Textsorte Kommentar; itm7; SJ2015/16 Die Textsorte Kommentar Was ist ein Kommentar? Welche Unterformen? Welche Themen? Schreibhaltung Funktion / Ziel Gliederung Anderes Kommentieren bedeutet Stellung beziehen / die eigene Meinung äußern und begründen Kommentare sind journalistische Texte; sie können länger (Leitartikel) oder kürzer (Kurzkommentar) sein; sie können eher sachlich oder eher ironisch-zugespitzt (Glosse) sein; Unterformen: o Leitartikel: umfangreich, Blattlinie, von ChefredakteurIn / HerausgerberIn o Glosse: kurzer, zugespitzter Kommentar o Kolumne: sehr subjektiver Kommentar; erscheint regelmäßig an derselben Stelle mit demselben „Design“; meistens eher kurz o Gastkommentar: von Laien; z. B. wissenschaftlicher Experte Außerdem kann ein Kommentar eine erläuternde Ergänzung z. B. zu einem wissenschaftlichen oder juristischen Text sein (für uns ist diese Bedeutung nicht relevant) Themen für Kommentare können aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen (Politik, Wirtschaft, Alltagsleben, …) Im Normalfall haben Kommentare einen aktuellen Bezug argumentieren (Kern) dazu: beschreiben (Einleitung: Sachverhalt benennen) und appellieren (Schluss) Kommentare diskutieren einen konkreten Teilaspekt eines umfangreichen Themas ausschnitthaft „Bedeutungstrichter“ o Allgemeines Thema (z. B. Familienpolitik, Gewalt) o Anlassfall (Der Fall Caine) o Aktuelle Debatte (Familiäre Gewalt; Kinder als Opfer familiärer Gewalt; Familienpolitik) o Konkrete Diskussionsfrage: Versagt die Politik, wenn es um den Schutz von Kindern in Problemfamilien geht? Warum konnte es zu dieser „Familientragödie“ kommen? o Konkrete Position: Die Behörden haben „Alarmzeichen“ nicht gesehen // nicht reagiert. Die Familienpolitik muss sich ändern. Die Diskussionsfrage kann offen oder antithetisch sein. Bei antithetischen Diskussionen gibt es häufig einen Pro-Kommentar und einen Kontra-Kommentar. Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung / zu einer Debatte Entscheidungsträger mit Fehlern / Miss-Ständen / … konfrontieren und Veränderungen verlangen Einleitung Sachverhalt benennen (Thema, Anlassfall, Grundproblem, …) Diskussionsfrage benennen Eigene Position „auf den Punkt bringen“ (Zentral-These) Hauptteil Eigene Position argumentativ darlegen (je nach Länge des Kommentars in knapper oder in sehr differenzierter Form) Schluss Fazit, Resümee ziehen Forderung aufstellen, Appell setzen Kein Adressaten-Bezug; keine Leser-Ansprache (Unterschied zu Brief) Pointierte Sprache; kurze Sätze; auch Ellipsen = unvollständige Sätze (Unterschied zur „wissenschaftlich-objektiven“ Sprache der Erörterung zugespitzte Argumentation (Unterschied zur eher „wissenschaftlichen“ Erörterung) nur Ausschnitt; nur eine Seite der Diskussion (Unterschied zur Erörterung, die ein Thema von mehreren Seiten beleuchtet) Textsorte Kommentar; itm7; SJ2015/16 Argumentative Texte im Vergleich (Grundmuster) Kommentar, Leserbrief, offener Brief Erörterung Gemeinsam: argumentative Auseinandersetzung mit einer Diskussionsfrage Argument: These + Begründung; dann: Erläuterung u/o Beispiel u/o ev. Abrundung / Einschränkung kürzer länger / umfangreicher konkretere Anlassfall; aktuelle Diskussion im Vordergrund; Reaktion auf bestimmtes Ereignis (z. B. Leserbrief: Artikel) grundlegende Problematik / Fragestellung / Thematik im Vordergrund ausschnitthafte Diskussion eines Themas; Beschränkung auf einen bestimmten Themenaspekt; oft konkretes Anliegen Umfassendere / mehrperspektivische Diskussion eines Themas subjektiv / persönlicher Zugang erwünscht Ausschnitt, bestimmte Perspektive Persönlicher Zugang / persönliche Perspektive eher im Hintergrund; nicht auf die persönliche Perspektive reduzieren LB und OB: adressatenorientiert (Ich will X von y überzeugen); Kommentar meist keine Adressatenorientierung sachorientiert; keine direkte Adressatenorientierung pointierte Sprache; eher einfache Sprache; eher direkte Sprache; eher „engagierte“ Sprache sprachlich eher neutral, sachlich, „objektiv“, eher „Wissenschaftssprache“ starke Zielorientierung (Text ist auf eine Schlusserkenntnis hin komponiert; „Schlusspointe“) starke Prozessorientierung („gedankliche Entwicklung, roter Faden, logische Struktur) oft reflektierender / abwägender Schluss (Vielleicht sollten wir in Zukunft öfter …); Aufforderung zum Nachdenken oft appellativer Schluss (Mach! Machen wir …!); Aufforderung zum Handeln Textsorte