Kultur des Systems Frühförderung handout Andreas Warnke Münchner Symposion Frühförderung 2016 04.03.2016 München Begriff: „Kultur“ • Muster von Denken, Fühlen und Handeln, • Traditionelle Werte, Ideen, Lebensgewohnheiten, Sitten, Tracht • Gesellschaftliche Organisation • Kulturelle Schöpfungen: Literatur, Kunst, Musik... • Verständnis und Struktur gesundheitlicher Versorgung Kultur: Wissenschaft der Kindeswohlgefährdung • Welche Kinder sind warum auf Frühförderung angewiesen? • Kultur einer Epidemiologie von gesundheitlicher und Entwicklungsgefährdung von Kindeswohl • Bestimmung des Aufgabenfeldes institutionalisierter Frühförderung Verstöße gegen die UN-Kinderrechts-Konvention • Die Hälfte der zivilen Opfer bewaffneter Konflikte sind Kinder. • Mehr als 1 Mill. Kinder werden jährlich Waisenkinder oder getrennt von ihren Familien. • Jährlich sterben 8.000 - 10.000 Kinder durch Landminen. • Jedes Mädchen, das den Ruanda-Genozid überlebte, wurde vergewaltigt. (UNICEF, 2005) Landminenopfer in Kambodscha (Bilder: UNICEF ) Verstöße gegen die UN-Kinderrechts-Konvention • 20 Mill. Kinder sind Flüchtlingskinder • Mehr als 2 Mill. Kinder starben im letzten Jahrzehnt aufgrund bewaffneter Konflikte. (UNICEF, 2005) Kindersoldat in Afrika (Bild: NAD - Netzwerk Afrika Deutschland ) Flüchtlingskinder (Bild:TISCHLER) Differentialdiagnose Angststörungen und Angstsymptome „physiologische“ Angst Mangel an Angst ( Gefahrenblindheit“; fehlendes Fremdeln“) Angststörung bei endogenen Psychosen Übermäßige Angst situations bhängige Angst (Phobien) Angstsymptom im Rahmen psychischer Störungen (z.B. Zwang, Anorexia nervosa, Hypochondrie) objekt- und situations- bei körperlichen Erkrankungen Objekt- und a Persönlichkeitsstörung (ängstliche) ) unabhängige Angst chronisch andauernd (generalisierte Angststörung)) akut anfallsartig (Panikattacken) Anpassungsstörung und Belastungsreaktion mit Angst Botschaft für zu Hause Warum also Diagnosen? • • • • Ohne Kategorien keine Erkenntnis Ohne Diagnose keine Rechte Ohne Diagnose kein Kunstfehler Ohne Diagnose keine Versorgung, Lehre, Forschung, berufliche Bildung, • ...keine Selbsthilfeorganisation Diagnostische Klassifikation 0–3 Zero to Three National center for infants, todlers, and families (Hrg) Übersetzt von Dunitz-Scheer, M., Scheer, P.J. Multiaxiale Diagnostik Multiaxiales Klassifikationsschema (Remschmidt, Schmidt, Poustka, 2005) 1. 2. 3. 4. 5. Achse: Klinisch-psychiatrisches Syndrom Achse: Umschriebene Entwicklungsstörungen Achse: Intelligenzniveau Achse: Körperliche Symptomatik Achse: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände 6. Achse: Globale Beurteilung des §35 psychosozialen Funktionsniveau a SGB VIII „Wir diagnostizieren, klassifizieren und behandeln Krankheiten, benennen und begegnen Behinderungen, fördern Gesundung, Begabung und Inklusion. Wir diagnostizieren und klassifizieren nicht den Menschen, ihm gehören Achtung und Würde“ Botschaft für zu Hause Inklusion setzt Diagnose voraus! Was geht es uns an? -der Versorgungsbedarf• 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche sind täglich behandlungsbedürftig psychisch krank in Deutschland • Täglich 150 000 in Bayern! Ravens –Sieberer, U., Wille, N., Bettge, S., Wittchen, H.U. & Rothenberger, A. et al. (2008). Prevalence of mental health problems among children and adolescents in Germany: results oft he BELLA study within the National Health Interview and Examinatiion Survey. Eur. Child Adolesc. Psychiatry, 17 Suppl. 