Predigt Pastor Marcus Antonioli - 1. Petrus 4, 7-11 am 9. Sonntag nach Trinitatis 2014 Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Bei manchen Kostbarkeiten wird es uns nicht sofort bewusst, welchen Wert diese eigentlich haben. Besonders wenn sie uns alltäglich umgeben, verlieren manche Schätze ihre Einmaligkeit, als nutzten sie sich ab. So gehen wir anfangs mit dem neuen Handy, das vielleicht ein kleines Vermögen gekostet hat, noch sehr vorsichtig um, aber schon nach ein paar Wochen ist es ein Gebrauchsgegenstand wie jeder andere! - Auch in Beziehungen kann man solche eine "Abnutzung" beobachten: zunächst ist der andere ein Augenstern und Schatz, das verkehrt sich im Alltagstrott allzu leicht ins Gegenteil! Leider! Der heutige Sonntag - der neunte nach Trinitatis - will uns die Augen für unsere Kostbarkeiten öffnen, will uns sensibel machen, für das was unser Leben reich macht, was uns erfüllt! Nicht zufällig hörten wir darum vom Schatz im Acker und von der einmalig schönen Perle, für die der Kaufmann alles eintauscht! Denn die Gewohnheit macht uns blind für den Schatz unseres Glaubens! Aber dieser Abnutzungseffekt hat die Christen schon ziemlich früh beschäftigt. So spricht der erste Petrusbrief zu einer Gemeinde, die immer wieder entscheiden musste, was ihr der Glaube wert ist. Angesichts von Verfolgung und Ausgrenzung war das eine sehr drängende Frage! Auch bei ihnen wichen die Gewissheiten und die Begeisterung des Anfangs der schleichenden Gleichgültigkeit. Genau darauf zielt unser Predigttext mit seinen Ermahnungen ab. - Und es sind erstaunlich banale Hinweise, wie ich finde, die wir hier empfangen: da wird an die Nächstenliebe und Gastfreundschaft erinnert, da wird daran erinnert, dass einem Christen alle Gaben zum besten dienen sollen, ja es wird sogar ermahnt, das im Gottesdienst das Wort Gottes gepredigt werden möge (was denn sonst?)! Und natürlich sollten den Worten auch Taten folgen! Liebe Gemeinde, wir sind uns wohl einig, dass es viel aufregender ist, einen Schatz zu finden als ihn zu bewahren! Und bei diesem Schatz braucht es eine Menge Geduld und Beharrungsvermögen, ihn zu bewahren. Anders als bei Gold, Perlen oder Wertpapieren, die man gut wegschließen sollte, behält dieser Schatz seinen immensen Wert nur, wenn wir ihn jeden Tag wieder riskieren! Immer wieder will die Perle des Glaubens gegen alles eingetauscht werden und immer wieder will der Acker des Glaubens umgepflügt werden, damit er seine Früchte bringen kann! Ja, die Kostbarkeit unseres Glaubens will durch das eigene Leben immer wieder entdeckt, entwickelt und zum Glänzen gebracht werden! Nur wer sich durch die Patina der Tradition gräbt, erkennt den lebendigen Kern, den zeitlosen und unvergänglichen Wert. Während in früheren Zeiten die Gewohnheit und Sitte die Menschen in der Kirche hielt, muss man sich heute immer wieder neu entscheiden. Der traurige Rekord bei den Kirchenaustritten macht das deutlich. ganz sicher ist die Umstellung bei der Kapitalertragssteuer nur ein Auslöser, denn die allermeisten sind finanziell doch gar nicht betroffen. Ja, heute muss man auch ziemlich stark sein, um sich nicht von der verwirrenden Vielfalt der Werte und Wahrheiten, die uns ansprechen, ablenken zu lassen. Kann und will ich heute noch glaubwürdig Christ sein? Es gibt so exotische Möglichkeiten. Was hat unser Glaube zu bieten, wenn da der Dalai Lama kommt und