Texte_Gewinner Kreativwettbewerb 2013

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1. Preis │Kategorie A
Martin Lerchster (12 Jahre)
BG Sillgasse 10
Der Aufbruch
Autsch! Schon wieder werde ich herumgeschubst. Mir ist ja ganz schwindelig. Mein Fuß stößt gegen
meinen Schnabel. Das tut weh. Dass ich in einem Ei bin, ist mir klar. Auch, dass ich ein Vogel bin, ist
mir bewusst. Doch warum in aller Welt müssen Jungvögel in einem Ei geboren werden. Ein Ei bietet
keinerlei Komfort: man ist eingezwängt, bekommt fast keine Luft, kann nichts sehen, wird
herumgeschubst, und um dem Fass den Boden auszuschlagen, juckt einem ununterbrochen der Kopf
und man kommt mit den Flügeln nicht ran. In einem Ei gefangen zu sein empfehle ich niemandem.
Das einzig Gute daran ist, dass man viel Zeit zum Nachdenken hat.
Am meisten denke ich über mein zukünftiges Leben nach: Wo werde ich schlüpfen? In einer
Legebatterie, wo ich verkauft werde und als „Chickenburger“ ende, oder auf einem Bauernhof, wo ich
mit anderen Hühnern und Hähnen aufwachse. Was wird wohl aus mir? Ein Eier legendes Huhn oder
ein stolzer Hahn? Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich gerne ein Hahn. In der Früh aufwachen, kurz
krähen und dann den ganzen Tag nur herumstolzieren und meine Hennen bewachen – das würde mir
gut gefallen. Nur Eierlegen ist ja langweilig. Egal, was ich werde, es ist auf jeden Fall besser, als in
diesem Ei gefangen zu sein. Aber lange kann es sowieso nicht mehr dauern, bis ich schlüpfe.
Gestern war es mir gelungen, ein Loch von der Größe meines Auges zu bohren. Puh! Das war
anstrengend. Durch das Loch fiel ein wenig Sonnenlicht herein, sodass ich wenigstens die Flügel vor
Augen sehen konnte. Neugierig schielte ich durch die Öffnung und sah bloß den blauen Himmel. Na
ja, wenigstens etwas. Jetzt konnte ich die Legebatteriefabrik ausschließen, denn Hühner aus
Käfighaltung sehen nur Neonlicht. Doch wie sieht das mit den Hennen aus Bodenhaltung aus? Hilfe!
Hoffentlich bin ich ein Biohuhn und nicht mit tausend anderen Hühnern auf einer
Bodenhaltungshühnerfarm.
Seit heute in der Früh arbeite ich daran, mein Guckloch zu vergrößern. Inzwischen hat es die Größe
meines Flügels. Da, ein Geräusch. Ich habe es geschafft, einen langen Riss in die Schale zu machen.
Wenn dieser Riss aufbricht, kann ich hinauskriechen. Mit neuer Kraft mache ich mich daran, gegen die
Schale zu drücken. Bei den ersten beiden Versuchen passiert nichts. Beim dritten Versuch jedoch
lockert sich die Schale. Erneut stoße ich gegen die Eierschale. Juhu! Die Schale bricht. Warmes
Sonnenlicht strahlt auf mein Gesicht. Na ja. Schön bin ich noch nicht. Mein Gefieder ist noch vom
Eiweiß ganz verklebt. Hoffentlich sehen alle Hühner anfangs so aus und ich bin auch bald so ein
niedliches gelbes Küken, wie es die Kinder aus den Bilderbüchern kennen.
Jetzt ruhe ich mich ein bisschen aus und dann erkunde ich die Welt. Mit wackeligen Beinen mache ich
die ersten Schritte. Meine Füße berühren den sandigen Boden und es stinkt nach Kuhmist und
Pferdeäpfel. Kein Zweifel. Das ist ein Bauernhof. Freudestrahlend hüpfe ich von einem Bein aufs
andere.
Und endlich kann ich mich am Kopf kratzen.
