5 10 15 20 25 30 „[…] Auf der Grundlage der Resolution 1386 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2001 bekräftigte die internationale Staatengemeinschaft nach der Vertreibung der Taliban, dass Afghanistan nicht erneut Rückzugs- und Regenerationsraum des internationalen Terrorismus werden dürfe. Gefordert sind internationale Unterstützung beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen und bei der sozioökonomischen Entwicklung. Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz in enger Verknüpfung von sicherheits- und entwicklungspolitischen Elementen, von militärischen und zivilen Komponenten unter Einbeziehung und Mitsprache der lokalen afghanischen Zielgruppen. Seine Umsetzung erfolgt im Rahmen der Provincial Reconstruction Teams (PRT) unter einer militärisch-entwicklungspolitischen Doppelspitze, welche die Beteiligten und Betroffenen zusammenführt. Im Bereich von Wiederaufbau und Stabilisierung sind Teilerfolge zu verzeichnen. Auf der Grundlage von Wahlen sind Verfassungsorgane entstanden, die partiell an Funktionsfähigkeit gewinnen. Dies geschieht angesichts erbitterter bewaffneter Konfrontationen über Jahrzehnte nicht in einem machtfreien Raum, sondern in häufig wechselnden Koalitionen. Warlords, Clanchefs und lokale Machthaber mit ihrer Klientel und ihren immer noch bewaffneten Milizen unterlaufen die personalpolitischen Ansätze zur Schaffung neuer staatlicher Institutionen und nutzen letztere für den Zugriff auf Ressourcen - von der Opiumökonomie bis zur Abschöpfung internationaler Finanzhilfe. Ungeachtet der nach amerikanischem Vorbild konzipierten Präsidialverfassung reicht die Macht des Präsidenten Hamid Karsai kaum über die Hauptstadt Kabul hinaus. Die verschiedenen Ethnien (Paschtunen, Turkmenen, Usbeken, Tadschiken, Hazaras, Beludschen) verfolgen jeweils eigene Interessen. […] Naive westliche Vorstellungen vom Aufbau eines demokratischen, pluralistischen Rechtsstaats mit einem Gewaltmonopol, welches seinerseits verfassungsrechtlicher Kontrolle unterliegt, werden daher vor Ort mit der Realität fortwirkender traditioneller gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen konfrontiert. Warlords, Stammesführer und Clanchefs, die während des Widerstands gegen die sowjetische Besatzung als islamische Guerillas (Mudschaheddin) mit Hunderten von Millionen US-Dollar von Saudi Arabien und den USA sowie mit Waffen aus den USA und Pakistan unterstützt wurden, besetzen inzwischen Minister-, Gouverneurs- und leitende Polizeiposten oder sind Mitglieder des Parlaments. Eines der ersten dort verabschiedeten Gesetze bestand in der generellen Amnestie für die Gewaltexzesse der Vergangenheit. Präsident Karsai hat bereits zwei Mordanschläge überstanden, den vorerst letzten im April 2008. […]“ Quelle: Dieter Weiss: Deutschland am Hindukusch (Textauszüge) Erschienen in: Aus Politik und Zeitgeschichte (B431/2008) 1 Beilage Nr. 43 zur Wochenzeitung Das Parlament Gymnasium Damme 16. April 2010 Klausur im Fach Politik Thema: Internationale Politik Kurs: Po103 Jahrgangsstufe: 11/12 (2. Semester) Aufgabe 1) Fassen Sie die wesentlichen Inhalte der Textvorlage mit eigenen Worten zusammen! Aufgabe 2) Analysieren Sie – auch unter Rückgriff auf die Textvorlage und die Situation in Afghanistan –, inwiefern sich die Grundlagen der internationalen Politik seit 1991 gewandelt haben! Aufgabe 3) Nehmen Sie kritisch Stellung zu der Frage, ob die internationale Staatengemeinschaft mittelfristig, d.h. in den nächsten fünf bis zehn Jahren, ihre primären Ziele in Afghanistan, d.h. eine funktionierende Demokratie und die Gewährleistung der Sicherheit im Land in Eigenverantwortung, realisieren kann! Viel Erfolg bei der Bearbeitung der Aufgaben! Klausur im Fach Politik (16.04. 2010) – Grundkurs 12.2 (po103) – Erwartungshorizont Aufgabe 1) Die Textauszüge aus Deutschland am Hindukusch von Dieter Weiss, erschienen in der 43. Ausgabe des Jahres 2008 von Aus Politik und Zeitgeschichte, thematisieren die Schwierigkeiten der internationalen Staatengemeinschaft, demokratische Strukturen und rechtsstaatliche Kontrolle in Afghanistan zu etablieren. Zu Beginn der Textvorlage wird das vorrangige Ziel des UN-Sicherheitsrates angesprochen, nämlich zu verhindern, dass Afghanistan erneut als Basis für Terroristen dienen könne (vgl. Z.1-5). Im Folgenden wird der ganzheitliche Ansatz der Bundesrepublik Deutschland erläutert, zivile und militärische Mittel sinnvoll miteinander zu verknüpfen und Beteiligte