Medien- und Kommunikationsrecht 30. April 2012 Ludivine Candiotti Gaëlle de Cannière Sachverhalt 6B: Redaktionsgeheimnis für Kommentar SF-Blog I: Der Sachverhalt Sendung: „Alpenfestung - Leben im Réduit“ Die im August 2009 ausgestrahlte Sendung des Schweizerischen Fernsehens (SF 1) „Alpenfestung – Leben im Réduit“ war ein Living-History Projekt. In diesem Projekt wurde mit aktiven Teilnehmern das Leben im Réduit während des zweiten Weltkrieges nachgespielt. Zweck war es, nachzuvollziehen, wie dieses Leben ausgeschaut haben könnte. Blog: Zusätzlich wurde online ein Blog dazu erstellt. Ein Teilnehmer hat seine Erfahrungen über diese Situation erzählt. Er vermutete, dass es einen Maulwurf im Réduit gab. Kommentar: Eine Privatperson hat darauf reagiert und einen Kommentar geschrieben. „Ich selbst war auch eine gewisse Zeit als Maulwurf tätig und kann mir als langjähriger Truppenkommandant aus einem als Reduit dienenden Gemeindehaus, das in der späteren Nachkriegszeit als Hauptquartier einer Stellung vom verdeckt operierenden zivilen Führungsstab genutzt wurde, sehr gut vorstellen, was alles für Probleme vor allem in Bezug auf die Motivation des Fussvolkes auftreten können. Wir lösten dies jeweils so, dass der Bartli von Richterswil mit allen auf die Chilbi gegangen ist. Es gab dann Freibier für die Basisleute und ein paar Fahrten auf den Bahnen. Danach ist aller wieder zum Stimmen gekommen, und wir konnten unser Treiben in der Unterwelt wieder mit voller Power fortsetzen. Orpheus und Eurydike sind mir ehrlich gesagt weder in Richterswil noch in Hausen am Albis je begegnet bei meinem Wirken als Kommandant. Dafür habe ich jetzt in Zug gemerkt, wie wohltuend es ist, vom Fluss des Vergessens, Lethe, in der Unterwelt, sprich Hades einen Schluck zu nehmen. So habe ich in der Zwischenzeit den Koller überwunden und als Drosselbart von Zug wieder eine neue Aufgabe gefunden, die mir viel Freude bereitet. X." Der Kommentator hat mit „X“ ein Pseudonym gewählt. Der Zuschauer hatte den Namen einer anderen Person als Pseudonym gewählt. II: Verfahren Der eigentliche X reicht eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung (Art. 173 StGB) und Missbrauchs einer Fernmeldeanlage gegen Unbekannt ein. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug verfügt das SF die Unterlagen (IP-Adresse, Daten, Zeitpunkt) zu geben, um diesen „falschen“ X zu identifizieren. Das SF führt eine Beschwerde gegen die Verfügung vor der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug. Das Obergericht weist die Beschwerde ab. Das SF führt eine Beschwerde in Strafsachen (Art. 78ff BGG) vor dem Bundesgericht. Es macht geltend, dass der Quellenschutz und Redaktionsgeheimnis verletzt wurden III: Juristische Frage Hat das SF ein Recht die Unterlagen zu verweigern, oder ist sie verpflichtet die Unterlagen herauszugeben? 1 Medien- und Kommunikationsrecht 30. April 2012 Ludivine Candiotti Gaëlle de Cannière IV: Relevanten Rechtsnormen Art. 17 Abs.3 BV: Redaktionsgeheimnis Art. 28a Abs. 1 StGB: Quellenschutz (Konkretisierung des Art. 17 Abs.3 BV) V: Voraussetzungen des Art. 28a abs.1 StGB Periodisches erscheinendes Medium Berufliche Tätigkeit Im redaktionellen Teil Informationsinhalt (blosse Unterhaltung fällt nicht darunter) Diese Information kann einen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen, religiösen oder sportlichen Inhalt enthalten, der sowohl durch einen Sachverhalt als auch durch persönliche Meinungen ausgedrückt werden kann. Letztere schliesst eine einfache Vermittlung, Kommentare oder Erklärungen ein. Die Information muss nicht seriös sein und auch nicht wahrheitsgetreu oder ernst. Der Begriff des Informationsinhalts muss breit ausgelegt werden. Im Gegenteil zu einer Information sind als Unterhaltung Spielen, Vorstellungen, romanische und fiktive Erzählungen und auch Filme, Serien und Comics zu verstehen. Dieser Begriff muss streng ausgelegt werden. Heutzutage, ist diese klare Unterscheidung wegen dem Begriff des „Infotainment“ nicht mehr möglich. Dieses ist eine Mischung zwischen Information und Unterhaltung. VI: Anwendung Die ersten drei Voraussetzungen stellen kein Problem dar. Das Bundesgericht äusserte sich dazu deutlich. Die vierte Voraussetzung „Informationsinhalt“ ist problematisch. Wir können „Alpenfestung Leben im Réduit“ als Infotainment qualifizieren. Aber das ist kein juristischer Begriff. Um herauszufinden, ob Art. 28a Abs.1 StGB anwendbar ist, ist es nötig dieses „Infotainment“ unter eine dieser Kategorien zu subsumieren: Information oder Unterhaltung. Nur ein Informationsinhalt ist in Art. 28a abs.1 StGB geschützt. Das Bundesgericht unterscheidet die Sendung, den Blog und den Kommentar. o Die Sendung enthält mehrere Aspekte über dem Zweiten Weltkrieg. Daher ist sie eine Information. o Der Blog ergänzt die Sendung und bringt neue Information über das Geschehene in die Sendung. Der Blog ist auch eine Information. o Der Kommentar ist in Einheit des Blogseite. Der Kommentar und der Blog können nicht von einander getrennt werden. Daher ist der Kommentar als eine Information zu qualifizieren. VII: Auflösung Art. 28a Abs.1 StGB wird aufgewandt. Das SF kann die Identität des Autors herauszugeben, ist aber nicht dazu verpflichtet. Die Beschwerde wird gutgeheissen. 2