Handynutzungsverbot Seit einigen Jahren gilt an vielen Schulen Deutschlands das allgemeine Handynutzungsverbot. Die Hauptgründe dafür sind brutale Videos, auch unter dem Namen „Happy Slapping“ bekannt, und Cybermobbing. Durch das Verbot der Handynutzung im Unterricht werden zwar Probleme wie Unterrichtsstörung und Ablenkung behoben, doch was ist mit den schwerwiegenderen Nebenwirkungen der Smartphones? In diversen Onlineforen diskutierten viele Schüler über solche Fragen. Ihrer Meinung nach setze das Verbot des Handys an Schulen Problemen wie Mobbing, Ausgrenzung, Suchtgefahr und Gesundheitsgefährdung nichts entgegen. Dazu müsse man die Handynutzung auch im privaten Umfeld auf ein Minimum reduzieren. Das eigentliche Pro-Argument, das Handynutzungsverbot steigere die Kommunikation untereinander und die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls, wird von vielen insofern außer Kraft gesetzt, dass sich die Schüler im Unterricht ja sowieso nicht unterhalten dürfen, und in den Pausen sofort wieder zum Smartphone gegriffen werde. Zum Thema Gewalt sind die Meinungen geteilt: Einige sind der Ansicht, dass durch das Handynutzungsverbot die Verbreitung von beispielsweise „Happy-Slapping Videos“ verhindert werden kann, wieder andere vertreten die Meinung, dass das eigentliche Problem, nämlich die Gewalt, so nicht eingedämmt werden könne. Außerdem gebe es, nach Medienforscher Graham Barnfield, schon immer Gewalt an Schulen. Handykameras machten diese nur sichtbar. Über eben dieses Handynutzungsverbot und solche Pro- und Contra-Argumente wird seit Anfang dieses Schuljahres auch im Gymnasium Nordenham heiß diskutiert. Während der Gesamtkonferenz im Mai fiel die mit 30 zu 33 Stimmen sehr knappe Entscheidung für die Einführung des eingeschränkten Handynutzungsverbotes. Den Grund dafür erfahren wir im Gespräch mit Frau Eckermann. Wie auch in den anderen Schulen seien die Gründe hier der Missbrauch von Medien und die fehlende Kommunikation: „Bei Arbeiten wird mit Hilfe des Internets oder Fotos gemogelt, es werden, was besonders schockierend ist, Gewalt- und Pornovideos verbreitet, vor allem unter den jüngeren Schülern. Außerdem wird die Kommunikation immer geringer: Jeder sitzt nur noch am Handy, schreibt SMS und hört Musik. Die Schule will mehr sozialen Austausch.“ Bis zum letzten Jahr galt noch ein komplettes Handynutzungsverbot (vgl. alte Schulordnung), welches jedoch weder bei Schülern noch bei Lehrern Beachtung fand. Also setzte sich die AG „elektronische Medien“, bestehend aus Schülervertretern, Elternvertretern und Lehrern, zusammen. „Wie man sich denken kann, waren die Schülervertreter eher gegen Verbote, sie trugen allerdings die getroffene Entscheidung mit. Die SV hatte im Vorfeld eine Klassensprecherversammlung angesetzt und für Verständnis für die anstehenden Veränderungen gesorgt“, sagt Frau Eckermann. Die Elternvertreter waren für ein Komplettverbot und unter den Lehrern herrschte eine extrem geteilte Meinung. „Im Endeffekt wurde sich darauf geeinigt, dass in den Klassen fünf bis acht ein komplettes Handyverbot gilt und die Schüler der Klasse neun ihre Smartphones in Frei- und Randstunden in der Schulstraße benutzen dürfen. Den Schülern der Klassen zehn bis 12 wurden mehr Privilegien eingeräumt, da sie auf Grund ihres Alters und ihrer Reife dazu in der Lage sein sollten, zu entscheiden, wann es angebracht ist das Smartphone zu benutzen und wann nicht. Demnach darf das Handy von den Oberstufenschülern in Frei- und Randstunden in der Mensa, im Bereich des Außengeländes um den Fußballplatz und im zweiten Obergeschoss des Neubaus verwendet werden“, erklärt Frau Eckermann. „In der Eingangshalle und in der Schulstraße wird so in den großen Pausen wieder Handy-frei miteinander gesprochen.