1, 22-33. KiGGS-Studie; Ravens-Sieberer et al. 2007; Robert Koch Institut Bedarf an Frühförderung • Für 6% der Kinder von 0-6-Jahren besteht nach Schätzung FF-Bedarf (Trost 1991) • In Bayern 2014: 45 677 Vorschulkinder • 107 .000 Kinder erhielten Frühförderung in Deutschland (ISG- Studie 2006) Versorgungsbedarf • Regional unterschiedlich werden nur 2- 3,5 % in bayerischen FF-Stellen erfasst (Thurmair 2000) • Nach Studie für Brandenburg aus 2007 werden nur 6 von 10 bedürftigen Kindern erfasst und • Nur 3 von 10 bedürftigen Kindern aus sozial schlecht gestellten Familien (vgl. Klein 2002) „Leitsymptome“ der Kinder in der IFS Bayern (FRANZL-Studie; Thurmair, Höck 2011) „Oft und sehr oft“ wurden behandelt: • „Verhaltensstörung“ (90%) • „Störung der Sozialentwicklung“ (88%) • „Emotionalstörung“ (78%) • „Ungünstige Erziehungsbedingungen“ (77%) Behandelte Störungsbilder FF Bayern (Peterander 1989) • • • • Autistische Störungen : 1% ADHS: 15% Teilleistungsstörungen: 45% Leistungsstörungen: 50% Bella-Studie (KiGGS) (Ravens-Sieberer, Wille,Bettge, Erhart 2006) • Verschiebung - von akuten zu chronischen Erkrankungen - von somatischen zu psychischen Störungen Bella-Studie (KiGGS) (Ravens-Sieberer, Wille,Bettge, Erhart 2006) • - Die „Neue Morbidität“: Entwicklungsstörungen Emotionale Störungen Störung des Sozialverhaltens Botschaft für zu Hause • Psychische Störungen sind bei Kindern und Jugendlichen häufig und oft nachhaltig • Häufiger noch bei Menschen mit Schwer- und Mehrfachbehinderung • Häufiger geworden sind „komplexe“ Störungen (körperlich, geistig, psychisch, sozioökonomisch im Nachteil) und Chronische Erkrankungen Steinhausen, H.C. (2013), Z. für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 41, 419-431; Steinhausen et al. 2013; Ravens-Sieberer et al. 2007) Die „Leistungsgesellschaft“ unter dem Aspekt Kindes- und Familienwohl Wirtschaftliche Anforderung durch wirtschaftlichen Wandel „New Economy“ • Wissensgesellschaft („Produktivkraft Wissen“) • Flexibilität (Mobilität, Llg. Umlernbereitschaft) • Beschäftigungsfähigkeit (Bildungsförderung) • „Humankapital“ vs. „Erziehungskapital” Wirsching (2012) „Yettie“: der „ideale“ Arbeitnehmer • Jung • Unternehmerisch • Technisch versiert bindungslos, partnerlos, kinderlos Wirsching (2012) young, entrepreneurial, technical based, twentysomeone Schon hier Note 6 Ist alles nur noch Tintenverschwendung Ohne Fleiss, kein Preis! Botschaft für zu Hause: Es gibt eine „Kultur von Exklusion“ Exklusion oder Barrieren gibt es für Kinder mit jeglicher Art von Behinderung - mit psychischer Störung aufgrund ihrer psychischer Störung mit psychisch kranken Eltern/ Angehörigen Kultur: Familienorientierung Anpassung von Frühförderung an Familie in Gesellschaft Gesellschaftliche Veränderung und Familienwohl Traditionelle Familie auf dem Rückzug Siegfried Neuenhausen: Papa arbeitet in Wolfsburg, Siebdruck 1973/74 „Weekend Parenting“ „Long Distance Parenting“ Abnahme von „Erziehungskapital“ „Erziehungskapital“ Arbeitszeit von Mutter für Erziehung von 27 auf 17 Std./Woche gefallen (in 20 Jahren) AOK- Familien-Gesundheitsstudie 2014: In Familie mit „Zeitmangel“: 24% beklagen Symptome des Kindes (vs18%) Abnahme von mobiler FF (Franzl-Studie; Höck, Thurmair) Das Kind, das „arm dran“ ist Otto Dix: Der Streichholzhändler, 1926 18,9 % Kinder und Jugendliche von Armut bedroht. Eltern haben weniger als 60% des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Kind von Armut bedroht • 18,9 % von Armut bedroht (in Bremen 33,7%; in Berlin 35% Hartz 4) (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut Hans-Böckler-Stiftung, 2014) Gesundheit Bildung Armut Weiß, Hans (Hrsg.) • Frühförderung mit Kindern und Familien in Armutslagen (EBook) (Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär; 7), Reinhardt, 2000 Anzahl der Familien sowie der alleinerziehenden Familien von 1996 bis 2012 • Familien insgesamt • -1.368.000 • 9.429.000 in 1996 8.061.000 in 2012 • Allein - erziehende • +303.000 • 1.304.000 in 1996 1.607.000 in 2012 Quelle: Jurczyk/Klinkhardt (2014) Alleinerziehende in Österreich Alleinerzieherinnen sind im Vergleich zu Müttern in Zwei-Eltern-Familien •» in einem höheren Stundenausmaß beschäftigt, im Schnitt rund vier Stunden länger (31,2 vs. 27,4 Wochenstunden); Zartler et al. 2011: Alleinerziehende in Österreich. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Sozialpädagogische Studienreihe, Bd. 7 Alleinerziehende und Jugendhilfe • Alleinerziehende machen 34% der Erziehungsberatungsfälle aus (Familienpopulation 18%) • Fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Hilfe zur Erziehung (Pflege, Heim) (Jugendhilfestatistik: Rauschenbach, Pothmann, Wilk 2009; Schutter 2012) Kinder von Alleinerziehenden Risiko relativ erhöht für • Entwicklungsdefizit •Versorgungsdefizit •Soziale Ausgrenzung Brand 2006, 2010; Hackl et al.2009; Zander 2010 Scheidung in Deutschland 1991 2010 2011 2012 Ehe geschieden 136 000 187 028 187 640 179 147 Betroffene Kinder <18J. 99 000 145 000 148 243 143 022 Statistisches Bundesamt 2013 Scheidungsquote: 39 % Bundesdurchschnitt Risikofaktoren „Family adversity index“ Rutter, Quinton 1977 • • • • • • • Psychische Erkrankung der Hauptbezugsperson Vater ist/war straffällig Vater ohne Schulabschluss/ohne Berufsausbildung Vater/Mutter alleinerziehend Elterliche chronische Zerstrittenheit Enge Wohnverhältnisse Kind war/ist fremd untergebracht • Resilienz bedeutet: Widerstandskräfte befähigen das Kind trotz dieser Lebensbelastungen psychisch gesund zu bleiben. Kinder psychisch kranker Eltern Evang. Beratungsstelle für Erziehungs-, Eheund Lebensfragen Würzburg http://www.wuerzburger-projekt.de Kindertagesstätten Die Betreuungsquote für Kinder unter 3 Jahren in Kindertagesbetreuung betrug •2006 13,6 (364 190 Kleinkinder) und •2010 23,1 (472 157 Kleinkinder) •2014 in Westdeutschland 27,4 % in Ostdeutschland 52,0 % . Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 059 vom 20.02.2015 „Kultur von Barrieren für FF“ Beispiel Barriere für zentrales Anliegen •Mobile FF •Familienorientiert FF •Familiennae FF Kind und Eltern tagsüber nicht zuhause Arbeit Eltern tagsüber Kind Eltern „gestört“ GanztagsKrippeKiGartenSchule Kind Von -> Jugendhilfe Behinderung §27bedroht KJHG, §35a SGB VIII mobile HausFF Heilpädagogischer Dienst Kinderklinik Kind Frühförderstelle Harl.e.kin Eltern/Familienarbeit Botschaft für zu Hause Häufiger Bedarf für Prävention und Abbau von Versorgungsbarrieren bei Kindern • in Armutsverhältnissen • von Alleinerziehenden • aus Trennung und Scheidung Botschaft für zu Hause Anzeichen für Barrieren sind: Defizite • in der Inanspruchnahme • bei Notaufnahmen • in der Frühförderung • in der Weiterbildung und Erreichbarkeit von elternersetzenden oder elternergänzenden Bezugspersonen Hinzpeter, B., Metzner, F., Pawlis, S., Bichmann, H., Kamtsiuris, P., Ravens – Sieberer, U., Klasen, F. & The BELLA study group. (2014); Pothmann, J.(2012) Käthe Kollwitz: Saatfrüchte sollten nicht vermahlen werden, Lithographie. 1942 „Ich bin Leben…“ Im Landkreis Würzburg Jugendhilfe Geburten Familienatlas 2008, LRA Würzburg Krankenhausfälle je 10 000 Kinderund Jugendliche in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Anzahl 30 27,7 24,8 25 21,9 18,7 20 19,5 25,9 22,8 20,2 17,1 15 13,8 14,7 14,6 1995 1996 15,4 10 5 Folie 0077, 022008 1994 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Jah r Quelle: Statistisches Bundesamt Fallz ah len en t w i ck l u n g in d en HZE + 200% 1200000 1155637 954398 1000000 725740 Anzahl Fälle 800000 660481 571278 600000 476076 369 395 400000 200000 0 EB Dr .N. Beck teilstationär Fremdunterbringung Beck 2014 §35a 13 Dem og r ap h isch e - u n d Bed ar f sen t w ick l u ng Mio. 15,5 Fallzahlen HZE + §35a Bevölkerung unter 18 Jahre Tausend 1100 15 900 14,5 700 14 13,5 500 13 300 12,5 12 100 2000 Dr .N. Beck 2002 2004 (Beck 2014) 2006 2008 2010 2012 15 Nützel, J., Schmid, M., Goldbeck, L. &, Fegert, J.M.,(2009) Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung von psychisch belasteten Heimkindern. Praxis der Kinderpsychologie und der Kinderpsychiatrie, 54,: 672-644 Pothmann, J.(2012). Seelische Behinderung – eine Frage des Standorts? Regionale Disparitäten bei der Inanspruchnahme von Leistungen gem. § 35a SGB VIII. KomDat, 15, (3)13-15. Verordnungen von Methylphenidat 1998 bis 2007. Gesamtverordnungen nach definierten Tagesdosen (DDD) 50 46 Methylphenidat (Mio. DDD) 45 40 39 35 30 33 Zum Vergleich in 2000: Antidepressiva 419 Neuroleptika 227 13 25 20 15 10 5 0,7 1 1,2 1,3 3 26 1257 Mio. DDD 2011 20 16 17 303 Mio DDD 2011 8,4 3,9 4,7 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Jahr Quelle: Schwabe & Paffrath 2008 Inobhutnahmen • Seit 2005 signifikante Zunahme um 6-8%: • • • • • --in 2009 über 33 000 --in 2010 über 36 000 --in 2011 über 38 000 --in 2012 40 227 --in 2014 48 049 Größte Zunahme bei Kleinkindern(0-6J)! Stat.Bundesamt 2013; Ziegenhain, U., Fegert, J.M., Petermann, F., Schneider-Haßloff, H. & Künster, A.K. (2014) Inobhutnahme und Bindung. Kindheit und Entwicklung, 23, 248-259. Transferkosten und Fallzahlen in der Erziehungshilfe München für Pflegefamilien und stationäre Einrichtungen Fälle Kosten Mio € 2005 3.107 95,5 2006 2.993 94,6 2007 2.835 93,7 2008 3029 101,0 2009 3.290 123,3 2010 3507 135,8 2011 3.582 138,8 Wirtschaftl.Kosten Mio. € 2014 > 200 Mio € 7,4 10,4 15,9 Botschaft für zu Hause Trotz Abnahme des Bevölkerungsanteils von Kindern und Jugendlichen