Dr. Rolf Trittmann ist Partner bei Freshfields Bruckhaus

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Die große Streitfreiheit
Dr. Rolf Trittmann ist Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer und Mitglied der ICC Kommission für
Schiedsgerichtbarkeit. Als Experte für den Bereich Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit erklärt er, worauf
Unternehmen achten müssen, wenn sie sich für eine private Streitschlichtung entscheiden:
Internationale Schiedsverfahren haben Konjunktur. Die Parteien können Sprache, Ort und Schiedsrichter für
das Verfahren wählen, und es findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Aber man muss sich früh
entscheiden.
Immer mehr zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen werden von Schiedsgerichten entschieden.
Dabei werden viele Verfahren still und diskret hinter verschlossenen Türen verhandelt. Beispiele wie das
Toll-Collect-Verfahren um gegenseitige Ansprüche in Milliardenhöhe im Zusammenhang mit dem
Gebührensystem für Autobahnen belegen aber auch für die Öffentlichkeit, dass Vertragsparteien die
Konfliktlösung zunehmend Schiedsgerichten anvertrauen. Dieser Trend erfasst auch Verfahren um
gescheiterte Auslandsinvestitionen nach den diversen Investitionsschutzabkommen.
Alternative zu Gerichten
Insbesondere im internationalen Wirtschaftsverkehr sind Schiedsgerichte für die Parteien eine bevorzugte
Alternative zu den staatlichen Gerichten. Die Entscheidung für ein Schiedsverfahren bedeutet aber auch die
ausdrückliche Abwahl dieser Gerichte. Unternehmen brauchen daher ein sorgfältiges "Dispute Planning",
das vor allem eine sachgerechte und kalkulierbare Streiterledigung zum Ziel hat.
Naturgemäß denken die Parteien bei Vertragsverhandlungen nicht vorrangig an eine spätere Streitbelegung zu diesem Zeitpunkt steht für sie ein erfolgreicher Vertragsabschluss im Vordergrund. Trotzdem sollten sich
die Beteiligten schon zu Beginn der Vertragsverhandlungen mit möglichen Streitbeilegungsmechanismen
beschäftigen und eine Beilegungsklausel in die Entwürfe aufnehmen. Sie müssen dabei berücksichtigen,
welche Fragen streitig werden könnten, wer sachgerecht entscheiden kann und wo eine gegebenenfalls
notwendige Vollstreckung stattfinden müsste.
Große Gestaltungsfreiheit
Schiedsverfahren bieten den Vorteil, dass keine Partei Streitigkeiten vor Gerichten des Staates der anderen
Partei austragen muss. Ein deutscher Unternehmer kann schon allein der Sprache wegen mit Verfahren vor
den staatlichen Gerichten eines Vertragspartners aus China oder Indien überfordert sein. Ausländische
Parteien lassen sich umgekehrt ebenso ungern auf deutsche Gerichtsverfahren ein. Mit der Entscheidung für
ein Schiedsverfahren profitieren Unternehmen von einer Gestaltungsfreiheit, wie sie staatliche Gerichte
nirgends bieten. So bestimmen die Parteien bei der Wahl der Schiedsrichter mit, wählen den Ort des
Schiedsverfahrens aus und legen die Sprache und das anwendbare Verfahrensrecht fest.
Auswahl der Schiedsrichter
Bei einem aus drei Schiedsrichtern bestehenden Gremium können die Vertragspartner üblicherweise je einen
Schiedsrichter selbst benennen und gemeinsam den Obmann bestimmen. Schiedsrichter werden dabei
überwiegend Juristen, aber auch Wirtschaftsprüfer oder Bauingenieure können benannt werden, wo dies
sachgerecht erscheint. Ausschlaggebend für die Auswahl sind die notwendigen Sach- oder
Branchenkenntnisse sowie die Erfahrung der Schiedsrichter. Je nach Einzelfall braucht der Schiedsrichter
also besondere Kenntnisse etwa im Bereich des Unternehmenskaufs, der Bilanzenerstellung, zu Erdöl- und
Gasförderungsanlagen oder zum Investitionsschutz in Osteuropa. Die Anzahl spezialisierter Kandidaten ist
klein, daher müssen sie möglichst früh ausgewählt werden.
