Afghanistan-Konferenz 2011

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Afghanistan-Konferenz 2011 in Bonn
Zahlen und Hoffen
Das Thema Afghanistan wird auch lange nach dem geplanten Abzug der internationalen
Truppen auf der Agenda der Staatengemeinschaft bleiben. Bei der Afghanistan-Konferenz
zehn Jahre nach dem ersten Treffen dieser Art sagte die Gemeinschaft der am
Hindukusch engagierten Staaten dem Land langfristige Hilfe zu: beim weiteren Aufbau der
Armee, anderer Sicherheitsbehörden und für das Staatswesen. Diese Unterstützung soll
mindestens noch zehn Jahre nach dem Jahr 2014 andauern, die Diplomaten tauften dies
die Dekade der Transformation. Dafür rang man den Afghanen in zehrenden
Verhandlungen verbindliche Zusagen für Reformen des korrupten Staatsapparats, im
Rechtswesen und auch die Implementierung von demokratischen Verfahren ab.
Die Konferenz bedeutet rund zwei Jahre vor dem beschlossenen Abzug der Truppen der
Nato den Beginn einer neuen Phase in der Afghanistan-Politik des Westens. Statt
Zehntausender ausländischer Soldaten, die sich in den letzten Jahren in einen blutigen
Kampf mit Widerstandsgruppen am Hindukusch verstrickten und dabei hohe Verluste
erlitten, soll die afghanische Regierung den Kampf gegen die Taliban ab 2014 selbst
übernehmen. Der Abzug folgt dabei keineswegs der militärischen Expertise der Generäle
oder einer genauen Analyse der Lage, sondern vielmehr der Situation in den
Heimatländern der derzeit rund 120.000 stationierten Soldaten. In keinem der beteiligten
Länder hat die Mission mehr die Unterstützung der Wähler, zudem wollen und können sich
die meisten Staaten die Operation Afghanistan schlicht nicht mehr leisten.
Was kommen wird, folgt dem Motto Zahlen und Hoffen. Trotz aller Zweifel an der
Leistungsfähigkeit der afghanischen Armee und der Regierung setzt man auf die
Hoffnung, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Rückschläge sind bei dieser
Rechnung für die kommenden Jahre durchaus eingepreist. Gleichzeitig bereitet sich der
Westen bereits auf immense Zahlungen vor, durch die Afghanistan bei seinem
schwierigen Weg unterstützt werden soll. Zehn Milliarden Dollar, das jedenfalls sagen
afghanische Regierungsmitglieder, wird das Land allein in den ersten Jahren für den
weiteren Aufbau der Armee und der Polizei brauchen. Präsident Hamid Karzai machte
vorsorglich bereits klar, dies sei zwar viel Geld, aber doch für den Westen weitaus billiger
als das bisherige Engagement mit zehntausenden Soldaten. [...] Die USA, so jedenfalls
war es aus Washington zu hören, wollen nur rund drei Milliarden für die weitere
Afghanistan-Mission aufbringen. Der Rest soll von anderen Nationen kommen. Damit ist
für eine neuerliche Geberkonferenz, die im Sommer 2012 in Tokio anberaumt ist, noch
reichlich Diskussionsstoff übrig. [...]
[Kolleg Politik und Wirtschaft]
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Gipfel wie die in Bonn sind aus Sicht der Veranstalter grundsätzlich ein Erfolg. Und so
wunderte es nicht, dass Gastgeber Guido Westerwelle am Ende der Tagung wohlgelaunt
vor die Kameras trat. Man habe Enormes erreicht, sagte der Außenminister, [...]. Im Detail
nannte er die Abschlusserklärung:
Die afghanische Verpflichtung zu einer pluralistischen Gesellschaft, der Wahrung der
Menschen- und speziell der Frauenrechte.
Der Kampf gegen die Korruption wird in dem Dokument sogar als "Schlüsselpriorität"
genannt.
Ebenso ermahnt das Papier Afghanistan, die bereits bei einer vorherigen Konferenz in
Kabul gelobten Versprechen zu erfüllen. Indirekt sagt die Erklärung damit, dass bisher in
diesen Fragen nichts passiert ist.
Aus deutscher Sicht ist die Erklärung der Konferenz tatsächlich ein Erfolg. Nach einem
sehr selbstbewussten Auftreten der Afghanen und schier endlosen, teils gar absurd
anmutenden Marathon-Runden seit dem vergangenen Freitag hatte kaum noch einer der
Diplomaten mit einer einigermaßen klaren Abschlusserklärung gerechnet. Am Ende habe
man mehr erreicht als möglich erschien, hieß es aus der Delegation. Vor allem die
gegenseitige Verpflichtung sei ein wichtiger Faktor. Im Fall des Falls könne man mit dieser
Formulierung sogar Geldzahlungen an die Afghanen von Reformen in ihrem Land
abhängig machen [...].
Bei allem Jubel über die Einigung gingen die großen Mankos der Konferenz fast unter.
Gerade bei der sogenannten politischen Lösung, also einer Einigung oder einem
Kompromiss mit der politischen Führung der Taliban und der Kabuler Regierung, ist man
keinen Schritt weiter. Im Gegenteil: Nachdem Pakistan wegen der Aufregung um einen
Angriff auf seine Grenztruppen seine Teilnahme an dem Treffen absagte, saß der
entscheidende Partner für eine solche Lösung in Bonn gar nicht mit am Tisch. Selbst der
sonst so optimistische Präsident Karzai zeigte sich [...] kaum hoffnungsvoll, dass der
Prozess überhaupt in naher Zukunft wieder in Gang kommt. Ohne den festen Willen
Pakistans, so seine nüchterne aber realistische Einschätzung, seien alle Bemühungen für
Gespräche aussichtslos.
Matthias Gebauer auf Spiegel online vom 5.12.2011
Aufgaben
1. Fassen Sie die Ergebnisse der jüngsten Afghanistan-Konferenz zusammen.
2. Beurteilen Sie die im Rahmen der Afghanistan-Konferenz beschlossenen Ziele aus
Sicht Afghanistans, Deutschlands und der weiteren Länder, die sich in der ISAF-Mission
engagieren.
[Kolleg Politik und Wirtschaft]
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