“ Außerdem sei die Smartphone-Nutzung im Rahmen des Unterrichts verboten, außer wenn ein Lehrer eine klare Anweisung gebe, beispielsweise das Smartphone zum Recherchieren zu benutzen. Ein komplettes Verbot wurde abgelehnt, da die Schüler das Handy bei eventuellen Notfällen brauchen könnten, um ihre Eltern anzurufen. Diese Informationen sind auch in der Schulordnung nachzulesen (§9). „Trotz der zur Verfügung gestellten Bereiche, in denen die Nutzung des Smartphones gestattet ist, gibt es immer wieder Verstöße gegen die neu eingeführten Regelungen“, kritisiert Frau Eckermann. „Diese Verstöße haben natürlich Folgen.“ Bei dem ersten Verstoß wird das Handy eingesammelt und in einem eigens dafür angeschafften Schrank verwahrt. Die Dauer wird von der jeweiligen Lehrkraft bestimmt. Des Weiteren wird ein Zettel ausgefüllt, der von den Eltern unterschrieben werden muss. So werden diese von dem Verstoß ihres Kindes in Kenntnis gesetzt. Das Verfahren nach einem zweiten Verstoß ist ähnlich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass jetzt die Eltern das Handy abholen müssen. Dem dritten Verstoß folgt eine Disziplinarkonferenz. Gibt es ungeachtet dieser Maßnahmen weitere Verstöße, muss man mit einer Suspendierung vom Unterricht für eine gewisse Zeit oder sogar mit einem Verweis rechnen. Dies klingt zunächst einmal ziemlich schlimm, doch die Erfahrungen der letzten Monate zeigen, dass es so weit bisher noch nicht gekommen ist: Wenn ein Schüler sein Handy in einem nicht dafür festgelegten Bereich benutzt, bekommen mache Lehrer plötzlich einen Tunnelblick, bemerken gar nicht, dass gegen eine Regel verstoßen wird, oder lassen sich tatsächlich zu einem strengen Blick oder einer Ermahnung hinreißen. Was viele Schüler der Barmherzigkeit mancher Lehrer zuschreiben, hat einen anderen Ursprung, nämlich die Umsetzung. Die Lehrer stehen oft unter Zeitdruck und sind somit, verständlicherweise, nicht immer in der Lage sich mit protestierenden Schülern rumzuschlagen. Doch in manchen Fällen kümmern sich diejenigen, die gegen das Verbot gestimmt haben, auch einfach nicht um die Umsetzung der Strafen. Das stellt die Glaubwürdigkeit des Verbotes ziemlich in Frage und erklärt auch die zahlreicher werdenden Verstöße. Laut Frau Eckermann soll dies sich zukünftig jedoch ändern: „Bisher wurden vermehrt Verwarnungen ausgesprochen, doch wenn es zu keiner Besserung kommt, wird auf die anderen Maßnahmen zurückgegriffen.“ Besonders enttäuscht ist sie von dem Verhalten der Oberstufenschüler: „Die meisten Verstöße gehen tatsächlich von den älteren Schüler aus. Wir haben eigentlich angenommen, dass sie reif genug seien um das Verbot und ihre Vorbildfunktion ernst zu nehmen. Außerdem sind sie diejenigen, die die meisten Freiheiten und Privilegien erhalten haben. Erstaunlich ist auch, dass die Klassenstufen, in denen das Smartphone komplett verboten ist, sich am besten damit abfinden und sich an das Verbot halten. Die jüngeren Schüler sind tatsächlich erleichtert, da weniger Konkurrenzdenken, Angeberei und Gruppenzwang vorherrschen. Es ist mehr Ruhe eingekehrt.