Regierungsrat 16. September 2015 15.155 Interpellation Theres

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REGIERUNGSRAT
16. September 2015
15.155
Interpellation Theres Lepori, CVP, Berikon (Sprecherin), und Ruedi Donat, CVP, Wohlen, vom
30. Juni 2015 betreffend Weitergabe von Daten von Gemeinde zu Gemeinde bei Wohnortswechseln von unkooperativen Sozialhilfeempfänger/-innen; Beantwortung
I.
Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach
der Einreichung zugestellt.
II.
Der Regierungsrat antwortet wie folgt:
Vorbemerkungen
Die nachfolgenden Ausführungen zeigen auf, aus welchen Gründen weder im Kanton Aargau noch
in anderen Kantonen gesetzliche Grundlagen für eine Datenweitergabe von Gemeinde zu Gemeinde
bei Wohnortswechseln von unkooperativen Sozialhilfebeziehenden existieren. Allerdings bestehen
bereits heute geeignete Instrumente, die den Informationsfluss zwischen den Gemeinden – auch im
gesetzlichen Rahmen des Datenschutzes – ermöglichen. Der Regierungsrat empfiehlt daher den
Gemeinden, diese Instrumente anzuwenden und in einen gegenseitigen Dialog zu treten.
Zur Frage 1
"Warum existiert im Kanton Aargau keine Liste, respektive eine Übersicht über die Sozialhilfebezüger
und insbesondere über unkooperative Sozialhilfeempfänger, welche unser System missbrauchen?"
Aufgrund der kommunalen Zuständigkeit in der Sozialhilfe gibt es keine rechtlichen Grundlagen für
den Kanton Aargau, eine Liste über alle Sozialhilfebeziehenden oder eine Übersicht zu unkooperativen Personen zu führen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es keinen feststehenden Begriff gibt, der
umschreibt, wie "unkooperative Sozialhilfebeziehende" zu definieren sind. Möglich ist eine Annäherung über den Begriff des Rechtsmissbrauchs gemäss § 15 Abs. 3 der Sozialhilfe- und Präventionsordnung (SPV). Rechtsmissbrauch liegt dann vor, wenn jemand eine Notlage bewusst willentlich
herbeiführt oder aufrechterhält, um so Sozialhilfeleistungen zu erhalten. Kein Rechtsmissbrauch liegt
vor, wenn jemand seine Bedürftigkeit grob selbst verschuldet hat. Damit wird deutlich, dass der Begriff des Rechtsmissbrauchs zu eng gefasst ist, um Sozialhilfemissbrauch zu definieren. In Fällen,
bei denen gemeinhin von Missbrauch die Rede ist, dürfte nur selten eigentlicher Rechtsmissbrauch
vorliegen.
Um der Situation vorzubeugen, dass unkooperative Personen von Gemeinde zu Gemeinde ziehen,
um sich Sanktionen zu entziehen, verfügen die Gemeinden gemäss geltendem Recht im Rahmen
der Amtshilfe nach § 46 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und die soziale Prävention
(Sozialhilfe- und Präventionsgesetz, SPG) über die Möglichkeit, Daten von Sozialhilfebeziehenden
von der Wegzugsgemeinde einzuholen. Die Sozialhilfe hat zum Ziel, die wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit von Personen, die Hilfe benötigen, durch geeignete Massnahmen zu fördern,
zu erhalten oder wiederherzustellen. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können – und um Sozialhilfemissbrauch vorzubeugen –, sind beim Zuzug eines Sozialhilfebeziehenden bei der Wegzugsgemeinde Angaben über alle aktuellen oder geltend gemachten subsidiären Leistungen, Hinweise zur
Zusammenarbeit, zu weiteren massgeblichen Fakten wie Arbeitsfähigkeit, Gesundheitszustand,
Sprachkenntnisse, absolvierte Aus- und Weiterbildungen sowie Angaben zu durchgeführten oder
geplanten Integrationsmassnahmen einzuholen.