gilt: Die ambulante, teilstationäre und vollstationäre Versorgung hat in KJP und JH rasant zugenommen Dazu gibt es eine „Kultur der Kostenerstattung“ „Große Lösung“ Hebebrand, J. &, Holtmann, M. (2013). Editorial: Seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – Herausforderungen und Handlungsfelder. Zeitschrift für Kinderund Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 41, 291-293. Kultur: wissenschaftliche und ethische Verankerung von FF als Postulat Lernfähigkeit des Kindes von Geburt an Frühe Hilfen sind die wirksamsten Würde eines jeden Menschen; Menschenrechte Kultur der methodischen Strategie Frühförderung soll sein: •Wirksam •Kind- und entwicklungsorientiert •Begabungsorientiert •Rechtzeitig •Familienorientiert und familiennah •Individuell angepasst an Bedürfnis, Vermögen und Lebensraum von Kind und Familie Kultur der methodischen Strategie Frühförderung soll sein: • Interdisziplinär koordiniert/integriert multimodal • Mobil und vernetzt • Niederschwellig • Fachlich kompetent • Wissenschaftlich begründet • Gesetzlich orientiert • Kostengünstig • Wandelbar und flexibel Wirksamkeitsfaktoren der Frühförderung • Frühzeitige/rechtzeitige, intensive • und über einen hinreichend langen Zeitraum dauernde Frühförderung • unter Einschluss der Übergänge in Kita und Schule (Weiss, Peterander 2015) Wirksamkeitsfaktoren der Frühförderung • inhaltlich abgestimmte Hilfsangebote für Familien in psychosozial deprivierten Lebenslagen (Weiss, Peterander 2015) Wirksamkeitsfaktoren der Frühförderung • Flexible, auf die Lebenswirklichkeit des einzelnen Kindes und seiner Familie individuell zugeschnittene Angebote (Weiss, Peterander 2015) Wirksamkeitsfaktoren der Frühförderung • Kombination der Förderung des Kindes in Frühförderstellen, Krippen, Kindergärten oder Tagespflegestellen und der Eltern-Kindzentrierten Frühförderung (Weiss, Peterander 2015) Wirksamkeitsfaktoren der Frühförderung • „Es braucht mehr als familienergänzende Betreuung, eben auch eine die Eltern-KindInteraktion und die familiäre Lebenswelt insgesamt stützende Frühförderung mit der Familie“. Lanfranchi, A. (2013): Frühförderung als Allheilmittel für die Krankheiten der Schule? Für ein Recht auf Bildung ab Geburt anstelle der „Verbürgerlichung bildungsferner Familien“. In: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 19, 4, 19–24 Frühförderung – sie rechnet sich! • „Langfristig orientierte Kosten-NutzenAnalysen... zeigen ..., dass sich die Kosten für die Frühförderung im Verhältnis 1:4 um ein Vielfaches amortisieren (Heckman & Masterov 2007; Peterander 2006; Wagenknecht et al. 2009). • Sie erbringt....den höchsten „Wertzuwachs“. (Weiss, Peterander 2015) Wagenknecht, I.; Meier-Gräwe, U. & Fegert, J. M. (2009). Frühe Hilfen rechnen sich. In: Frühförderung interdisziplinär, 28, 2, 82-91 Gliederung • • • • • • • • Der Begriff „Kultur“ Der Begriff „ Kultur der Frühförderung“ Kultur der Prävalenz: Um wie viele Kinder geht es ? In welcher kulturellen Gesellschaft leben wir? Was geschieht in der Versorgungskultur? Kultur der Evaluation-ist FF wirksam? Zielkultur – Heilung, Förderung, Inklusion Kultur von Hoffnung geben und des Dankens FF: „Kultur“ der Ziele Bindung und Resilienz Resilienzfaktoren in