selig lacht, oder was hat unser von Zweifeln und Fragen geplagter Glaube zu bieten, wenn die Islamisten ohne Wenn und Aber der Welt den Kampf ansagen? Und gleichzeitig, bespötteln uns die klugen und weniger klugen Verächter der Religion, weil sie ja vermeintlich alle Vernunftgründe auf ihrer Seite haben? Ich halte es da mit der Rose des kleinen Prinzen: ich kann die Schönheit des Glaubens nicht im Vergleich finden und schon gar nicht mit klugen Worten begründen. Ich kann nur darauf verweisen, dass dieser Schatz für mich immer wieder den Unterschied macht, ob mein Leben Sinn macht oder nicht! Und zwar hier und heute! Liebe Gemeinde, auch wir kommen um die Mühe nicht herum, immer wieder den Glanz unseres Glaubens heraus zu polieren. Und genau davon spricht der Petrusbrief. Plötzlich ist es gar nicht mehr so banal, wenn es um die kleinen und konkreten Schritte. Und jeder von uns weiß doch selbst, was uns da jeden Tag gelingt und auch misslingt. Auch wir transportieren diese Kostbarkeit des Glaubens immer nur in irdenen Gefäßen - wie es Paulus einmal ausgedrückt hat. Doch etwas anderes haben wir nicht. Und auch wenn dieser Krug mal bricht, dürfen wir es immer wieder versuchen! Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht hat uns die Zeit des Urlaubs und der Ferien, wieder sensibler gemacht, wo wir es mit den Kostbarkeiten unseres Lebens haben schleifen lassen. Vielleicht werden wir wieder etwas achtsamer damit umgehen. Mancher spricht wieder bewusster und freundlicher mit den Seinen, ein anderer geht wieder etwas sorgsamer mit seiner Zeit um und ein anderer weiß wieder, dass das Leben nicht nur aus Arbeit besteht. Mancher hat seinen Gesprächsfaden mit Gott wieder aufgenommen, der solange abhanden gekommen war! Die Christen damals fühlten sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt, weil sie andere Vorstellungen vom guten Leben hatten. Wir leben zum Glück in großer Freiheit. Doch genau diese Freiheit nötigt uns, uns als Christen zu positionieren: bei Fragen nach aktiver Sterbehilfe oder wenn es um Hilfe für die bedrohten Menschen in Nordirak geht. Und weil wir uns dieser Mühe oft entziehen, bleiben wir nicht selten blass als Christen. Ich wünschte mir manchmal etwas mehr fruchtbaren Streit unter uns! Liebe Gemeinde, vielleicht sind uns aber die großen Visionen suspekt geworden, darum können wir mit solchen Endzeit-Ankündigungen wie sie unser Predigttext bietet, wenig anfangen. Für mich ist es immer wieder inspirierend, wenn ich mir die Geschichten und Gleichnisse Jesu vergegenwärtige! Er hat uns doch mit seinen Freunden vorgelebt, was das Leben ausmacht. Er wusste wie kostbar sein Gottvertrauen und seine Liebe war, und er war sich nicht zu schade, dafür alles zu riskieren. Er hat sich ganz hinein begeben, mit all der Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit die das Leben kennzeichnet. Sein Kreuz steht für die Liebe, die die Logik von Gewalt und Macht durchbricht. - Darum, so hat es einmal Albert Camus gesagt, ist es die Pflicht der Christen, auch Christen zu bleiben. Denn diese Perspektive Jesu Christi ist unersetzlich in dieser Welt! Unser Glaube wird zum kostbaren Schatz, der unser Leben verändert, wenn wir uns inspirieren lassen; wenn wir jeden Tag wieder, die Schönheit unseres Glaubens zum Leuchten bringen. Das ist manchmal mühsam, ja sogar riskant, doch es lohnt sich um Gottes Willen allemal! Amen