Sicherheitsbeauftragte in der Verantwortung (pdf)

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Sicherheitsbeauftragte in der Verantwortung
Diana Hornung
Die Arbeitgeberin trägt die Gesamtverantwortung für die Arbeitssicherheit und den
Gesundheitsschutz. Die Umsetzung wird an eine oder mehrere SpezialistInnen delegiert, um
Gefahrgut, Brandschutz oder Störfälle kompetent abzudecken. Worauf ist zu achten ?
Am Sicherheits-Fachkongress-Modul „Der SiBe in der Verantwortung“ im November 2015 waren die
Teilnehmenden zu 90% Sicherheitsbeauftragte, von der Führungsetage waren nur sehr wenige
gekommen, obwohl gerade sie bei Unfällen zur Rechenschaft zu ziehen ist.
Haftungsfälle können gemäss Jurist T.E. Meier, Leiter Rechtsdienst SVTI-Gruppe, in folgenden Fällen
entstehen:
1. entstandener Schaden (z.B: bei einem Arbeitsunfall wegen Mängel im Sicherheitssystem,
wenn im Betrieb dafür ein designierter SiBe zuständig ist)
2. Ursache des Schadens mit adäquater Kausalität, d.h. nach dem üblichen Ablauf
3. arbeitsvertragliche Haftung des SiBe (Regress des grundsätzlich haftenden Arbeitgebers auf
den SiBe, Art 328 OR, auch bei Externen besteht ein Mandatsverhältnis, der die gleiche
Sorgfalt beachten muss wie ein Interner) oder Pflichtverletzung (ausservertraglich, wenn z.B.
ein Geschädigter nicht Angestellter ist)
4. Verschulden (grober oder leichte Fahrlässigkeit, oder vorsätzlich)
Ein SiBe kann seine Haftung einschränken, indem er seine bereits bestehenden Fähigkeiten
durch Weiterbildung erhöht, sich auf eine klare Stellenbeschreibung im Pflichtenheft stützt,
und am richtigen Ort im Organigramm und mit Weisungsbefugnis eingeordnet ist.
Die Haftungsbegrenzung muss im Arbeitsvertrag festgehalten sein.
Im Alltag muss er oder sie auf gute Dokumentationen beharren sowie selber immer wieder die
Vorgesetzten und die Mitarbeitenden gut informieren, sowie selber gut informiert sein und
werden.  Die dokumentierte Warnung kann Regressforderungen verhindern.
Das Restrisiko bestimmt die Geschäftsleitung
Der SSI Fachberater Andres Obrecht erläuterte, wie das Risiko üblicherweise bestimmt wird. Die
Eingabematrix gibt einen Überblick über die Risiken, die sich in einem Objektraum durch einen
Gefahrenprozess in
unterschiedlichen Szenarien und
Expositionen ergeben, d.h. für die
Bereiche Mensch (intern);
Arbeitsausfall, Mensch (extern),
Schadenssumme,
Lieferunfähigkeit, Infrastruktur
sowie Ökosphäre sind jeweils die
Anzahl Verletzte, Ausfalldauer in
Tagen, Anzahl schwerer Unfälle
oder Tote und Schadensausmass
als Obergrenze festzulegen.1
Permanent im MultitaskingModus
Am Beispiel des Brandschutzes
zeigte ArletteThürler, Swissi, dass
viele Aufgaben auf einen SiBe
warten: Planung, Durchführung und Kontrolle, direkte Ansprechperson für Mitarbeitende und
Geschäftsleitung und für den Unterhalt verantwortlich, d.h. permanent aufmerksam! Sie empfiehlt
1
Die Erweiterung des Sicherheitsbegriff wurde in der Sonderschau mit folgenden Themen aufgezeigt:
Risikobasierter Umgang mit Hochwasser im Kanton Zürich, Anpassung an den Klimawandel –
Fallbeispiele der Kantone, Schutz vor Naturgefahren aus der Sicht des SIA, Hagelwiderstandsfähige
Baumaterialien, Erfahrungen der Interventionskräfte im Unwettereinsatz Emmental 2014,
Naturgefahren – Aus Schaden klug werden, Stürme und deren Wirkung auf Gebäude,
gegen Betriebsblindheit die Begleitung durch geschulte Auditoren. Im Pflichtenheft soll unbedingt der
nötige Zeitaufwand aufgeführt werden, um alle anstehenden internen Kontrollen mit guten Hilfsmitteln
so durchzuführen, dass man auch die Mitarbeitende kennenlernen und einschätzen kann. Die
Ausbildung sollte Sicherheitsthemen umfassen, aber auch Prozesse im Betrieb, , Stoffe und Waren,
Bauliches, Elektrotechnik, Gebäudekenntnis, Bedienung und Wartung technischer Geräte.Weiter gilt
es, Mitarbeiter zu motivieren und Regeln zu erklären, Evakuationskonzepte zu erstellen, und
möglichen Notfälle oder Szenarien zu ermitteln.
