als Worddatei - Blinden- und Sehbehinderten

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Rede der Präsidentin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes
(DBSV), Renate Reymann, anlässlich der Protestkundgebung „Hände weg vom
Blindengeld“ am 12. September 2013 vor dem Landtag des Landes Sachsen-Anhalt
Liebe DBSV-Familie, Mitstreiter und Weggefährten,
wir sind in den vergangenen Jahren gemeinsam in Bremen, Hannover, Erfurt,
Schwerin und Kiel auf die Straße gegangen und haben für den Erhalt des
Blindengeldes gekämpft. In den politischen Auseinandersetzungen haben wir überall
die gleiche Erfahrung gemacht: Reden und Handeln der Politiker fallen weit
auseinander. Sie sprechen von Chancengleichheit, Solidarität und Inklusion und
handeln dann nach Kassenlage. Sachsen-Anhalt ist ein weiteres Beispiel für den
Verlust der Glaubwürdigkeit und verspieltes Vertrauen. Ich habe die werbenden
Wahlkampfsprüche der Politiker im Ohr: „In Deutschland geht es den Menschen so
gut wie nie zuvor.“ Sachsen-Anhalt ist ein Teil von Deutschland und mehr als 3.500
blinde und sehbehinderte Menschen sind hier vom sozialen Kahlschlag bedroht.
Am 22. März fasste der Bundesrat eine Entschließung und forderte die
Bundesregierung auf, ein Bundesleistungsgesetz zu erlassen. Zitat „Er (der
Bundesrat) ist der Auffassung, dass es vor dem Hintergrund der UNBehindertenrechtskonvention und dem Leitbild der Teilhabe nicht mehr zeitgemäß
ist, Menschen mit Behinderung auf das System der Sozialhilfe zu verweisen.“
Vermutlich hat Ministerpräsident Haseloff diesem Beschluss mit der erhobenen
rechten Hand zugestimmt und die linke Hand zur Ableitung seiner Zustimmung nach
unten gehalten. Wie sonst lässt sich erklären, dass er im selben Monat in der Presse
die radikale Kürzung des Blindengeldes ankündigt. Damit verweist Herr Haseloff
blinde und sehbehinderte Menschen in Sachsen-Anhalt wissentlich in das System
der Sozialhilfe und in dauerhafte Armut. Herr Haseloff vermeidet die Formulierung
„Kürzung des Landesblindengeldes“, er spricht von einer „Anpassung des
Landesblindengeldes“. Wie sieht die Anpassung des Ministerpräsidenten aus? Die
Diäten der Abgeordneten wurden um 18% erhöht, dafür soll das Blindengeld um 24%
gekürzt werden. Im Ranking der Länder klettern die Abgeordneten auf Platz 7,
während blinde Menschen den letzten Platz um einen Euro verfehlten und auf Platz
15 landeten. Dem Land der Frühaufsteher würde dann die rote Soziallaterne
leuchten. Diese Schieflage könnte durch Anpassung des Blindengeldes in SachsenAnhalt an die Höhe der Blindenhilfe beseitigt werden. Aktuell hat der
Bundesgesetzgeber für die uneingeschränkte Teilhabe blinder Menschen in der
Gesellschaft 629,99 € festgesetzt. In Sachsen-Anhalt gipfelt die politische
Ideenlosigkeit darin, das Landesblindengeld von 350 € auf 266 € zu kürzen. Ein
weiteres hinhaltendes Versprechen ist der Verweis auf ein Bundesleistungsgesetz!
Öffentlich hat Herr Haseloff zugesichert, „dass die Landesregierung alle finanz- und
sozialpolitischen Argumente sorgfältig gegeneinander abgewogen hat“. Der Minister
für Arbeit und Soziales, Norbert Bischoff, widerspricht dieser Zusicherung: "Einziger
Beweggrund, der Kürzung zuzustimmen, ist der Sparzwang. Eine inhaltliche
Begründung gibt es nicht." Ich sage, Sachsen-Anhalt braucht einen Sozialminister,
der seiner sozialen Verantwortung gerecht wird und nicht die vom Finanzminister
vorgegebene Sparsumme widerstandslos fiskalisch durchsticht. Herr Bischoff
verwechselt Gestalten mit Verwalten. Es ist höchste Zeit, dass der Ministerpräsident
seine Richtlinienkompetenz wahr nimmt und die Schuldzuweisungen der beiden
SPD-Minister beendet.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich am 30. August hier in Magdeburg
unmissverständlich gegen eine Kürzung des Landesblindengeldes ausgesprochen.
Damit bekennt sich die SPD uneingeschränkt zum Grundsatz der Inklusion. Die
Sparpläne der beiden SPD-Minister Bullerjahn und Bischoff verhindern Inklusion, sie
führen zur Ausgrenzung blinder und sehbehinderter Menschen.
Die Teilnehmer der Protestkundgebung fordern Sie, Herr Ministerpräsident, auf, die
Kürzungspläne des Blindengeldes zu schreddern, damit bekäme des Wort
schreddern wieder eine positive Bedeutung. Wir erwarten eine stufenweise
Anpassung des Blindengeldes nach Vorbild der Abgeordnetenbezüge. An die von
uns gewählten Abgeordneten appellieren wir, sich keinem Fraktionszwang zu
beugen, sondern nach ihrem sozialen Gewissen zu entscheiden. Beenden Sie die
fatale Fehlentwicklung und erteilen Sie den Kürzungsplänen der Regierung eine
deutliche Abfuhr. Mit dem Ruf „Hände weg vom Blindengeld“ appellieren wir hier und
heute an Ihre soziale Verantwortung.
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