TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Wichtige Grundbegriffe zum Themenfeld Lyrik (aber auch überhaupt zum Umgang mit fiktionaler Literatur) Lyrisches Ich Das Lyrische Ich ist (ähnlich wie die Erzählerfigur) in Gedichten eine erdachte Figur, die die Perspektive / den Blickwinkel, aus dem das Thema entwickelt wird, bestimmt. Wir dürfen ein „Ich“ (oder „Wir“) in einem Gedicht also nicht mit dem Autor / der Autorin gleichsetzen. Eine zentrale Frage bei jeder Gedichtanalyse ist die nach dem Lyrischen Ich: „Wer ist das Lyrische Ich?“ , „In welcher Situation befindet es sich?“, „Wo steht das Lyrische Ich?“, „Wie filtert das Lyrische Ich?“ Verdichtung Lyrik versucht – mehr noch als epische Kleinformen – existentielle Grundsituationen (Liebe, Tod, …) „wie in einem Brennglas“ einzufangen und sprachlich zu verdichten. Das gelingt über das „Prototypische“ an der thematisierten Situation, über sprachliche Stilmittel, die zu einer Verdichtung führen (Symbole, Metaphern, …) u.a.m. Bildhaftigkeit Lyrik ist – mehr noch als epische Kleinformen – durch Bildhaftigkeit gekennzeichnet. In sehr vielen Fällen kann man Gedichte als „Bilder aus Sprache“ oder als „Bildcollagen“ sehen. Diese Bilder können optisch (Auge), akustisch (Ohr, Klang), haptisch (Tastsinn), … sein. Wer einen Zugang zu einem Gedicht sucht, tut sich oft am leichtesten, wenn man der „Bildhaftigkeit“ folgt. Sprachliche Merkmale: Wortfiguren Wortfiguren sind Stilmittel, die Wörtern neben ihrer eigentlichen Bedeutung (denotativer Gehalt) eine weitere Bedeutung auf einer zweiten oder dritten Ebene geben (denotativer Gehalt). Damit entsteht eine inhaltliche Dichte, die Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit von Inhalten spürbar und erfassbar macht. Vergleich Der Vergleich ist eigentliche eine Gedankenfigur, in der zwei Begriffe, die grundsätzlich miteinander nichts zu tun haben, zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei gibt es einen Bildspender und einen Bildempfänger Dadurch erhält das empfangende Grundwort eine neue, bildhafte Bedeutung (oder eine Schärfung in der Bedeutung). Die Verbindung zwischen beiden Begriffen erfolgt durch das Wort "wie" oder "als". Beispiele für Vergleiche: Metapher Stark wie der Tod ist die Liebe. // Stärker als der Tod ist die Liebe dunkel wie die Nacht // dunkler als die Nacht Möge dir die Erde leicht sein // wie das Erdentuch Eine Metapher ist ein "verkürzter Vergleich"; der Vergleichspartikel (wie / als) fehlt, sodass Bildspender und Bildempfänger unmittelbar miteinander verbunden sind. Beispiele für Metaphern: 1 TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Symbol jemandem das Herz brechen; ein hartes / weiches Herz haben; etwas auf dem Herzen haben; jemand trifft auf eine Mauer des Schweigens, ratet auf einer Erfolgswelle, kann mir nicht das Wasser reichen, ... Rosige Osterwolke im Grabgewölke der Nacht // und die Silberstimme der Sterne Ein Symbol ist ein Begriff, der neben seiner eigentlichen konkreten Bedeutung eine zweite Bedeutungsebene aufweist. Auf dieser zweiten Ebene verweist er meistens auf etwas Abstraktes, Psychologischen, Philosophisches, Existentielles... Es gibt universelle Symbole (häufig Natursymbole wie Bäume, Wasser, Höhlen), kulturelle Symbole (das Kreuz im Christentum, ...), persönliche Symbole Symbole entstehen auch immer wieder neu, z. B. durch historische Ereignisse. So wurde die Stadt Hiroshima durch den Abwurf der Atombombe 1945 zum Symbol für die Bedrohung der Menschen durch den modernen Krieg, die Städte Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) wurden durch das AKW-Unglücke zum Symbol für die Gefahren, die mit modernen technischen Entwicklungen verbunden sind, der 11. September (9/11) wurde zum Symbol