Sonntag Reminiszere - Pastor Marcus Antonioli - Predigt zu Hebräer11, 1-8 und Johannes 3, 14-21 Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Liebe Gemeinde, vieles, was wir jeden Tag wie selbstverständlich gebrauchen, hat einen weiten Weg zu uns zurück gelegt! Es beginnt beim morgendlichen Kaffee, der aus Südamerika zu uns kommt, es setzt sich bei der englisch-sprachigen Musik aus dem Radio fort, welches wahrscheinlich in Fernost gefertigt wurde und vorher haben wir die Klamotten angezogen, die oft in Südostasien produziert worden sind. Über all das Fremde, das uns alltäglich begleitet, denken wir nicht mehr nach, denn wir haben uns daran gewöhnt! Wie begegnen wir aber Menschen, die uns fremd erscheinen? Wenn es gut kommt, sind wir neugierig und wollen in ihnen neue Welten entdecken. Viele lieben gerade deshalb das Reisen oder gehen darum gern beim Inder essen. Eine andere allzu menschliche Reaktion ist Vorsicht, denn wir wollen zuerst einmal sehen, was die Fremden denn wollen. Nicht selten lehnen wir die, die nicht in unsere Welt passen ab, besonders dann, wenn sie uns in unserer Selbstverständlichkeit anfragen. Wo dann noch Angst ins Spiel kommt, sind wir meist schlecht beraten. Denn diese Angst macht es Menschen bei uns so schwer, anzukommen, denn sie fühlen sich oft nicht akzeptiert und mit Vorurteilen konfrontiert, die sie sich nicht erklären können. Liebe Gemeinde, in der Bibel wird ziemlich von Anfang an von den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob berichtet, die immer Fremdlinge im verheißenen Land geblieben sind. Es blieb über Generationen im Gedächtnis, dass sie eigentlich Fremde sind. Diese Erfahrung machten sie auch als sie mit Joseph in Ägypten Zuflucht vor dem Hunger fanden (Wir sprachen in der Bibelwoche darüber). Aus dieser Erfahrung erwächst später das Gebot, auch den Fremden fair zu behandeln. Auch die ersten Christen haben solche Fremdheits-Erfahrungen gemacht, denn sie passten mit ihrem Glauben und Hoffen nicht ohne Weiteres in ihre Umwelt hinein. Dieses Fremdsein um des Glaubens willen wurde Teil ihres Selbstverständnisses, denn ihre Heimat war ja nicht in dieser Welt. - Für Christen in etlichen Ländern ist das immer noch bittere Realität. Ich denke da an die Christen in arabischen Ländern, die unter dem Bürgerkrieg in Syrien besonders leiden. Ich denke an die Christen in Nordkorea, die oft in den Lagern der Kims landen, nur weil sie eine Bibel besitzen. Und so brauchen sie unsere besondere Fürbitte und Solidarität, denn ihr Zeugnis steht auch für uns ein! - Manchmal denke ich, unsere eigenen Erfahrungen in der DDR sollten uns besonders sensibel machen, denn auch dort war man als Christ oft genug der andere! Darum bleibt für uns die Freiheit des Glaubens stets ein kostbareres Gut! Liebe Gemeinde, das Johannesevangelium ist ganz und gar durchdrungen von dieser Fremdheitserfahrung, darum begegnet uns hier Jesus wie einer, der aus einer anderen Welt kommt. Er kommt aus Gottes neuer Welt und bringt seine heilsame und doch fremdartige Wirklichkeit in unsere Welt! Aber unsere Welt fremdelt mit diesem Gottessohn, weil sie in ihm nur den Menschen, wahlweise den Revolutionär oder Aufrührer, vielleicht noch Religionsstifter zu erkennen vermag. Doch dieser Fremdling Gottes hat unendlich viel Gutes für alle Menschen dabei. Er bringt Licht in die Finsternis, er bringt Worte des Lebens in eine Welt, in der Worte hohl und leer geworden sind. Aber nehmen wir ihm das wirklich