Dr. Fritz Roth: Rede vor der Stadtverordnetenversammlung zum FDP-Antrag „Wegfall der Kindergarten-Gebühren“ am 25. Juni 2015 Dieser Antrag will ins Bewusstsein rufen, dass Kinder alle Bürger einer Gesellschaft angehen und nicht nur die Eltern. Wenn das allgemein Zustimmung fände, wäre schon viel von der Zielsetzung erreicht. Wir haben nicht allzu viele gesellschaftliche Ziele, auf die man sich verständigen kann, aber dieses wäre eines, das dem Kindeswohl am meisten dienen würde. Von Kindeswohl höre ich in der bisherigen Debatte dieses Gremiums kaum etwas, um so mehr aber von Kommerz, von Haushaltsausgleich, finanzieller Enge, Unmöglichkeit der Finanzierung. „Das können wir nicht finanzieren“, ist ein Totschlag-Argument, mit dem üblicherweise neue Ideen, die den Mehrheits-Fraktionen unangenehm sind, zu Fall gebracht werden – vom Bund bis zur Kommune (Steuerreform, Steuerstrukturreform, Ersatz der unzuverlässigen Gewerbesteuer durch Lohnsummensteuer oder anderes, Umstellung des Gesundheitssystems, mehr kommunale Selbstverwaltung). Auch zu den Kita-Gebühren hört man das hier; seltsam nur, dass es in anderen Bundesländern durchaus geht. Wenn unsere Gesellschaft familienfreundlicher werden soll, dann muss es um das Wohl der Kinder gehen, nicht um Haushaltsausgleich. Nicht die finanzielle Leistung, sondern die Grundeinstellung ist zu hinterfragen. Wir haben derzeit nur drei Städte in Hessen, in denen mehr Neugeborene registriert sind als im Vorjahr. Groß-Umstadt gehört nicht dazu. Kinder bereichern unsere Gesellschaft. Da alle Teile der Bevölkerung von dieser Bereicherung profitieren, sollten wir uns dafür einsetzen, dass alle Teile der Gesellschaft dazu beitragen – und diese Diskussion nicht auf den finanziellen Teil reduzieren. Kinder kosten nun einmal Geld und deshalb dieser Antrag, die Belastung der Kita-Gebühren auf möglichst viele Schultern zu verteilen, die Eltern auf diese Weise zu entlasten. Sie haben ohnehin noch sehr viel mehr beizutragen, als Kinderlose und Alleinstehende. Es geht also lediglich um eine Umverteilung von wenigen Schultern auf mehr Schultern. Eine solche Verfahrensweise wäre keine weitere Subvention zu denen, die es bereits in mehr als 100- facher Form gibt, sondern sie wäre ein Beitrag zur Solidarität: wer gibt, der erhält auch etwas. Wer der gesamten Gesellschaft Kinder gibt, der erhält die Gegenleistung der gesamten Gesellschaft. Nun könnte man sagen, auch die anderen familienpolitischen Leistungen des Staates sind Leistungen der Gesellschaft. Aber: „Von allen familienbezogenen Leistungen ist die öffentliche Förderung der Kinderbetreuung die einzige Leistung, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Wohlergehen von Kindern hat“ und: „Bei vollständigem Kostenerlass würden noch mehr Kinder Betreuungs-Angebote nutzen. Dabei hätte eine Entlastung von Elternbeiträgen im Vergleich einen noch höheren Effekt auf die Nutzung der Kinderbetreuung, vor allem in sozial schwächeren Milieus, in denen der Anteil der Kinder mehr steigt, als in Akademiker-Familien. Die Wirkung aller anderen Einzelleistungen der Familienpolitik ist für das Wohl der Kinder als gering einzuschätzen“. So steht es in der „Gesamtevalution der ehe- und familienbezogenen Leistungen in Deutschland“ des Familienministeriums vom 2. Juni 2014. Und da setzt unser Antrag zum Wohle der Kinder an. Die sollen gefördert werden, nicht Alleinstehende und doppelverdienende Ehepaare ohne Kinder, die im Alter dort ernten, wo sie nie gesät