Umgekehrt hat eine Gemeinde, aus der eine Sozialhilfe beziehende Person, welche auch am neuen
Wohnort auf Sozialhilfe angewiesen sein wird, wegzieht, ebenfalls verschiedene Abklärungspflichten.
Bei einem Wegzug aus der Gemeinde soll das bisherige Sozialhilfeorgan abklären, ob der künftige
Mietzins in der neuen Gemeinde akzeptiert wird (Kapitel B.3 Richtlinien Schweizerische Konferenz
für Sozialhilfe vom 18. September 1997 [Stand: 1. Juli 2004], kurz SKOS-Richtlinien, im Kanton Aargau gemäss § 10 Abs. 1 SPV verbindlich). Ebenso ist gemäss Kapitel C.8 der SKOS-Richtlinien bei
einem Wegzug von der bisherigen Sozialhilfebehörde der Lebensunterhalt für den sogenannten
Übergangsmonat mitzugeben. Dabei geht es darum, dass die unterstützten Personen genügend Zeit
haben, um ihren Anspruch auf Sozialhilfe am neuen Ort abklären zu lassen, was der neuen Sozialhilfebehörde ermöglicht, die materielle Hilfe sorgfältig zu prüfen und festzulegen. Um die Unterstützung
für den Übergangsmonat korrekt festzusetzen, muss also die Wegzugsgemeinde faktisch mit der
neuen Gemeinde Kontakt aufnehmen und kann mit Einwilligung des Klienten die notwendigen Informationen an die Zuzugsgemeinde übermitteln.
Zur Frage 2
"Welches Gesetz und auf welcher Stufe müsste geändert oder geschaffen werden, um diesem negativen Umstand begegnen zu können?"
Es sind keine weiteren Massnahmen notwendig, um den Informationsfluss zwischen den Sozialbehörden zu verbessern. Bereits heute ist es möglich, die notwendigen Informationen über mögliche
unkooperative Sozialhilfebeziehende im Rahmen der Amtshilfe einzuholen. Entscheidend ist die
konsequente Wahrnehmung der bereits gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Amtshilfe durch die
zuständigen Behörden. Die Einführung einer allfälligen Liste bedürfte einer Anpassung des SPG. Es
müsste auch geprüft werden, ob das Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz
und das Archivwesen (IDAG) angepasst werden müsste.
Zur Frage 3
"Wie handhaben dies andere Kantone?"
Abklärungen bei den umliegenden Kantonen und der SKOS haben ergeben, dass kein Kanton eine
Liste über unkooperative Sozialhilfebeziehende führt.
Der Kanton Bern sieht in seinem Handbuch Sozialhilfe vor, dass von der Wegzugsgemeinde ein
Übergangsbericht erstellt wird und dieser den Klienten mitgegeben wird. Eine eigentliche gesetzliche
Grundlage dafür besteht nicht. Die Datenweitergabe erfolgt hier mit Einwilligung der Sozialhilfe beziehenden Person. In diesem Zusammenhang wird im Handbuch explizit ausgeführt, dass der Übergangsbericht vom Klienten unterschrieben werden soll. Eine solche aktive Informationsweitergabe ist
mit Einwilligung der Sozialhilfe beziehenden Person auch im Kanton Aargau möglich.
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In anderen Kantonen nimmt – wie auch von etlichen Aargauer Gemeinden so gehandhabt – die Zuzugsgemeinde im Rahmen der Abklärung des Sozialhilfeanspruchs mit der Wegzugsgemeinde Kontakt auf und holt die notwendigen Informationen ein (falls nicht bereits die Wegzugsgemeinde die
neue Gemeinde kontaktiert hat). Dieses Vorgehen hat sich bewährt und wird im Handbuch Sozialhilfe des Kantons Aargau explizit empfohlen.
Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr. 760.–.
Regierungsrat Aargau
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