2. Preis │ Kategorie A
Verena Pflügler (12 Jahre)
Bundesgymnasium St. Johann in Tirol
Der Schein trügt
Gemütlich schlenderte Lotte die Straße entlang. Es war ein schöner Morgen und sie war zeitig von zu
Hause weggegangen, um einen kleinen Umweg durch das nahegelegene Wäldchen machen zu
können. Mit geschulterter Schultasche und einem lustigen Liedchen auf den Lippen bog Lotte auf
ihren Trampelpfad ein. Nach einer Weile kam sie an einen plätschernden Bach, der um diese
Jahreszeit viel Wasser führte. Das Mädchen blieb kurz stehen, schloss die Augen und nahm alle
Geräusche, Gerüche und andere Wahrnehmungen in sich auf. Es hörte das Gluckern des Wassers
und das Zwitschern der Vögel, es roch den Duft nach frischem Harz und jungen Blättern, es spürte die
wärmenden Sonnenstrahlen, die schon über die Berge blinzelten, und ab und zu einen sanften
Windhauch, der an ihren Haaren zupfte. Alles in allem schien es der perfekte Frühlingstag zu werden.
Doch der Schein trog. Denn als Lotte die Augen wieder öffnete und im Begriff war, ihren Weg
fortzusetzen, verdunkelte sich der Himmel, der Wind wurde stärker und plötzlich brach mit einem
lauten Knirschen die Erde auf. Aus der entstandenen Schlucht stiegen grüne Dämpfe auf, die in
Schwaden umherwabernd zwischen den Bäumen verschwanden. Lotte fröstelte. Dieser klaffende Riss
war ihr nicht ganz geheuer. Und auch die Dämpfe wirkten irgendwie … lebendig. Sie beschleunigte
ihre Schritte und ging in einem großen Bogen um die Erdspalte herum. So schnell wie möglich verließ
sie den Wald.
In den nächsten Tagen verschwanden in der Nachbarschaft immer wieder Dinge. Mal ein Blumentopf,
mal ein Buch. Dann kamen wieder Wecker oder Kugelschreiber abhanden. Kurzum, es waren
wertlose Sachen, und keiner hielt es für nötig, genauere Nachforschungen anzustellen. Keiner außer
Lotte machte sich Gedanken darüber. Sie ahnte, dass das Verschwinden der Dinge mit der Schlucht
im Wald zusammenhängen könnte. Doch auch sie unternahm erst einmal nichts. Bis es eines Tages
geschah. Völlig aufgelöst und mit tränenverschmiertem Gesicht kam Frau Schröder aus dem Haus
gelaufen. „Er ist nicht hier! Mein Sohn Lorenz ist verschwunden!“, rief sie schluchzend. „Ich habe ihn
schon überall gesucht!“ Da wusste Lotte: Sie musste handeln! Noch am selben Tag packte sie ein
paar Sachen zusammen und verließ heimlich das Haus. Als Lotte auf die kleine Lichtung kam, war es
dort nicht so friedlich wie sonst immer. Kein einziger Vogel sang und das Rauschen des Baches klang
irgendwie bedrohlich. Auch die Äste hingen ungewöhnlich tief herunter, so dass die Sonnenstrahlen
Mühe hatten, bis auf den Boden durchzudringen. Lotte holte noch einmal tief Luft, dann befestigte sie
ihr mitgebrachtes Seil und begann in die düstere Schlucht hinabzusteigen. Immer wieder stiegen ihr
grüne Dämpfe entgegen, und jedes Mal, wenn diese sie streiften, lief ihr ein Schauer über den
Rücken. Die Erdspalte war tief, und als Lotte unten angekommen war, drang kaum noch genug
Tageslicht herunter, um den Weg zu erkennen. Also kramte sie ihre Taschenlampe aus dem
Rucksack und sah sich um. Der Lichtkegel schweifte durch die Höhle und sie konnte Stalagmiten aus
dem Boden ragen und Stalaktiten von der Decke hängen sehen. Lotte blickte nach oben. Über sich
konnte sie den Ausgang erkennen. Wehmütig dachte sie an ihr Zuhause. Wie gerne würde sie jetzt
faul vor dem Fernseher hocken. Schließlich raffte sie sich auf. Viele Gänge führten von hier in die
Dunkelheit. Lotte ließ einen Auszählreim entscheiden, welchen Weg sie einschlagen sollte und
machte sich auf den Weg. Doch schon bald stieß Lotte an eine Wand. So kehrte sie um und versuchte
einen anderen Gang. Schließlich erwischte sie den richtigen. Grüne Dampfschwaden, die wispernde
Geräusche machten, kamen ihr entgegen. Sie wurden immer häufiger, bis das Mädchen in einen
