Gott uns trotz allem „schön“ findet, mag uns aber immer wieder neu auf den
Weg setzen. Und sie geht einher mit dem Eingeständnis, dass unser Leben nie frei sein wird von
Fehlern. Die Erzählung rings um Adam und Eva hält uns das vor Augen. Auch wenn man alles hat,
schützt das nicht davor, sich falsch zu verhalten.
Und vielleicht ist dieses Eingeständnis auch ein wichtiger Schritt, sich ganz auf Gott einzulassen. Gott
rechnet mit unseren Fehlern – genau deswegen ist Jesus für uns Mensch geworden. Denn schließlich
ist er der einzige, der sich allen Versuchungen widersetzen kann.
Und er hat das getan, um uns aus dem zu befreien, in das wir stets verstrickt sind.
Hätten wir drei Wünsche frei – uns fiele eben genug ein. Und nicht alles davon ist schlecht, keine
Frage. Der größte Wunsch aber ist dennoch – und davon bin ich überzeugt – bei allen ein innerer
Friede. Ein Friede, bei dem wir uns „schön“ finden können. Ein Friede, der auch unsere Fehler
mitumfasst. Und ein Zuspruch, dass wir dennoch geliebt sind.
Diesen größten Wunsch aber hat uns unser Gott erfüllt. Er weiß um uns, er weiß um unsere Fehler –
und doch steht er stets neu mit offenen Armen da.
Vielleicht sollten wir genau das täglich neu lernen: Gott findet uns schön. Kehren wir daher immer
wieder neu zu ihm um, vertrauen wir uns ihm an. Und leben wir aus dieser Schönheit heraus –
manchen Versuchungen können wir dann wohl auch umso besser widerstehen. Amen.
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