und Betroffene zusammenzuführen (vgl. Z.6-11). Im weiteren Verlauf führt der Autor Teilerfolge der bisherigen Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft an, die jedoch durch nicht-staatliche Machthaber, Privatisierung von Gewalt und die stark eingeschränkte Macht des afghanischen Präsidenten hart erarbeitet und begrenzt seien (vgl. Z.11-22). Diese Schwierigkeiten hingen auch mit der früheren finanziellen und militärischen Ausstattung von lokalen Machthabern u.a. durch die USA während der sowjetischen Besatzungszeit zusammen, die jetzt führende Positionen im Land und hätten und teilweise auch dem Parlament angehörten (vgl. Z.23-31). Trotz der Amnestie desselben für frühere Gewaltekzesse seien schon zwei Attentate auf den Präsidenten Karsai verübt worden (vgl. Z. 31-33). Aufgabe 2) - Ende des Kalten Krieges spätestens seit 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion; Einsatz der Bundeswehr seit 1994 (Grundgesetzänderung) auch außerhalb der NATO-Grenzen möglich; seitdem Zunahme von regionalen Konflikten, insbesondere in Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, weil diese als Ordnungsmacht wegfällt; Zunahme der Privatisierung von Gewalt, u.a. weil Waffen der ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion in private Hände gefallen sind; Zunahme des religiös motivierten Terrorismus als Reaktion auf den zunehmenden Einfluss westlicher Kultur auf islamisch geprägte Staaten; Entstehung regionaler Machtzentren, die sich (recht-)staatlicher Kontrolle entziehen, die als Rückzugsund Ausbildungsraum für Terroristen dienen (können); Machthaber finanzieren sich häufig über Waffengeschäfte und Drogenhandel; Aufgabe 3) Erwartet wird eine zusammenhängende, argumentativ in sich geschlossene Darstellung, welche der Form einer kritischen Stellungnahme gerecht wird. Dabei kann teilweise (aber nicht hauptsächlich) auf die Argumentation des Autors zurückgegriffen werden. Mögliche Aspekte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) sind z.B. einerseits: Unterschiedliche Ethnien im Vielvölkerstaat Afghanistan nicht miteinander versöhnbar; Taliban nur teilweise bekämpfbar (Rückzugsräume, insbesondere in Pakistan, sind schwer kontrollierbar); - Religiosität im Volk (den Völkern) noch zu stark verwurzelt, um eine Demokratie und einen Rechtsstaat nach westlichem Muster zu etablieren; - Stimmung im Land gegenüber den Truppen zunehmend negativ; andererseits: - - Situation im Balkan wurde langfristig auch stabilisiert; auch Teilerfolge seien als Motivationshilfe zu sehen, die Mission erfolgreich zum Abschluss zu bringen; Geduld und Zermürbungstaktik bezüglich der Taliban zahle sich aus, u.a. auch durch die Maßnahme, dass diese nicht prinzipiell bekämpft werden, sondern dass man versucht, sie in den Aufbauprozess einzubinden; Klausur im Fach Politik (16.04. 2010) – Grundkurs 12.2 (po103) – Erwartungshorizont Name: ad 1) (30%) Punkte: - Einleitungssatz und Quellenangabe + o - - angemessene Zeilenangaben + o - - korrekte Verwendung der indirekten Rede + o - - sachlich richtiges Anführen der wesentlichen Inhalte + o - - kompakt formuliert (Unwesentliches weggelassen) + o - - Nachvollziehbarkeit für den der Textvorlage unkundigen Leser + o - - Verwendung eigener, stilistisch angemessener Formulierungen + o - (40%) Punkte: - Einführung in die Problematik + o - - sachlich richtiges Anführen der wesentlichen relevanten Aspekte + o - - zusammenhängende Darstellung (kein rein additives Vorgehen) + o - - angemessene Präzision der Aussagen + o - - relevante Textbezüge + o - - Vermeidung von Weitschweifigkeit und Unwesentlichem + o - - Verwendung nachvollziehbarer, stilistisch angemessener Formulierungen + o - (30%) Punkte: - angemessene(r) Einleitung(ssatz) + o - - Anführen einer ausreichenden Anzahl von relevanten Aspekten + o - - angemessene Erläuterung der Aspekte + o - - Bearbeitung entspricht im Wesentlichen der Form einer kritischen Stellungnahme + o - - Vermeidung von Allgemeinplätzen; Formulierung präziser Aussagen + o - - Verwendung kompakter, zusammenhängender, nachvollziehbarer, stilistisch angemessener Formulierungen + o - angemessenes Fazit + o - ad 2) ad 3) - Fehlerquotient2: 2 3 Punkte gesamt3: Datum / Unterschrift: Mehr als vier formale Fehler pro Seite (Spalte) führen zu einem Abzug von einem Notenpunkt gesamt. Achtung: Aus dem Zusammenzählen der Bewertungszeichen in den einzelnen Aufgaben kann nicht automatisch die jeweilige Anzahl der Punkte abgeleitet werden.