für eine neue Form des Terrors, … Personifikation Die Personifikation ist eine Stilfigur, die Naturerscheinungen (physikalischen Objekten, Pflanzen, manchmal auch Tieren) menschliche Eigenschaften unterstellt, sie also "vermenschlicht". Es entsteht so z. B. der Eindruck einer "belebten Natur". Beispiele für Personifikationen sind: "die Sonne lacht"; "Wenn die Gondeln Trauer tragen"; "Es war, als hätt' der Himmel / die Erde still geküsst" Allegorie Die Allegorie (griech allegoria = das Anders-Sagen) ist ein bildlicher Ausdruck für einen abstrakten Begriff oder Vorgang durch die Darstellung v. a. in Form einer Person. Bekannte Allegorien sind z. B. der Sensenmann für den Tod oder Justitia, die Frau mit verbundenen Augen, Schwert und Waagschale, für Gerechtigkeit oder Recht. Es gibt auch National-Allegorien, z. B. die deutsche Germania oder die französische Marianne. Neologismus Ein Neologismus (von neo = neu und logos = Wort) ist eine WortNeuschöpfung. Neologismen tauchen meistens mit neuen technischen Möglichkeiten oder neuen Verhaltensweisen auf. So hat beispielsweise die Nutzung von PC und Handy zu einer Fülle von Wortneuschöpfungen geführt (chatten, simsen, mailen, bloggen, ...). Auch die Werbesprache und die Mediensprache ist voller Neologismen. Dort bezeichnet man Wortschöpfungen wie „Problembär“, „Prekariat“, „Humankapital“ „Pensionslücke“ oder „IchAG“ als „Augenblickskomposita“. Manche Neologismen verschwinden wieder, andere werden aber auch Teil des Allgemein-Wortschatzes. Manche Dichter verwenden in ihren Texten - insbesondere in Gedichten - Neologismen, um dem Text damit eine spezielle inhaltliche oder sprachliche Qualität zu verleihen. 2 TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Oxymoron Ein Oxymoron besteht aus zwei Wörtern oder zwei Wortteilen, die sich eigentlich widersprechen oder gegenseitig ausschließen. Insofern ist ein Oxymoron das Gegenteil eines Pleonasmus oder einer Tautologie. Das Oxymoron ist eine Wortfigur, die in der Lyrik, aber auch im Alltag recht häufig vorkommt. Beispiele: Paraphrase, Periphrase Hassliebe beredtes Schweigen rasender Stillstand Paraphrasen (para = neben; Phrase = Wort / Wendung) und Periphrasen sind Umschreibungen eines Begriffs durch einen anderen oder einer Wendung durch eine andere. Beispiele: "Das Auge des Gesetzes" die Polizei „ableben“, „ins Gras beißen“, „das Zeitliche segnen“, jemanden „ins Jenseits befördern“… sterben / töten Tautologie, Pleonasmus Ein Pleonasmus (griech.: Überfluss) oder eine Tautologie ist eine inhaltliche Verdoppelung. Beispiele für Pleonasmen sind der weiße Schimmel, die runde Kugel, der schwarze Rappen, die tote Leiche, Wendungen wie "voll und ganz" oder "nie und nimmer" u.a.m. Montage Von einer Montage spricht man dann, wenn Wörter oder Wortgruppen auf neuartige, ungewohnte Weise miteinander verbunden oder ineinander verschränkt werden Beispiel Euro – Bankster (Bank – Gangster) Zwangstagsschule (Ganztagschule – Zwang) Sprachliche Merkmale: Satzfiguren und Wortfiguren Satzfiguren sind Stilmittel, mit deren Hilfe ein Satz oder mehrere Sätze auf eine besondere Art und Weise stilistisch geprägt werden können. In lyrischen Texten kommen sie häufig vor. Sie kommen aber auch im Alltag vor. Satzformen Aussagesatz („Er kommt.“ Fragesatz: Entscheidungsfrage („Kommst Ergänzungsfrage („Wann kommst du?“) du?“) oder Aufforderungssatz, Befehlssatz („Komm!“) Parataxe Eine Parataxe ist eine Hauptsatzreihung, also Nebeneinanderstellen von mehreren Hauptsätzen, die unabhängig voneinander stehen könnten. das auch Beispiel: Der Kutscher kam an, der Herzog stieg aus, das Fest begann. Der Kutscher kam an; der Herzog stieg aus; das Fest begann. Der Kutscher kam an. Der Herzog stieg aus. Das Fest begann. 