Familie (Werner, Smith 2001) • • • • Positive Rollenmodelle für Problemlösung Zusammenhalt Erfahrung von Sinn und Lebenswerten Gewissheit in religiösem Glauben FF: Stärkung von Widerstandskraft Resilienzfaktoren Soziale Resilienzverstärker - Temperament - Bindung - Selbstwirksamkeit - Netzwerk - Soziales Geschick - Bildung - Aktivität - existentielle Sicherheit - Problemlösungsfähigkeit - Wertschätzung - religiöse Überzeugung - Zusammenhalt Frühförderung und Inklusion UNBehindertenrechtskonvention • Titel (engl.): Convention on the Rights of Persons with Disabilities • Inkrafttreten in Deutschland: 26. März 2009 • UN-BRK. (2008/2009). http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar6 1106-dbgbl.pdf (10.03.2014) Leitlinie - Chancen • Die Einbeziehung aller Menschen mit Beeinträchtigungen • Gesellschaftliche Zugehörigkeit • Herstellung struktureller Rahmenbedingungen Fegert, J.M., Schepker, R. (2014). Editorial: Ambivalenzen um die Inklusion. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 42, 297-299. Warnke, A. & Taurines, R. (2012). Inklusion – Was kann die Kinder- und Jugendpsychiatrie dazu tun? In: C. Breyer, G. Fohrer, W. Goschler, M. Heger, C. Kießling & C. Ratz (Hrsg.) Sonderpädagogik und Inklusion. (S. 245-256). Oberhausen: Athena. Die Entwicklung der inklusiven Förderquote in Deutschland 31,4% Klemm, Klaus (2015): Inklusion in Deutschland. Daten und Fakten. Gütersloh: Bertelsmann Inklusionsrate gegenüber Exklusionsrate in Deutschland Inklusion in Deutschland Daten und Fakten Prof. Dr. phil. Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung 2015 Entwicklung der Förderquoten in Deutschland Schuljahr 2000/01 bis 2013/14 (Klemm 2015) Prozent 6,8% 6% 0.8%= 590 000 mehr Inklusion in Deutschland Daten und Fakten Prof. Dr. phil. Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung • „Bundesweit wird bei immer mehr Kindern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Zwischen 2008/09 und 2013/14 ist diese Quote von 6,0 auf 6,8 Prozent und damit um 13 Prozent gewachsen.“ (Klemm 2015) Hans Wocken: magazin-auswege.de – 4.2.2016 Die verführerische Faszination der Inklusionsquote • „0,8 Prozent sind in der BRD etwa 590 Tausend (!) mehr Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen! ...Es gab und gibt in der BRD und in den Ländern noch nie so viele Schüler mit diagnostiziertem sonderpädagogischem Förderbedarf wie seit jenen Tagen, seit denen die schulische Inklusion ganz oben auf der Tagesordnung der Bildungspolitik und der Schulpädagogik steht.“ Hans Wocken Die verführerische Faszination der Inklusionsquote1 Ein Aufschrei gegen die Etikettierungsschwemme und den Separationsstillstand Zuwachsraten von Förderdiagnosen • Die prozentualen Zuwachsraten belegen die Steigerung der Bedarfsund Förderungsdiagnosen vom Schuljahr 2008/09 (Referenzjahr) bis zum Schuljahr 2013/14: • - Förderschwerpunkt • • • • • • • Lernen emotionale und soziale Entwicklung Sprache geistige Entwicklung Sehen Hören körperliche und motorische Entwicklung Wocken 2014 +60% +60% + 25% + 63% + 69% + 233% +90% Kultur wissenschaftlich basierter Kompetenz Beispiel Autismus Frühkindlicher Autismus (F 84) Behandlung • Minderung familiärer Belastungen • Förderung der Lernfähigkeiten • Therapie der Begleitstörungen • Eingliederungshilfe Wie lernen autistische Kinder? • Visuelles Lernen (TEACCH, PECS, STEP) • Verstärkendes Lernen (Verstärkerpläne) • Strukturiertes Lernen (überschaubar, wiederholend, funktional-mechanistsich) • Evaluierte Manuale TEACCH: Klare Strukturierung von Raum, Zeit und Material • „Verschiedenheit akzeptieren (...) heißt auch, Verschiedenartigkeit von Behandlungsnotwendigkeiten akzeptieren und spezifische Behandlungsdifferenzierungen praktizieren“ (wenn sie eine Qualitätsverbesserung und adäquate Therapiemöglichkeiten bedeuten). Michael Wunder (2011) zitiert nach Hennicke 2011 Klinik für Kinder und Jugendliche mit Schwer- und Mehrfachbehinderung und psychischen Störungen Klinik am Greinberg-Würzburg Schlussfolgerungen (I) In IFS Wandel von • „klassisch behindertem Kind“ zu „Kind mit Behinderung und mit Verhaltensauffälligkeiten“ • „intakter Familie“ zu „mehrfach belasteter Familie“ Schlussfolgerungen (II) (Esser 2010) Im Kindesalter gefährden die weitere Entwicklung insbesondere Hyperkinetische Störungen Störungen des Sozialverhaltens Umschriebene Entwicklungsstörungen Schlussfolgerungen (III) (Esser 2009) Wesentliche Ursachen liegen in widrigen psychosozialen Bedingungen fehlender erzieherischer Kompetenz schweren prä- und perinatalen Beeinträchtigungen Bedeutendster früher Indikator Qualität der Eltern-Kind-Beziehung Beitrag der Kinderpsychotherapie zur Prävention psychischer Störungen (IV) ( Esser 2010) Anleitung zur Verbesserung der Mutter-KindInteraktion bei Risikogruppen Anleitung zur Verbesserung elterlicher Erziehungskompetenz Behandlung früher Regulationsstörungen Behandlung von Kindern mit frühen Formen oppositionellen und hyperaktiven Verhaltens Folgerungen zu familiärer Ausgangslage • Eltern und Kind tagsüber nicht zuhause • Säuglinge und Vorschulkinder außerfamiliär betreut • Eltern mit geringerem „Erziehungskapital“ • Erzieher treten an Stelle der Eltern • Ziel der Inklusion Botschaft für zu Hause FF-Hilfen zu Inklusion • - Mobile Dienste • - Hometreatment/Hausfrühförderung • - Heilpädagogischer Fachdienst der Frühförderung Zugang zu den Lebensorten des Kindes sichern Remschmidt, H. & Schmidt, M. (1988); Boege, I., Copus, N. & Schepker, R. (2014). Botschaft für zu Hause Hilfen zu Inklusion Weiterbildung der elternergänzenden und elternersetzenden Bezugspersonen (Erzieher-, Lehrertraining....) Entwicklungsbedarf • Weiterentwicklung des Mobilen Heilpädagogischen Dienstes der IFS • Einrichtung eines Inklusionsfachdienstes der IFS • Qualifizierung der Erzieher in Kitas, Kiga durch Mitarbeiter der IFS Personalbedarf • Angestellte zur Sicherung von Kapazitäten für: - Leitung und regionale Vernetzung - Fallübergreifende Qualitätsentwicklung (Fallmanagement, Zeit für Konzeptentwicklung…) - Verwaltung (Logistik, Dokumentation, Abrechnung, Terminüberwachung…) -----75% der Leistungen durch Angestellte zu erbringen, Rest Honorarkräfte Bedarf • Finanzierung von Familienarbeit, Fallkonferenzen im Team der IFS („Teamgesprächspauschale“ für jede beteiligte Fachkraft- neben der rein kindbezogenen) • Finanzierung von Netzwerkarbeit institutsübergreifend : Hilfeplangespräche, Arzt, KiTa, SPZ/Klinik, Ämter etc. („Netzwerkpauschale“)