großen Raum kam, wo sich die Schwaden nur so tummelten. Es kauerte sich hinter einen Felsen und
beobachtete von seinem Versteck aus das ganze Geschehen: Die meisten Dampfschwaden waberten
nur ziellos durch die Gegend, doch ein paar von ihnen schlossen sich immer wieder zusammen, so
dass ein großer, lebendig wirkender Nebelballen entstand. Das Knäuel steuerte auf einen Stein zu,
umschloss ihn und trug ihn fort. In der Mitte des Raumes, wo durch ein Loch in der Decke
hereinfallende Sonnenstrahlen einen Lichtkreis bildeten, gab der Schwadenballen den Stein wieder
frei und teilte sich wieder in kleinere, grüne Dämpfe auf, die sich, ebenso lebendig wirkend wie der
Knäuel, rasch verflüchtigten. Nun wendete Lotte ihre Aufmerksamkeit dem Stein in der Mitte der Höhle
zu. Er war auf einem Haufen Krimskrams gelandet. Dort hatten sich eine Menge Sachen angehäuft:
Wecker, Blumentöpfe, Bücher, Steine, sogar ein halber Baumstamm war darunter und – Lotte stockte
der Atem – ein Kind. Es war Lorenz und er schlief seelenruhig in einem Nest aus Schutt. Vorsichtig
blickte Lotte sich um, dann schlich sie langsam in die Mitte des Raumes. Nachdem sie sich
vergewissert hatte, dass keines von den seltsam lebendigen Schwadenwesen in der Nähe war,
weckte sie Lorenz und schilderte ihm kurz die Umstände. Dann ergriff Lotte seine Hand und machte
sich mit dem verwirrten Jungen auf den Weg zum Ausgang. Gemeinsam rannten die Kinder den Gang
entlang. Doch sie kamen nicht weit. Auf einmal türmte sich vor ihnen eine meterhohe Mauer aus
Dämpfen auf, die bedrohlich näher rückte. Erschrocken drehten sich Lotte und Lorenz um, doch auf
der anderen Seite hatte sich ebenfalls ein lebendig wirkender, grüner Nebelwall gebildet. Sie saßen in
der Falle. Lorenz zitterte am ganzen Leib und klammerte sich an Lotte. Diese sandte ein Stoßgebet
zum Himmel und streichelte beruhigend Lorenz’ Hand, während die bedrohlichen Wände Stück für
Stück näher rückten.
Plötzlich ertönte ein leises Gluckern, das rasch lauter wurde. Die Schwaden stoben in alle
erdenklichen Richtungen davon. Auch Lotte hatte begriffen was los war und zerrte Lorenz
geradewegs dorthin, wo sie hergekommen waren. Die beiden hechteten durch den Raum, in dessen
Mitte das ganze Gerümpel gelagert war. Mittlerweile hatte auch Lorenz verstanden und er machte es
ihr gleich, als Lotte sich an den halben Baumstamm klammerte. Keine Sekunde zu früh. Im nächsten
Moment ergoss sich ein Wasserschwall in die Höhle, der sie zwar bis zur Haut durchnässte, allerdings
auch sicher durch das Loch in der Decke nach oben brachte. Als sie dort ankamen, sahen sie, was
geschehen war. Der Bach hatte das Ufer weggeschwemmt und floss nun direkt in die Höhle.
Sprachlos standen die Kinder da. „Ich weiß zwar nicht genau, was hier passiert ist, aber ich bin mir
sicher, dass ich es nie vergessen werde“, meinte Lorenz. Dann machten sie sich tropfnass, aber
glücklich auf den Heimweg.
3. Preis │ Kategorie A
Lilly Hausler (11 Jahre)
BRG in der Au
Aufbruch: Verloren in der Wildnis
Ich war allein, ganz allein, weg von zu Hause, verloren in der Wildnis. Meine Gedanken spielten
verrückt. Mir war nicht bewusst, was mit mir los war. Plötzlich lief ein eiskalter Schauer an meinem
Rücken hinunter. Ich zuckte zusammen und kippte um. Ich merkte, wie meine Kräfte langsam
nachließen. Mir wurde allmählich bewusst, dass ich diesen Minus-Temperaturen nicht mehr lange
Stand halten konnte. Aber ans Aufgeben dachte ich nicht. Es gelang mir nicht, mich wieder
aufzusetzen. Meine Hände, meine Beine, alles war gefroren. Es fühlte sich so an, als ob mich die
Kälte von außen nach innen zerfressen würde. Ich konnte das Pochen meines Herzens fühlen, jeden
Schlag. Jeder Atemzug wurde schwerer, jeder Herzschlag langsamer und mit der Zeit verlor beides an
Rhythmus. Ich kämpfte mit dem Gedanken, einfach liegen zu bleiben. Wieso war ich überhaupt davon
gelaufen?