3 TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Hypotaxe Der Kutscher kam an und der Herzog stieg aus und das Fest begann. Eine Hypotaxe ist ein Satzgefüge, also das Aneinanderreihen von einem Hauptsatz und einem oder mehreren Gliedsätzen. Beispiel: Anapher Der Herzog stieg aus, nachdem der Kutscher gekommen war, woraufhin das Fest beginnen konnte, bei dem es zum Unfall, der natürlich sehr bedauerlich ist, kam. Als der Mann, der, weil er zu viel getrunken hatte, schwankte, aus der Gaststätte kam, stürzte er. Eine Anapher ist eine Folge von zwei oder mehreren Sätzen oder Satzteilen, die mit demselben Wort oder derselben Phase beginnen. Beispiel: Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, // Aufgestanden unten aus Gewölben tief Epipher Epipher ist eine Wortwiederholung im Satzinneren oder am Ende des Satzes. Die Epipher ist also quasi das "Gegenstück" zur Anapher. Beispiel: Er will alles, er kann alles, er tut alles. Inversion Eine Inversion (= Umkehrung) ist eine Umkehrung der normalen Satzstellung. Das kann aus rhythmischen Gründen oder aus "reimtechnischen" Gründen der Fall sein. Eine Inversion legt aber auch eine Betonung auf das Wort oder die Wortgruppe, die aus der normalen Satzfolge herausgenommen wird. Dort oben in dem Königsaal Belsazar hielt sein Königsmahl. Ellipse Eine Ellipse ist ein grammatisch unvollständiger Satz, das heißt ein Satz, der dadurch inhaltlich verdichtet wird, dass z. B. das Verb, das grammatisch eigentlich notwendig wäre, weggelassen wird. Beispiele: Klimax Ende gut, alles gut. Die Chance wurde nicht genutzt. Leider. Eine Klimax (= Höhepunkt, Steigerung) ist eine Satzfolge, die sich schrittweise zuspitzt Beispiele: Er kam, sah und siegte. (Veni, vidi, vici; Cäsar) gut, besser, Gösser Formale Merkmale: Rhythmus, Form, Klang Vers, Zäsur, Enjambement Ein Vers ist eine Zeile in einem Gedicht. Man kann zwischen Kurzversen und Langversen, die dann in der 4 TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Mitte meist eine Bruchstelle, die man Zäsur nennt, haben, unterscheiden. Wenn ein Satz über zwei (oder noch mehr) Verse geht, nennt man das Verssprung oder Enjambement. Strophe Eine Strophe (von griech.: Wendung) ist eine Untereinheit eines Gedichtes. Ein Gedicht besteht also normalerweise aus mehreren Strophen, die sich im Bau - vielleicht in variierender Weise wiederholen und so die formale Einheit des Gedichtes bestimmen. Die einzelnen Strophen sind durch Leerzeilen voneinander getrennt. In der traditionellen Lyrik sind Strophen durch Wiederholungen im Reim, im Rhythmus und im Versmaß gekennzeichnet. Wichtige Strophenformen sind zum Beispiel die Volksliedstrophe (drei Zeilen, aab-Reim) oder die Terzine (drei Zeilen, aba-Reim). Letztere verwendet z. B. Dante in der "Göttlichen Komödie". Ein Sonett erkennt man an seiner dreistufigen Form (drei Strophen mit jeweils vier (Lang)versen; Strophe 1 und 2 bilden einen Paar / einen Gegensatz; Strophe 3 reagiert darauf und hat oft formale Abweichungen) In der modernen Lyrik gibt es oft keinen strengen Strophenbau mehr. Man spricht dann besser von Gedichtabschnitten als von Strophen. Rhythmus Jambus,Trochäus Daktylus, Anapäst Unter Rhythmus versteht man die regelmäßige Abfolge von betonten (Hebungen) und unbetonten (Senkungen) Silben. Die häufigsten Rhythmen in der deutschen Lyrik sind: Versmaß Kadenz Jambus (xxxx): Es irrt der Mensch so lang er strebt; der Jambus ist in der deutschen Lyrik der häufigste Rhythmus Trochäus: (xxxx): Warum gabst du uns die tiefen Blicke? Daktylus: (xxxxxx): Sichel im Sommerrain // wird’s doch kein Bauer sein Anapäst: (xxxxxx); Heute hier, morgen dort // Bin kaum da, muss ich fort Die Anzahl der betonten Silben in einem Vers (Gedichtzeile) bestimmt das Versmaß (fünfhebiger Jambus fünf Jamben in einer Verszeile) Betonte Schluss-Silben nennt man männlich (männliche Kadenz; z. B. „strebt“); unbetonte Schluss-Silben nennt man weiblich (weibliche Kadenz; z. B. Blicke) In Gedichten bestimmen der Rhythmus und das Versmaß wesentlich die Stimmung, die das Gedicht aufbaut. Ein Daktylus wirkt zum Beispiel fröhlich-bestimmt, ein Trochäus schwer und tragend. Wenn in einem ansonsten durchgehend regelmäßig rhythmisierten Gedicht an bestimmten Stellen Brüche im Rhythmus auftauchen, hat das einen inhaltlichen Grund. Das heißt, es wird z. B. dadurch auch eine inhaltliche "Bruchstelle" markiert. In modernen Gedichten findet sich oft kein regelmäßiger Rhythmus mehr. Man spricht dann von freien Rhythmen. Reim, Reimschema, Reimformen Ein Reim entsteht durch die Verbindung von Wörtern mit einem ähnlichen Klang. Entscheidend ist normalerweise die Ähnlichkeit des Vokals. Es gibt unterschiedliche Reimformen: Stabreim: die ersten Laute (das können auch Konsonanten sein) sind identisch (z. B. mit Kind und Kegel, mit Mann und Maus) Binnenreim: zwei Wörter innerhalb derselben Verszeile reimen sich (Als eine Hand die andre fand) 5 TK4_4: Grundwissen Lyrik. Grundbegriffe (Lernstoff!!) itm6; SJ 2013/14 Schlagreim: zwei unmittelbar aufeinander folgende Wörter reimen sich (Als ob es tausend Stäbe gäbe) Endreim: die jeweils letzten Wörter eines Verses reimen sich. Beim Endreim kann man zwischen einem Paarreim (aabbcc), einem Kreuzreim (abab), einem umschlungenen Reim (abba) u. a. m. unterscheiden. Ebenfalls unterscheiden kann man zwischen reinen Reimen (fand stand - Land - Tand) und unreinem Reimen (Höh'n - steh'n) Klang Der Klang eines Gedichts entsteht durch die Dominanz bestimmter Vokale oder Konsonanten. Durch viele a-Laute kann zum Beispiel ein weicher, tragender Klang entstehen, durch die Dominanz vieler uLaute oder i-Laute ein harter Klang. Nicht in jedem Gedicht ist der Klang ein wichtiges Merkmal. Bestimmte klangliche Stilmittel, die in der Lyrik Verwendung finden, nennt man Klangfiguren. Ein paar Beispiele für Klangfiguren sind: Alliteration = Stabreim: Die Alliteration ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei oder mehrere Wörter in einem Textabschnitt (Vers, Strophe) mit demselben Laut oder derselben Lautfolge beginnen. Alliterationen werden auch in der Werbesprache und in der Mediensprache - v. a. im Schlagzeilenstil - häufig eingesetzt. Beispiele für Alliterationen: Fischers Fritz fischt frische Fische. Wir Wiener Wäscherweiber wollen weiße Wäsche waschen, wenn wir wüssten, wo warmes Wasser wär. Interjektionen: Interjektionen sind Lautgebilde, die eigentlich keinen Inhalt haben und daher auch keine Wörter im eigentlichen Sinn sind. Aber sie können den Gefühlsgehalt einer Situation wiedergeben. Manchmal haben Interjektionen aber auch "Füll-Charakter". Beispiele für Interjektionen: Habe nun, ach!, Philosophie studiert; Wau, das ging aber schnell! Onomapoetische Ausdrücke: Onomapoetische Begriffe (griech.: onoma = Name; poesis = Dichtung) sind "sprechende Namen", also Begriffe, deren klangliche Qualität ihre inhaltliche Qualität unterstreicht. Ein ähnlicher Begriff ist "Lautmalerei" Das Wort klingt also so, wie seine inhaltliche Bedeutung ist. Beispiele für Begriffe mit onomapoetischem Gehalt sind klirren, zischen (Härte durch Dominanz harter Konsonanten), kikeriki (Hahnenschrei), Kuckuck, windelweich (fließende Konsonanten wie w), ... Paronomasie: Eine Paronomasie (para = neben; onoma = Name) ist eine klangliche Verbindung von zwei Begriffen, die eigentlich nicht zusammengehören, ja sogar gegensätzlich sein können. Beispiel: Vom Volk der Dichter und Denker zum Volk der Richter und Henker; Wer rastet, der rostet; lieber arm dran als Arm ab. 6