Der Faktor Mensch
Der Arbeitspsychologe Theo Wehner (em. Prof. ETHZ) meint es ernst: Es gibt nichts Härteres als
Softfaktoren. Der Ruf nach mehr Sicherheit oder einer Fehlerkultur dauert an. Wie bringt man
Sicherheit, Qualität und Fehlerfreundlichkeit unter einem Hut? Wie kommt man zu Mit- und
Eigenverantwortung? Wer checkt alle Checklisten? Wer darf Regeln erstellen?
Instabilität & Vagheit
In der Organisationsentwicklung wird ein neuer Trend beobachtet, in Richtung zunehmender
Instabilität und lernender Arbeitssystemen. (Stellen Sie sich vor: Stellen Sie sich auf einem
Bein hin. Das geht nicht lange gut. Aber beim Gehen wechseln wir immer ab. Im Gehen ist
man stabiler und kommt ans Ziel).
Handlungsfehler treten weder zufällig noch regellos auf. Die Abweichungen weisen auf das
Ziel hin, Zielverfehlungen sind Ausdruck von Fertigkeiten. Als Beobachter benenne ich einen
Fehler, das ist aber gleichzeitig ein soziales Urteil.
„Akute“ Handlungsfehler und Irrtümer weisen auf längerfristige Gewohnheiten, Denkweisen
und Bedürfnisse, Wirkweisen und Strukturen des Systems hin und sind– positiv betrachtet –
Ausdruck von Fertigkeiten! Sie treten gerade dort auf, wo in umfassenderen
Handlungszusammenhängen hochgeübte Handlungsroutinen zur Ausführung gelangen. Wo
und in welcher Situation wäre das aber richtig gewesen, was hier zum Fehler führte? Die
Interpretation führt am ehesten zur Eigenverantwortung, bis hin zu einer neuen Regel. Der
Mensch ist ein interpretierendes Wesen.
Regelabweichungen
Regeln sind Kommunikationsangebote. Beim Regeln aufstellen muss man darauf vertrauen,
dass nicht nur Einverständnis, sondern auch Vorverständnis vorhanden sein muss, und es
dennoch erst nach und nach zu einer Horizontverschmelzung kommt. Es ist auch an
Missverständnisse zu denken, die wiederum durch Kommunikation behoben werden können.
Nichtbeachtung von Regeln haben in erster Linie mit Gleichgültigkeit zu tun, in 2. Linie mit
willentlichen, bewussten Überschreitungen. Den 3.Platz bei den Regelabweichungen belegen
Fehlinterpretation oder Unkenntnis der zu Grunde liegenden Regeldetails.
Befolgung hat mit Selbstachtung und Anerkennung der Gruppe zu tun. Compliance
Management ist das Fachwort für Regeltreue. Wer Vollständigkeit und Exaktheit anstrebte,
brauchte immer auch Compliance
Freuen Sie sich auf das Konfliktthema!
In Zukunft ist es sicherer, auf Vagheit und Elastizität zu setzen, denn das erlaubt und verlangt
auch immer Übertragung von Verantwortung (empowerment), und das erleichtert es allen, an
die Sicherheitskultur beizutragen.
Neu lernen ist nicht schwierig. Umlernen braucht eine viel höhere Motivation, ergibt dafür auch
die höhere Sicherheit.
Praxisbeispiel Rettungswege
Die Unternehmensstrategie darf keine Krisenszenarien auslassen.
Im Modul „Sichere Flucht- und Rettungsweg“ wurde dieser Aspekt der neuen Brandschutzvorschriften
(BSV 2015) erläutert, die nun statt 20 m neu 35 m lange Fluchtwege erlauben. Türen müssen in
Fluchtrichtung geöffnet werden können. Bei Gebäuden mit mehr als 3 Geschossen werden mehr
Treppenanlagen verlangt.
Informationskonzept aufstellen, an Übungen eingesetzte BeobachterInnen, die Bemerkungen und
Bilder liefern, sind wertvolle Quellen. Es ist immer wieder zu beachten: Leer-Raum füllt sich, immer!
Unverstellte Korridore sind weiterhin wichtig. Im Notfall- und Evakuierungskonzept ist festzuhalten:
Feuerwehrleute sind bei Brand die Experten und sollen schnellstmöglich alarmiert werden, ihnen ist
genügend Zufahrtsraum zur Verfügung zu stellen. Nur selbst löschen, wenn man genau weiss, was
man womit tut. Und am Schluss nicht vergessen, im Sicherheitsrapport Schwachstellen
herauszuholen.
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