Tic-Störungen GÖTTINGEN Professor Dr. Aribert Rothenberger Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Universität Göttingen KLASSIFIKATION GÖTTINGEN Diagnose Vorübergehende TicStörung des Kindesalters wichtigste Kriterien Vollständiges und endgültiges Verschwinden der meist nur motorischen Tics nach spätestens einem Jahr ICD-10Ziffer F 95.0 Chronische motorische oder Mehr als 1 Jahr dauernde chronische vokale Tic-Störung motorische oder chronische vokale Tics F 95.1 Kombinierte vokale und multiple motorische Tics (Tourette-Syndrom) Mehr als 1 Jahr dauernde motorische und vokale Tics F 95.2 Sonstige bzw. nicht näher bezeichnete Tic-Störung Erfüllt nicht die Kriterien der vorgenannten Störungen, wie z.B. Dauer mehr als 4 Wochen, Beginn der Tics vor dem 18. Lebensjahr F 95.8/95.9 Merkmale 1. Chronifizierungsgrad 2. Isoliertes bzw. gemeinsames Auftreten von motorischen und vokalen Tics KOMORBIDITÄT GÖTTINGEN • Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität 40-60% • Zwangssymptome 40-70% • Angststörungen 25-40% • Depressive Symptome ca. 50% • Schlafstörungen 12-44% • Lernschwierigkeiten • Leichte neurologische Auffälligkeiten Tic-Störungen haben (wie auch ADHS) hohe Komorbiditätsraten ( 80%) CATS, 2000 ÄTIOLOGIE Inhibitionsmodell GÖTTINGEN Frontalkortex Kompensation Basalganglien MotorKortex Spontanentladung Motorische Programme Eigenhemmung Tics Rothenberger, 2003 VERLAUF GÖTTINGEN Altersabhängige Komorbiditätsprofile A B C D A, B, C, D = Wichtige entwicklungspsychopathologische Übergänge Leckman, 2002 GÖTTINGEN DIAGNOSTIK Multimodale Abklärung • Familienanamnese (z.B. Zwänge, Tics, ADHS, Depression) • Eigenanamnese (z.B. Trennungsängste, Zwanghaftigkeit) • Psychiatrische Exploration (inkl. Komorbiditäten) • Fragebogenerhebung Bei spezieller Indikation • Körperliche Untersuchung • Testpsychologische Untersuchung (z.B. IQ, LRS) • Labordiagnostik (z.B. EEG zum Ausschluss Epilepsie) GÖTTINGEN MULTIMODALE THERAPIE Behandlungsbausteine Psychoedukation: Aufklärung und Beratung • Störungsbild, Ursachen, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten Maßnahmen zur Störungsbewältigung • z.B. Selbstkontrolle, Stressreduktion, Selbsthilfegruppen • Soziales Kompetenztraining, Förderung der Kontakte zu Gleichaltrigen, Stärkung von Selbstwert und Selbstvertrauen Verhaltenstherapie Pharmakotherapie Psychosoziale Maßnahmen • z.B. schulische Platzierung, Jugendhilfe Therapie komorbider Störungen Nicht geeignet: tiefenpsychologische und systemische Psychotherapie GÖTTINGEN PHARMAKOTHERAPIE DER TICS Prinzipien Substanzwahl – In der Regel Monotherapie Dauer – In der Regel zunächst über 12 Monate Verlaufskontrollen – Alle 4-8 Wochen – Multiple Zielmerkmale – Wirksamkeit und Verträglichkeit Auslassversuche – Cave: mögliche Rebound-Effekte bei plötzlichem Absetzen SCHLUSSFOLGERUNGEN GÖTTINGEN Die Komorbidität von ADHS mit Tics – ist bei etwa 20% der Kinder mit ADHS zu beobachten. – wird hinsichtlich der Beeinträchtigung stärker von ADHS bestimmt. – hat schwerpunktmäßig eine organische Ätiologie. – zeigt eine frühere Rückbildung der Tics als des ADHS. – kann medikamentös und verhaltenstherapeutisch behandelt werden. – stellt höhere Anforderungen an Diagnostik und Therapie. GÖTTINGEN Website über das Tourette-Syndrom mit weiteren Artikeln von Prof. A. Rothenberger: www.tourette.de www.tourette.ch