haben. Kinder sind kein „Schaden für die Karriere“ oder eine „Last für die Selbstverwirklichung“, sondern sie bereichern die Gesellschaft in jeder Hinsicht und bereiten zu allen Zeiten Freude, bedeuten natürlich auch Anstrengung, Verzicht, Kummer und Leid – wie im ganz normalen Leben üblich – und sie ernähren und versorgen ihre Vorgänger. Oder waren diejenigen, die von „Schaden“ und „Last“ reden selbst in ihrer Kindheit „Schaden“ und „Last“? Wer versorgt und ernährt denn diese Schwafler? - die „Schäden“ und „Lasten“ anderer Mitbürger! Deshalb sollten wir auch auf der kommunalen Ebene alles tun, zum Wohle der Kinder jeden Zipfel zu ergreifen, der sich uns bietet. „Je dringender die Mütter berufstätig sein wollen, desto mehr müssen sie bereit sein, Geld für die Kinderbetreuung auszugeben“ – dieser Satz funktioniert so nicht. Viele müssen arbeiten, um die Kinderbetreuung bezahlen zu können. Das staatliche Kindergeld – sofern nicht die steuerliche Lösung bevorzugt wird – kann gleich bei der Stadt abgeliefert werden. So wird durch die Doppelarbeit das Wohl von Erwachsenen verwirklicht, aber nicht das Wohl der Kinder, um das es hier einzig gehen sollte. Ergänzend zum sozialen und bildungspolitischen Aspekt dieses Antrages zitiere ich noch Frau Familienministerin Schwesig aus der BT-Debatte vom 22. Juni 2015 zur Familienpolitik : „Wir müssen vor allem die Familien unterstützen, in denen Mutter und Vater jeden Tag aus dem Haus gehen und hart arbeiten, aber der Kinderzuschlag nicht reicht, um aus dem Bezug von Sozialleistungen herauszukommen“. Wie ginge das besser, als durch einen Wegfall der KitaGebühren. Ein Aspekt wird in dieser Debatte bisher nahezu vergessen: Der Wegfall der Kita-Gebühren hätte für die Stadt eine enorme Werbe- und Marketingwirkung, über die vielfältige Besserstellungen des Haushaltsbudgets auf vielen Feldern zu erwarten wären. Damit bin ich doch noch bei der Finanzierung, die ich aber nach dem Vorgesagten nur streifen möchte, denn dass der Ausgleich von 670.000 Euro – so viel bedeuten 17% Elternanteil an den Kita-Gesamtkosten – bei entsprechendem politischen Willen aus dem Aufkommen der Grundsteuer B ohne Weiteres zu leisten wären, ist selbstverständlich. Die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Grundsteuer B betragen laut Auskunft des Bürgermeisters allein 900.000 Euro im Jahr. Auch wenn die Grundsteuer B, wie bisher verkündet, in den Folgejahren wieder gesenkt würde, wäre der Wegfall der Kita- Gebühren zu kompensieren. Die Mehreinnahmen der Stadt aus dem Kommunalen Finanzausgleich werden sich ab 2016 auf 1,1 Mio Euro belaufen. Die bisherige Kompensationsumlage an das Land entfällt ab diesem Zeitraum für die Stadt. Leistungen des Bundes und Landes für die Stadt verbessern sich. Weil im Sozial-Ausschuss nach zusätzlichen Sparvorschlägen gefragt wurde – ganz unabhängig von der Grundsteuer B – frage ich: Wenn der Kreis wegen seiner Verschuldung die Weitergabe von Bundes- und Landesmitteln an seine Kommunen verweigert, warum hilft ihm dann Groß-Umstadt mit mehr als 100.000 Euro bei der Ernst-Reuter-Schule? Warum zahlen die finanziell gut aufgestellten Kirchen nur 15% an Eigenmitteln für den Betrieb ihrer Kindergärten und die Stadt den Rest? Warum sparen wir nicht unnötige Dienste und Vergünstigungen bei der Verwaltung ein? Die Belastungen aus dem Streik der Kita-Mitarbeiter sind im Haushalt bereits vorweg genommen. Mit anderen Worten: Wenn der Inhalt des Antrages politisch gewollt wird, geht es.