Ich führte mir den Ablauf nochmals genau vor Augen, ich sah das entsetzte Gesicht meiner Mutter und
konnte ihre Wärme förmlich spüren. Auf einmal stach mein Herz, es tat so unbeschreiblich weh. Der
Schmerz saß tief, aber ich war auch immer noch so sauer auf meine Mutter. Ich war mir nicht ganz
sicher. Sollte ich ihr verzeihen? Ich fühlte mich verraten, so alleine gelassen. Soll mein ganzes
bisheriges Leben eine einzige Lüge gewesen sein? Ich konnte noch immer nicht fassen, dass mein
über alles geliebter Papa, der vor nur einem Monat gestorben war, nicht mein leiblicher Vater war. So
tief in meinen Gedanken versunken, überhörte ich beinahe das vertraute Geräusch eines Automotors.
Ohne groß darüber nach zu denken, fing ich an lauthals nach Hilfe zu schreien. Als der Jeep dann
wirklich auf der nahe gelegenen Straße hielt, fasste ich neuen Mut. Ich würde doch nicht sterben, das
war jetzt klar.
Der Fahrer war sehr groß und hatte blondes, strähniges Haar. Er fragte mich nach meinem Namen
und sagte, er würde mich sofort zur Klinik bringen. Anschließend half er mir auf und als ich dann in
seinem, warmen Auto saß, wollte ich nur noch eins: nach Hause!
1. Preis │ Kategorie B
Miriam Mitmansgruber (12 Jahre)
Akademisches Gymnasium Innsbruck
Aufbruch
Kennst du dieses eine Gefühl? Dieses Gefühl, wenn du dein Schicksal einfach nicht akzeptieren
kannst und du es auch gar nicht erst versuchen willst? Tja, ich kann dir sagen, es ist ein schreckliches
Gefühl, wobei ich mir gar nicht so sicher bin, ob nur dieses Gefühl so schlimm oder einfach dein
Schicksal so furchtbar ist.
Für den einen bedeutet ein schlimmes Schicksal Liebeskummer und für den anderen, wenn der
Hamster stirbt. Aber was ist das bitte für ein Schicksal, wenn man am Ende selbst stirbt? Klar,
irgendwie endet jedes Schicksal so, aber was tust du, wenn du noch nicht bereit bist? Noch nicht
bereit bist, mit 15 Jahren zu gehen? Ich habe mir diese Frage mein ganzes Leben lang gestellt, habe
mir darüber den Kopf zerbrochen, während meine Zeit – meine kostbare Zeit – an mir
vorbeigestrichen ist.
Ich habe Krebs. Und glaub mir, am liebsten wäre ich gleich gestorben, anstatt ansehen zu müssen,
wie meine Zeit zerfließt und wie nach der Reihe Leute kommen, mit farbenfrohen Blumen in der Hand,
und sich von mir verabschieden. Verabschieden, weil sie wissen, dass ich gehe.
Ich habe mich gefragt, wie es wohl ist. Sterben.
Ich glaube, es ist furchtbar. Ich habe es geglaubt. Und ich weiß es. Denn ich bin schon gestorben.
Ich sehe mich in meinem Krankenbett liegen. Halte in der einen Hand die meiner Mutter, in der
anderen meinen Bären. Rund um mich stehen meine Freunde. Meine Verwandten. Und meine
Familie. Sie weinen. Ich kann sie nicht hören. Aber ich fühle es mit ihnen und ich sehe ihren Schmerz
in ihren verzerrten Gesichtern. Nein. Nein! Ich will hier raus! Aber ich bin hilflos. Ich kann mich nicht
bewegen, kann nichts hören. Ich versuche mich anzuspannen, aber da ist nichts, das ich anspannen
könnte.
Fühlt es sich so an, tot zu sein? Es ist furchtbar! Und so fühlen sich jetzt gerade alle Toten? Auch
meine Oma?
Ich kann nicht mehr. Ich versuche mich mit allen Mitteln fortzubewegen, aber es geht nicht. Schließlich
bin ich tot und habe meinen Körper verlassen.
„Ich bin doch da!“, schreie ich, wenn auch nur in Gedanken. Sie können mich nicht hören. Aber ich bin
doch da. Ich bin da. Nicht mein Körper, aber meine Seele.
Ich sehe, wie meine Mutter zusammenbricht und weinend auf meinen verlassenen Körper fällt.