Wahl von Ort und Sprache
Bei der Wahl des Schiedsortes sollte weniger die geographische Lage als das dort geltende Verfahrensrecht
eine Rolle spielen, insbesondere soweit dieses zwingend ist. Ein Schiedsort im anglo-amerikanischen
Rechtskreis bringt zum Beispiel eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Dokumentenvorlagepflicht mit sich.
Diese kann nicht nur das Verfahren aufwendig und teuer machen, sondern auch die hierauf nicht eingestellte
kontinental-europäische Partei benachteiligen.
Auch die Verfahrenssprache können die Parteien vereinbaren - zum Beispiel Englisch. Anders als ein
Verfahren vor staatlichen Gerichten muss das Schiedsverfahren nicht zwingend in der Landessprache
geführt und Dokumente müssen nicht notwendigerweise übersetzt werden.
Diskretes Verfahren
Ein weiterer Vorteil: Schiedsverfahren finden regelmäßig unter Ausschluss - und damit auch ohne Druck der Öffentlichkeit statt. Betroffene Unternehmen können somit eher sicherstellen, dass kein Wettbewerber
Zugang zu den im Verfahren offengelegten Informationen erhält. Kritiker führen an, dass so die
Rechtsfortbildung, die früher den ordentlichen Gerichten exklusiv oblag, durch Schiedsgerichte ohne spätere
Veröffentlichung stattfindet, doch dürfte dies die Streitparteien nicht stören.
Vollstreckbarer Spruch
Der am Ende des Verfahrens erlassene Schiedsspruch ist endgültig und erspart den häufig extrem
langwierigen und kostspieligen Gang durch mehrere gerichtliche Instanzen. Damit sind Schiedsverfahren,
auch wenn sie lange dauern, regelmäßig immer noch schneller und damit meist auch kostengünstiger als
Verfahren vor ordentlichen Gerichten bei Ausschöpfung des Instanzenwegs. Entscheidend ist jedoch, dass
im Unterschied zu Gerichtsurteilen Schiedssprüche zudem international leicht vollstreckbar sind. Über 140
Staaten - darunter China, Brasilien und Russland - haben sich durch internationale Abkommen verpflichtet,
Schiedssprüche anzuerkennen. Da die Durchsetzung von Gerichtsurteilen deutscher oder anderer
ausländischer Gerichte in einigen Ländern, mit denen wichtige Handelsverbindungen bestehen, rechtlich
oder tatsächlich ausgeschlossen ist, bietet nur ein Schiedsspruch die Möglichkeit, einen in einem Verfahren
erzielten Erfolg realisieren zu können.
Sorgfältig planen
Um die Vorteile eines Schiedsverfahrens nutzen zu können, müssen Unternehmen - anders als beim
üblichen Weg durch die Instanzen - vorausplanen: Die Schiedsvereinbarung sollte das gesamte Verfahren
regeln. Die einfachste Form ist der Verweis auf Schiedsregeln einer anerkannten Institution wie der
Internationalen Handelskammer in Paris oder der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, die
Regeln für den Ablauf des Verfahrens zur Verfügung stellen und das Verfahren administrieren. Alternativ
oder ergänzend können die Parteien den Verfahrensablauf selbst regeln, was aber erhebliches Know-how
voraussetzt.
Der Ablauf orientiert sich nicht an einem einzigen, nationalen Prozessrecht am Schiedsort. Immer häufiger
werden angelsächsische und kontinentaleuropäische Verfahren kombiniert. Unterschiede bestehen etwa bei
der Befragung von Zeugen.
Sie wird nach angelsächsischem Muster mit Zeugenerklärungen und anschließendem Kreuzverhör der
Anwälte durchgeführt; nach kontinental-europäischer Art werden dem Gericht mit Schriftsätzen wie der
Klageschrift umfangreich Beweisangebote mitgeliefert, und das Gericht vernimmt die Zeugen. Nicht nur in
Europa, sondern global sind Schiedsverfahren auf dem Vormarsch. Sie bieten wirksamen Rechtsschutz,
wenn es nach Vertragsschluss zu Streitigkeiten kommt. Voraussetzung ist aber eine frühe Konfliktplanung.
Denn ist der Streit erst entstanden, ist es hierfür meist zu spät.
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