Interkulturelle Wochen: Integration durch Beteiligung

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Ohne Heimatverbundenheit gelingt es nicht
Hunsrück/Crossport to Heaven
Berliner Soziologin Kelek informierte über Möglichkeiten der Beteiligung und Integration im
Rahmen der interkulturellen Wochen. Der abendliche Vortrag auf dem Flughafen Hahn führte
zu einer intensiven Diskussion über das Selbstverständnis und die Werte der Hunsrücker
Zuhörer.
Mit ihrer Begeisterung für den Hunsrück, „einer wunderbaren Gegend“, die Schwärmereien
einer Freundin aus Hamburg von ihrer früheren Heimat sah sie bestätigt, überraschte die
Berliner Soziologin ihre Zuhörer. „Spannend und interessant - auch durch den Film Heimat“empfand sie den Hunsrück. “ Zu einem Vortrag „Beteiligung und Integration – wie hängt dies
zusammen? Wie kann dies mehr gelingen?“ war Dr Necla Kelek angereist. Seit über 20
Jahren beschäftigt sich die gebürtige Türkin mit der Integration. Studierte sie zuerst VWL
wurde ihr Interesse an der Soziologie im Studium geweckt. Eine zentrale Erkenntnis ihrer
Beobachtungen und Analysen: „Wir brauchen eine aktive Begleitung in die Gesellschaft“ und
ich „verlange von jedem, sich am Leben zu beteiligen“. In letzter Zeit ist es ihr zu ruhig
geworden, nach einer aktiven Debatte über zehn Jahre. Doch es „kracht an allen Seiten“. Ein
so wichtiges Thema wurde „so unkonstruktiv stehen gelassen“ nach der Sarazzin-Debatte.
Sie hat im Laufe der Jahre die schmerzliche Erkenntnis gewinnen dürfen „als Überbringer
schlechter Nachrichten, macht man sich nicht nur Freunde“ und die „Politik mag es nicht,
wenn nur Probleme Thema werden“. Das haben die Hunsrücker Politiker wohl geahnt und
blieben geschlossen der Veranstaltung lieber fern. Für die Politik soll die „Integration schnell
zum Erfolg werden“. Dabei fließen rund acht Millionen in die Forschungsindustrie, doch die
Probleme sind noch immer da. Ein Neustart der Integrationsdebatte ist dringend erforderlich.
Doch verweist Kelek auch auf die Erfolgsgeschichte Zuwanderung von 16 Millionen
Menschen. Die „Identität zu wahren und ein Land zu bereichern, ist möglich“, hat sie selbst
erfahren. Als Soziologin weiß sie auch, für die meisten Menschen sind die Werte kompatibel.
Probleme haben diejenigen, die Kultur nicht als Konsens sondern als Differenz lesen wollen.
Eine Kultur des Konsens wird als überholt dargestellt, doch die soziale Realität spiegelt dies
nicht wieder, so Dr Kelek, „Wir müssen wissen, was hilft ihnen in der deutschen Gesellschaft
voranzukommen und was nicht“. Die muslimische Gemeinde ist vielfältig, bedingt durch
religiöse Ausrichtung und Herkunft. So sollten spezielle Bedingungen entwickelt werden
können, die für alle ein Gewinn sein könnten. Integration ist unser ureigenstes Thema z.B.
allen Jugendlichen die Werte der Demokratie zu vermitteln. Integration in die Gesellschaft
bedeutet für alle: Gesetze kennen, danach handeln, Sprache, Dialekte und Gepflogenheiten
kennen und begreifen. Die Soziologin sieht eine darin eine Gemeinschaftsanstrengung von
allen, dass Deutschland solche Rechte ermöglicht. Sie fordert alle auf, Verantwortung zu
tragen für die erhaltenen Möglichkeiten dieser Bürgergesellschaft. Bürgergesellschaft leben
bedeutet, sich aktiv zu beteiligen. „Wer Vielfalt als Tatsache setzt, aber nicht Gemeinschaft
fördert und fordert, deutet Bürgergesellschaft um“, kritisiert Kelek. Das bisherige Handeln
hat aus ihrer Sicht viel zu sehr eine Parallelgesellschaft gefördert.