„Ich bin da, Mama“, flüstere ich. Aber sie hört mich nicht.
2. Preis │ Kategorie B
Daniel Küng (14 Jahre)
Neue Mittelschule VOMP-STANS
Aufbruch
Aufbruch bedeutet für viele ein neues Leben zu beginnen,
für andere wiederum ein neues Ziel zu erklimmen.
Aufbruch ist für manche ein Neustart,
andere verstehen darunter eine tolle Fahrt.
Aufbruch bedeutet für viele eine Reise am Tag,
einen Ausflug, den jeder mag.
Aufbruch ist für viele eine Veränderung,
für andere das Ausnehmen von Tieren.
Aufbruch ist für viele der Beginn eines Lebensabschnittes,
für andere der Start eines Rittes.
Aufbruch ist für viele das Losmarschieren,
für andere die Vergangenheit auszuradieren.
Aufbruch bedeutet für viele einen Familienausflug zu unternehmen,
für andere sich für einen Neuanfang nicht zu schämen.
Aufbruch ist für viele etwas Neues zu wagen,
und nicht nach dem Warum zu fragen.
Aufbruch ist oft sehr schön,
denn man kann in eine neue Richtung gehn.
3. Preis │ Kategorie B
Alexander Schiestl (12 Jahre)
BRG in der Au
Aufbruch – Die Fliegende Hölle
Im Jahr 375 v. Chr. war ganz Europa seit der raschen Abschmelzung der Gletscher, die fast über den
ganzen Kontinent reichten, aufgrund der stetigen Erwärmung der Erde, von einem riesigen Meer
bedeckt. Inmitten des Ozeans bildete sich jedoch eine große, gebirgige Insel.
Die Insel wurde von vier verschiedenen Volksstämmen bewohnt. Die Menschen lebten von dem, was
die Insel und das Meer hergaben. Sie hatten genug zu essen und allen ging es gut. Doch eines Tages
verschwand die Sonne hinter einer Wolke und es wurde immer dunkler und düsterer. Eine schwarze,
große Wolke zog langsam auf die Insel zu. Eine alte Legende besagte, dass die Toten auf ihr leben
und der Regen aus der Wolke schwarz ist. Und die Ältesten der Insel behaupteten, wer von ihren
schwarzen, dunklen Tropfen getroffen wird, wird für immer zu Stein.
Die Wolke trieb immer näher und näher und die Menschen verliefen in Panik. Sie packten ihr
wichtigstes Hab und Gut, liefen zur Küste der Insel und sprangen in heller Aufregung in ihre Boote.
Sie versuchten, so schnell wie möglich aus der Nähe der Insel wegzukommen. Einige wenige konnten
in einer nahegelegenen Höhle Unterschlupf finden. In der Eile vergaß jedoch eine Familie ihr Kind.
Der Junge lief den flüchtenden Menschen hinterher. Aber plötzlich entlud sich die ganze Naturgewalt
eines Sturmes über die Insel und dicke, schwarze Tropfen wurden auf die Insel gepeitscht. Der kleine
Junge rief in seiner großen Verzweiflung: „ Mama, Mama, hilf mir!“ Die Eltern und Geschwister
schauten zurück. Aber es war zu spät. Plötzlich konnte sich der kleine Bub nicht mehr bewegen und
wurde von den Zehen über die Beine, Rumpf und Arme ganz steif, bis schließlich sein letzter
verzweifelter Hilferuf zu einem steinernen Schrei wurde. Voller Trauer und Bekümmerung musste sich
der Rest der Familie, die das Unglück aus der Ferne beobachteten, in Sicherheit bringen.
550 Jahre später ging das Meer wieder zurück und so entstand das heutige Europa. Doch noch heute
kann man auf der Innsbrucker Nordkette das versteinerte Kind bemerken.
1. Preis │ Kategorie C
Christina Stolz (18 Jahre)
Katholische Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik in Wilten
Alles wird gut
Es ist kurz vor Mitternacht.
Die ganze Stadt scheint wie leer gefegt. Von weitem sieht man nur die Lichter, die niemals
ausgehen, die einem das Gefühl geben, nie wirklich allein zu sein.
Man hört die letzten Straßenbahnen, die in den Bahnhof einfahren, und die ewig langen
Nachtzüge mit den geschlossenen Jalousien, die gerade noch die Stadt verlassen. Man erkennt
die Menschen, die von den vielen Stunden der Arbeit gezeichnet nach Hause gehen, die sich
nur nach einer Umarmung und einem Bett sehnen, und die, die wissen, was sie mit ihrem
Freitagabend noch anfangen wollen.