ab? Vertrauen wir seinem Wort? Können wir in seinem Weg - Gottes Weg mit uns erkennen? - Es bleibt immer ein Geheimnis, wie Gott uns durch Jesus Christus nahe kommt und es bleibt immer ein Wagnis sich auf diesen Außerirdischen (weil Göttlichen) einzulassen. Denn er wurde ans Kreuz geliefert, wurde ausgeschlossen und als fremdartig verworfen. - Wer sich auf ihn einlässt, muss damit rechnen, selbst fremd zu werden. Die frühen Christen und die Christen in der Verfolgung haben das immer wieder am eignen Leibe erfahren! Liebe Schwestern und Brüder, durch diese Fremdheit jedoch, hat Jesus eine neue Perspektive für uns eröffnet. Weil er nicht in den Kategorien unserer Welt dachte, sondern von Gottes neuer Welt her, hatten die Schranken von Klasse, Geschlecht oder Volk für ihn keine Gültigkeit mehr. Für ihn war jeder Mensch ein Kind Gottes, zu allererst, die die nichts zu melden hatten und die, die in Not waren. Von der Wirklichkeit Gottes her hat er verstanden wie tief die Entfremdung zwischen Gott und den Menschen wirklich ist. Er hat verstanden wie sehr wir Menschen darauf angewiesen sind, in einer guten und lebendigen Gottesbeziehung zu leben, weil uns sonst die Quelle abhandenkommt! Heute haben viele Menschen bei uns vergessen (Neubert), dass sie Gott vergessen haben. Aber auch die, die seinen Namen gern im Munde führen, verwechseln diesen lebendigen Gott gern mit ihren Wunschbildern! Und genau hier liegt eine große Gefahr, dass wir Gott allzu gut in unsere Weltsicht integrieren. Der ganz andere Gott wird assimiliert, eingebürgert. Allzu gern vergessen wir, wie fremd er auch uns immer bleibt. Denn so nahe er uns im Glauben auch kommt, er bleibt doch immer der ganz andere, der unverfügbare und manchmal sogar der unbegreifliche! Manchmal können wir in dieser Fremdheit zwischen uns und Gott - auch neues über uns selbst entdecken. Ich habe mehr als einmal den Zweifel als einen notwendigen Zwilling des Glaubens schätzen gelernt. Und wahrscheinlich bewahrt er uns immer wieder davor, Gott zu vereinnahmen! Die Fremdheit Gottes erinnert uns daran, dass wir und die Welt, die wir uns erschaffen, niemals der Himmel auf Erden sein können! Wo eine Idee sich selbst zum Gott erhebt, wird sie selbst gewalttätig. Auch die Geschichte des Christentums erzählt immer wieder von diesem verhängnisvollen Missverständnis. Jesus Christus selbst, mit seinem Weg ans Kreuz, sperrt sich gegen solch gewalttätige Vereinnahmung. Liebe Gemeinde, Jesus Christus - erinnert uns immer wieder auch daran, den Fremden mit neuen Augen anzuschauen! Dies kann uns helfen, gelassener mit der Verschiedenheit umzugehen. In jedem Falle hat uns Jesus gelehrt einander als Menschen gleicher Würde zu achten ganz gleich, wo einer herkommt, welchen Status er hat und wo er politisch steht! Das kann uns helfen mit den neuen Nachbarn besser auszukommen! Darüber hinaus hält dieser Christus unter uns die Erinnerung wach, dass wir nicht so ganz von dieser Welt sein können. Wer die Nachfolge Jesu ernst nimmt, dem muss manches fremd bleiben! wenn wir ernst mit ihm machen, verschiebt sein Kreuz auch die Koordinaten unseres Lebens! Ich jedenfalls, habe großen Respekt vor unseren Schwestern und Brüder in aller Welt, die so viel Glaubensmut aufbringen, dass sogar Nachteile in Kauf nehmen! - Auch uns tut es gut, wenn man uns unsere Hoffnung, unseren Glauben und unsere Liebe abspürt! Möge uns Gott, den Mut schenken, ein wenig mehr Fremdheit in dieser Welt auszuhalten! Amen