“ Viele Schüler sind der Meinung, dass sich die Lehrer eigentlich selbst die Schuld daran geben müssten, dass das allgemeine Handynutzungsverbot nicht so ernst genommen wird. Schließlich kommt es nicht gerade selten vor, dass man auch Lehrer mit gesenktem Kopf und einem Handy in der Hand durch die Schulstraße laufen sieht, oder dass Lehrer während der Beaufsichtigung einer Klausur oder Arbeit mit Spielen oder Simsen beschäftigt sind. Würden sich alle Lehrer an das Verbot halten, würden die Schüler sehen, dass gewisse Grenzen ebenfalls für die Lehrer gelten und eingehalten werden. Somit wäre es leichter, ihnen die Notwendigkeit und Ernsthaftigkeit des Handynutzungsverbotes klar zu machen und auch die Umsetzung von Verbot und Strafen bei Verstößen wäre mit weniger Komplikationen verbunden. Aufgrund all dieser Schwierigkeiten werden in naher Zukunft die aktuellen Regelungen noch einmal überdacht und überarbeitet. Auch die Schüler können Einfluss auf die dann zu treffenden Entscheidungen nehmen, indem sie ihre Kritikpunkte und Vorschläge der SV mitteilen. Wenn das allgemeine Handynutzungsverbot an unserer Schule also erst einmal uneingeschränkt funktioniert, werden Probleme wie den Missbrauch von Medien und fehlende Kommunikation sicherlich eingeschränkt, wenn nicht sogar behoben. Dennoch kann nicht verhindert werden, dass so etwas außerhalb der Schule auftritt. Dazu bemerkt Frau Eckermann: „Natürlich kann das allgemeine Handynutzungsverbot den Missbrauch von Internet und Medien nicht völlig ausschließen, aber man kann die Schüler über die richtige sowie auch falsche Nutzung aufklären. Die Schule hat eine Verantwortung gegenüber den Schülern und will in diesen Bereichen helfen.“ Geplant sind hierfür verschiedene Medientrainings-Module. In den fünften Klassen findet die einstündige Fortbildung „Nicht ohne mein Handy“ statt und die Siebtklässler lernen etwas über die Gefahren, die Sicherheit und den richtigen, verantwortlichen Umgang mit sozialen Netzwerken. Die Elternmedientrainerin Aline Venema hält einen Elterninformationsabend für die Klassen 5 bis 10 mit dem Thema „Soziale Netzwerke - wie präsentiert sich mein Kind in Facebook & Co.?“ ab und in Klasse 10 findet ein Vortrag über Rechtsfragen im Netz statt. Auch der Verband Smiley-e.V. hält Klassenseminare zum Thema „soziale Netzwerke“ ab. Alles in allem kann man sagen, dass es im Zeitalter der Medien wichtig ist aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sich trotz Facebook, Whatsapp und Co. ein reales Gemeinschaftsgefühl durch gesunde Kommunikation entwickeln kann. Kommentar der Autorin: Unsere Schule setzt sich auf jeden Fall sehr für ein sozialeres Umfeld ein und ich denke, dass man sich dafür mit Maßnahmen wie beispielsweise dem eingeschränkten Handynutzungsverbot abfinden kann und sich auch an die damit einhergehenden Regeln halten sollte. Wir scheinen in Sachen Medien und Kommunikation zwar auf einem guten Weg zu sein, dennoch wirft das ganze Thema weitere Fragen auf: So frage ich mich, ob all diese Veranstaltungen und neuen Regelungen überhaupt etwas bringen, auch im Hinblick auf die Tablet-Klasse, die zu Anfang des nächsten Schuljahres in Jahrgang 7 eingeführt werden soll. Wird nicht alles umsonst gewesen sein, alle Sitzungen, Regeln und Veranstaltungen, wenn in den siebten Klassen schließlich die Handys einfach durch Tablets ersetzt werden? Die Zukunft des Handynutzungsverbotes sollte somit vor allem in Anbetracht der immer weiter ausgebauten Mediennutzung im Unterricht noch einmal überdacht werden. (Hier eventuell auf den Artikel zur Tablet-Klasse Hinweisen!)