In dieser Stille öffnet sich eine Tür. Fillip hört Geschrei, während seine Füße den Weg zur
Straße einschlagen. In der Hand hält er Benno, seinen besten Freund, der einzige, der immer
für ihn da ist.
Benno hält Fillip die Ohren zu, wenn die Worte der Eltern den Weg zu seinen Ohren suchen,
er findet immer die passenden Verstecke, wenn Fillip Angst hat und hilft ihm dabei, die Luft
anzuhalten, wenn sein Vater ihn sucht. Sogar wenn Fillip gefunden wird, steht ihm Benno bei
und wartet immer wieder, bis die blauen Flecken verblassen.
Doch was Benno für Fillip so besonders macht, ist, dass er nicht weint, wenn er gegen die
Wand geworfen wird, dass er nicht schreit, wenn die Fäuste auf sein Gesicht einschlagen und
dass er, obwohl er so schreckliche Dinge miterlebt, immer lächelt. Es ist besonders, dass
Benno Fillip immer verzeiht, wenn er handelt, wie es ihm sein Vater gezeigt hat.
Doch heute kann Fillip nicht mehr. Er hörte ihren Zorn, die bösen Worte und die
Beschimpfungen, die sogar in die entferntesten Winkel des Hauses getragen wurden und ihm
den Schlaf raubten.
Vorsichtig schaute er zur Türe hinaus. Seine Eltern standen im Wohnzimmer, die Hände
wütend über die Köpfe gestreckt. Fillip wusste, dass sie es nicht bemerken würden, wenn er
geht. Sein Blick wanderte zu Benno. Er lächelte. „Lass uns gehen!“, schien sein Blick zu
sagen, „nur mal frische Luft schnappen!“ Sie brechen auf.
Fillip bleibt stehen und dreht sich um. Durch das Fenster sieht er seine Mutter. Sie ist wütend,
vielleicht auch verzweifelt. Doch ihre Worte dringen nicht mehr zu ihm durch. Die
geschlossene Tür hält alles fern von ihm.
Ein einziges Geräusch stört die Stille. Es kommt näher.
Fillip geht weiter, immer einen Schritt vor den anderen. Er will einfach weg, weg von seinen
Eltern, von diesem Haus. Er will weg von den Fäusten seines Vaters.
Obwohl er nicht schneller wird, hat er das Gefühl, zu laufen, immer rascher, um alles hinter
sich zu lassen. Den Hass, den er in ihren Gesichtern sieht, die Angst, in ihren Augen, und die
Einsamkeit in ihren Tränen.
Seine Füße tragen ihn weg, die Trauer lässt ihn beinahe fliegen, als sein Blick zum
Fenster schweift. Seine Eltern haben inne gehalten, das Gesicht noch voller Wut und
Verzweiflung. Sie blicken auf die Straße hinaus.
Die Gedanken der Mutter treffen auf die ihres Sohnes. Er steht auf der Straße.
Ein wortloser Schrei entfährt ihr. Ihr Blick wandert zu Fillips Zimmer, dann zu ihrem Mann.
Die letzten Reste des Zornes entweichen seinen Zügen.
Das Geräusch wird lauter.
Fillip blickt wieder in die Gesichter seiner Eltern. Ihr Ausdruck hat sich abermals verändert.
Es war Angst, die er in den Augen seiner Mutter sehen kann. Die seines Vaters zucken nervös
zwischen Fillip und der Kreuzung hin und her.
Verwirrt schaut Fillip sich um. Das Geräusch kommt näher. Doch das einzige was er
erkennen kann, sind Lichter, die ihn und Benno beleuchten.
Er sieht zu seinen Eltern hinauf, die sich trotz des Entsetzens und des Schmerzes in ihren
Gesichtern an den Händen halten.
Fillip lächelt. Er hört etwas quietschen.
„Siehst du“, scheint Benno zu sagen, während die beiden vom Licht umhüllt werden, „alles
wird wieder gut!“
1. Preis │ Kategorie C
Michelle Meissner (17 Jahre)
HTL Jenbach
Aufbruch
Ich liege einfach nur da, starre geradeaus, in ein Meer aus Grautönen, und empfinde kein
Quäntchen von Emotion.