Was versteht Gesellschaft unter Respekt? Unterwerfung oder Hingabe im orientalischen –
muslimischen Verständnis, hingegen im europäisch-amerikanischen vielmehr die Achtung,
die jeder Mensch jedem anderen menschlichen Wesen entgegenbringen soll. Es ist eine
Fehlannahme, dass sich alle automatisch früher oder später dem westlichen Verständnis von
Respekt anpassen werden. „Wenn sie aus der Armut rauskommen, werden sie
demokratisch“, war eine Fehlannahme so Kelek.
Eine Studie aus 2013 zeige, dass Kunst unter Migranten weniger verbreitet sei. Muslime sind
weniger interessiert an Kunst. Kelek erläutert die Hintergründe dieses Unterschieds. Dabei
ging sie auch darauf ein, dass es eine auf das Kollektiv ausgerichtete Gemeinschaft, die
hierarchisch aufgebaut war, um dem Verhalten der Propheten zu folgen (Hadice). Hier galt
das Gebot der Nachahmung im Gegensatz zur Bibel, deren Gleichungen zum Nachdenken
anregen.
Die Soziologin empfiehlt daher, damit umgehen zu lernen und nicht gleich zu vergleichen
oder bedauern, sondern zu begeistern für „Kunst als Kulturtechnik“. Sie ermöglicht eine
Verbesserung der eigenen Lage, der Befindlichkeit. Sie fragt sich, warum ist es so wenig
verbreitet? Warum werden diese Angebote nicht dort ermöglicht, wo wir Menschen
erreichen? Es sei wichtig, die Menschen Vertrauen zu erfahren lassen, in neue Rollen
schlüpfen zu lassen. Kelek ist sich sicher, es wird zu viel auf den Sport gesetzt. „Fußball
bestätigt zu sehr das Rollen- und Geschlechterverständnis. Kunst fördert Individualität,
Vorerfahrungen austauschen zu können, gelingt über Kunst. „Individuelle, kreative Menschen
schaffen Musik- und Theaterschulen statt Moscheen“, provoziert Kelek die spätere
Diskussion. Sie formuliert damit aber auch ihre zentrale Empfehlung für die Arbeit mit
Flüchtlingen im Hunsrück. Bisher haben wir uns nur voneinander entfernt. Interkulturelle
Kompetenz bedeutet aus ihrer Sicht, zu befähigen, Mut zu machen, Verantwortung für
Individualität zu übernehmen. In ihren Ausführungen schwingt auch Kritik an der bisherigen
„Betreuungsindustrie“ mit und dem Ausbleiben eines Intergrationskonzeptes.
In der Diskussion mit Bürgern aus der Region stellten sie fest, „Integration und Emanzipation
sind ein Doppelpaar. Ohne Integration der Frauen, kann es nicht erfolgreich sein“, so
Reinhard Litzenburger. Er bedauert zugleich: „Eine schöne Schilderung der BRD, doch die
Wertegemeinschaft ist nicht mehr so da“. Kelek sieht zwischen Bückeburg, ihrer Heimat, und
dem Hunsrück Parallelen: Die Flucht in die Großstadt. Soziologisch gesehen, kann „ohne
Heimatverbundenheit die Gesellschaft kaputt gehen“. Eine Identitätsentwicklung steht und
fällt mit der Einbindung in den Heimatgemeinden. Für Ihre Begeisterung entschuldigt sich die
ehemalige Dozentin für Verfassungsrecht: Ich bin „verknallt in Verfassung und
Staatsrechtlichkeit“. Und begründet ihre Provokationen: „Mir macht das zunehmende „wir
gehen nebeneinander“ Angst, wir brauchen mehr Miteinander“. Sie lieferten einen Blick aus
der Warte einer Soziologin mit Migrationshintergrund auf unsere ländliche Gesellschaft.
„Jeder darf eine andere Sicht haben, das ist das Schöne an einer pluralistischen
Gesellschaft“, fasst sie zum Abschluss die Diskussion, organisiert vom Verein Engagierte
Bürger e.V., zusammen.
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