Kommentar; itm7; SJ2015/16 Beispieltexte: Kommentare zum Thema Impfen. Diskussionsfrage: Soll der Staat Impfungen verpflichtend vorschreiben?1 Pro: Wolfram Hartmann: Staatliche Fürsorgepflicht Eine Impfpflicht ist in Deutschland nicht unbekannt. Bis 1976 gab es in Deutschland die Pockenimpfpflicht. Inzwischen sind die Pocken dank der Impfung weltweit ausgerottet. Auch jetzt sieht das Infektionsschutzgesetz in § 20, Abs. 6, bei einer Ausbreitung von Erkrankungen eine mögliche Pflichtimpfung vor. Bei Masern handelt es sich um eine Virusinfektion mit teilweise schwerwiegenden, oft erst Jahre nach der Erkrankung auftretenden Folgen. Eine wirksame Behandlung von Erkrankten ist nicht möglich. Wissenschaftlicher Standard weltweit ist die Prophylaxe mittels einer gut verträglichen Lebendimpfung. Um die auch von der WHO angestrebte weltweite Ausrottung der Masern zu erreichen, ist eine Durchimpfungsrate von wenigstens 95 Prozent der Bevölkerung anzustreben, denn damit kann ein sogenannter Herdenschutz erreicht werden. Alle Appelle an die Eltern, ihre Kinder vor dieser Erkrankung mit immer wieder fatalen Folgen durch eine rechtzeitige und komplette Impfung zu schützen, waren bisher nicht hinreichend erfolgreich. Der Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) fordert daher den Nachweis einer vollständigen Impfung vor Aufnahme eines Kindes in eine staatlich finanzierte Betreuungseinrichtung, damit auch solche Kinder vor einer Infektion geschützt werden, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Hier gibt es eine staatliche Fürsorgepflicht (Artikel 24 UN-Kinderrechtskonvention), wenn Eltern nicht alles tun, um ihre Kinder vor gefährlichen Erkrankungen zu schützen. Andere Länder haben uns gezeigt, dass dies gerade bei Masern eine erfolgreiche Methode ist. (216 Wörter) Birgitt Bender: Selbstbestimmungsrecht hat Vorrang Wir haben in Deutschland aus guten Gründen keine Impfpflicht, selbst bei Infektionskrankheiten mit zum Teil schwerwiegenden Verläufen. Das Selbstbestimmungsrecht hat Vorrang, eine Impfung ist stets und zuallererst eine persönliche Abwägung von Nutzen und Risiken. Außerdem käme eine Impfpflicht für den aktuellen Masernausbruch zu spät. Die Impfquoten (zweimalige Impfung) sind bei den einzuschulenden Kindern zwischen 2000 und 2010 von 19 auf immerhin 92 Prozent gestiegen. Eine sachliche Aufklärung über die individuellen und epidemiologischen Vorteile einer Impfung (ohne Vernachlässigung der möglichen Nebenwirkungen) wird also zu einer weiter steigenden Impfbereitschaft führen – das sollte einer gewissen politischen Gelassenheit das Wort reden. Eine ergebnisoffen geführte Impfberatung beim Hausarzt/der Hausärztin des Vertrauens wird dazu beitragen. Die Schwächung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erweist uns hier übrigens einen Bärendienst, was besonders die Kinder trifft, die auch vom Bildungswesen schlechter erreicht werden. Das Gegenteil von Vertrauen, nämlich Misstrauen und eine sinkende Impfbereitschaft, bewirken Forderungen nach einer Impfpflicht oder gar nach einem Ausschluss von ungeimpften Kindern aus Schule oder Kindergarten. Und wenn auch noch ein liberaler Bundesgesundheitsminister solche Maßnahmen ins Spiel bringt, dann ist das ein bemerkenswerter Ausdruck von Hysterie und Hilflosigkeit. Wie auch immer die Impfentscheidungen (der Eltern) ausfallen, sie sind zu respektieren. Schließlich ist – neben möglichen akuten Nebenwirkungen – nach wie vor ungeklärt, welche Auswirkungen Impfungen langfristig auf die organismuseigene Immunregulation haben. (212 Wörter) 1 http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/55073/Ein-Pro-und-Contra-zur-Impfpflicht Textsorte Kommentar; itm7; SJ2015/16 Arbeitsaufgaben zum Text; Textsorte Kommentar a) b) c) d) e) f) Woran kann ich als LeserIn erkennen, dass es sich bei einem Text um einen Kommentar handelt? Was ist der Anlassfall / der Ausgangspunkt für den Kommentar? Welches Anliegen verfolgt die Verfasserin mit dem Kommentar? Wo wird das deutlich? Wo finden sich im Kommentar beschreibende/berichtende/darlegende Passagen (Sachverhalt)? Wo wird argumentiert? Wo wird appelliert? Welche Thesen lassen sich im Kommentar identifizieren? Wo stehen sie? Wie werden sie begründet / argumentativ dargelegt? Wo / inwiefern werden sie mit Beispielen „unterlegt“ Wie ist der Schluss des Kommentars? Welche Zielsetzung verfolgt er? Textsorte Kommentar; itm7; SJ2015/16