Ich löse mich erst aus meiner Erstarrung, als mir ein kleiner Luftzug eine Locke meines
dichten goldenen Haares ins Gesicht weht und ich gedankenlos meine Hand hebe, um sie mir
aus dem Gesicht zu streichen. Langsam kämpft sich ein Gedanke an die Oberfläche meines
Bewusstseins und entfaltet sich.
– Wenn hier Wind weht, so könnte das wechselhafte Grau vor meinen Augen doch etwas
anderes als die Verwirklichung von Trübsinn sein. –
Plötzliche Kalte lässt meinen ganzen Körper zusammenzucken und ich erkenne die Ursache
für mein Frösteln im Untergrund, auf dem ich liege. Aus einem Impuls heraus streiche ich,
immer noch mit dem Blick an den grauen Himmel gefesselt, mit meinen Fingern über den
Boden. Er ist kalt – eiskalt!
Ich zucke zurück und fahre mit dem Kopf herum, um dort hinzusehen, wo ich meine Hand
habe schweifen lassen.
Eis – Schnee und Eis – daraus besteht er, der Boden.
Verblüfft richte ich mich auf, um meine Umgebung in mich aufzusaugen. Ich bewundere die
Landschaft, die sich, im wahrsten Sinne des Wortes, wie eingefroren wunderschön um mich
schließt. Auch das Kleid, das ich trage und von dem ich mit Sicherheit sagen kann, dass es
sich nicht in meinem Besitz befindet, ist mit vielen Eiskristallen, die sich an zahlreichen
Stellen des Kleides gebildet haben, wunderschön.
Erstaunlicherweise ist mir die Kälte nicht mehr bewusst und ich beginne mich zu drehen, mit
ausgestreckten Armen immer schneller und schneller, um dies hier zu genießen. In meiner
Euphorie vergesse ich, dass ich mich auf Eis bewege und stürze zu Boden. Ich bin schon fast
wieder auf den Beinen, als ich zirka zwei Meter vor mir einen weiten Spalt entdecke, der
mich abrupt wieder auf die Knie sinken lässt.
Schockiert, wie zerrissen so viel Schönheit sein kann, rutsche ich vor, ziehe mich weiter an
den Riss heran und spähe hinab in die Dunkelheit. Plötzlich trifft mich ein starker Luftstoß
aus den Tiefen des aufgebrochenen Eises und ich wache auf. Stoßweise atmend und mit zittriger
Hand fasse ich neben mich, nur um ernüchtert festzustellen, dass dort niemand ist, liegt und atmet.
Den Tränen nahe sinke ich zurück in die Kissen.
Ich liege einfach nur da, starre in die Schwärze der Nacht und kann fast spüren, wie die große,
einst klaffende Wunde meines Herzens wieder aufbricht.
2. Preis │ Kategorie C
Michaela Schneider (15 Jahre)
BRG Wörgl
Aufbrechen
Ich packe meinen Koffer. Wie dieses Spiel, welches ich in meiner Kindheit immer mit meinem kleinen
Bruder gespielt habe. Ich habe fast nie gewonnen, denn ich konnte mir nicht so viele Gegenstände
merken. Er aber war ein Genie in solchen Dingen und konnte von diesem Spiel nie genug bekommen.
Doch wir mussten aufhören, denn der Alltag hat uns eingeholt.
Ich hole ein abgegriffenes Foto meiner Familie aus der Tasche und betrachte es. Wie glücklich wir alle
darauf waren. Eine Träne rollt über meine Wange und ich wische sie weg. Ich schiebe alle Gedanken
an damals bei Seite, denn wir leben im Jetzt und das Jetzt ist das, was zählt. Um mich abzulenken,
gehe ich die wenigen Sachen, die ich eingepackt habe, zum hundertsten Mal durch und warte darauf,
dass meine Tante kommt. Viel ist nicht aus meinem bisherigen Leben übriggeblieben.
„Mira?“, dringt die euphorische Stimme meiner Tante durch das leere Treppenhaus zu mir hinauf. Es
ist ihre Art, mit all dem zurechtzukommen, ihre Art, die Situation zu meistern, und ich respektiere sie,
doch manchmal ärgert mich diese aufgesetzte Fröhlichkeit und ich könnte sie anschreien, warum sie
nicht um ihre Schwester und deren Familie trauert. Warum sie nicht den ganzen Tag weint und keinen
an sich heranlässt. Doch vielleicht ist dies die beste Methode, über das hinwegzukommen, was unser
bisheriges Leben zerstört hat. Und meine Familie.
„Mira? Bist du noch hier oben?“ Die Stimme meiner Tante wird lauter und ich höre, wie sie vor meiner
Tür stehen bleibt. Ich höre, wie sie tief Luft holt, um für alles gewappnet zu sein, sobald sie meine
Zimmertür öffnet. Als sie mich lebend am Boden knien sieht, atmet sie erleichtert aus. „Hast du alles?
Es geht gleich los.“ Sie erblickt das Foto in meiner Hand und kniet sich neben mich auf den
Fußboden, um es genauer ansehen zu können. Es wurde vor all dem gemacht, als wir alle auf unserer
Terrasse saßen, meine gesamte Verwandtschaft und ich, und bis abends den Geschichten unserer
Eltern lauschten. Wir haben nichts Großartiges getan, aber vielleicht ist es gerade deshalb einer
meiner Lieblingsabende gewesen.
Ich schaue in das Gesicht meiner Tante, die auf das Foto starrt. Auch wenn sie es zu verbergen
versucht, sieht sie müde und angeschlagen aus, und ich kann in ihren Augen Tränen glitzern sehen.
Wahrscheinlich denkt sie an diesen einen Abend zurück, an einen der letzten. Ich stehe vorsichtig auf,
um meine Tante nicht zu stören, und gehe zu meinem Koffer. Ganz unten liegen Zeitungsausschnitte
in einer Folie mit Berichten über diesen einen Tag. Ich fahre mit meiner Hand unter die Kleider,
versuche, das dünne Papier zu ertasten, um zu kontrollieren, ob sie noch da sind. Ja, sie sind noch da
und ich stecke sie in die Tasche meines Kleides.
Ich schlucke schwer und sage mit fester Stimme: „Ja, ich habe alles!“
Meine Tante schaut mich verwirrt an, doch dann huscht Erkenntnis über ihr Gesicht. „Fein“, sagt sie,
streicht ihr Kleid glatt, fährt mit der Hand durchs Haar. So schnell hat sie sich wieder gefasst und wir
gehen zur Tür. Das Foto liegt noch auf dem Fußboden, doch ich lasse es liegen, denn ich habe nicht
die Kraft, es aufzuheben. Es gehört zu meiner Vergangenheit und die will ich hinter mir lassen. Ich
lasse meinen Blick noch ein letztes Mal durch das leere Zimmer, das elf Jahre lang mein
Kinderzimmer war, gleiten, fahre mit den Fingern vorsichtig über die dünne Staubschicht, die sich auf
die Möbel gelegt hat, und gehe zur Tür hinaus. Mit jedem Schritt spüre ich die Folie mit den
Zeitungsausschnitten durch mein Kleid hindurch. Jetzt kann ich noch nicht darüber reden, doch ich
werde meinen Kindern, sollte ich je welche bekommen, erzählen, warum sie keine Großeltern, keine
Verwandten haben. Ihnen erzählen was passiert ist, dass unschuldige Menschen gestorben sind. Dies
darf nicht in Vergessenheit geraten und soll sich nicht wiederholen.
Ich muss aufbrechen, da ich hier nicht mehr leben kann, denn hier wird mich unsere Vergangenheit
unweigerlich einholen.
Unsere Schritte verhallen im Flur, als wir hinaus auf die sandige Straße gehen und die Tür für immer
hinter uns schließen.
Ich habe meinen Koffer gepackt, doch dieses Mal ist es kein Spiel.
3. Preis │ Kategorie C
Stela Jakovljevic (16 Jahre)
BRG in der Au
aufbruch
vorgestellt habe ich mir immer wie es wäre
verlassen zu werden oder zu verlassen
den allltagstrott
die gleichen straßen
die gleichen häuser
die gleichen gesichter
das ewige anhäufen von dingen
die gemacht werden müssen
die scheinbar das überleben in dieser welt versprechen
die dir alles abverlangen
körperlich und geistig
menschen
die versuchen das richtige zu tun
und anderen scheinbar überlegen sind
alles besser wissen
natürlich
menschen
produkte anderer menschen,
die es einmal richtig machen wollten
und es am ende doch nicht schaffen
der bahnhof ist voll von ihnen
doch alles was ich sehe
sind gefangene
menschen
die sich selbst einen käfig gebaut haben
sich ihr grab selbst schaufeln
ich stehe hier
unwissend
wohin und warum
der zug erreicht den bahnsteig
mit diesem altbekannten zischen und quietschen
das einzige was mir noch in den ohren klingt
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