Konzeptstruktur der Ästhetik Katrin Anagu, Katharina Berthold, Claudia Birkigt, Andrea Fischer, Kristin Fischer, Jörg Fleischer, Annegret Gose, Claudia Harder, Julia Hillebrand, Eleanor Horn, Marie Janiszewski, Susanne Mating, Nadine Pekrul, Carolin Peterhänsel, Katharina Pluta, Christina Schneider, Suzanne Schorsch, Juliane Stopfer, Patricia Wohlfahrt, Thomas Jacobsen Institut für Psychologie I, Universität Leipzig Einleitung Bereits in der Entstehungszeit der Psychologie spielte die Ästhetik in der Forschung eine entscheidende Rolle. Bekannte Wissenschaftler, darunter auch Fechner, haben versucht ästhetisches Empfinden ganzheitlich zu erklären. Als wichtige historische Theorien wären zu nennen: Der Goldene Schnitt, Kandinskys Fragebogen und die verschiedenen gestaltpsychologischen Ansätze. Eine modernere Studie “The primacy of beauty in judging the aesthetics of objects” (Jacobsen, Buchta, Köhler und Schröger; 2004) untersuchte die Ästhetik von Objekten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Adjektive “schön” und “hässlich”, die am häufigsten assoziierten Wörter sind. Bisher blieb allerdings die Frage offen, inwieweit sich Unterschiede im ästhetischen Empfinden in verschiedenen Bereichen manifestieren. Im Rahmen des Empiriepraktikums hat sich das vierte Fachsemester Psychologie der Universität Leipzig daher mit Konzeptstrukturen der Ästhetik verschiedener Themenbereiche (Gerüche, Stimmen, Gesichter, Kleidung, Bewegung, Landschaften, Theater, Architektur, Musik) beschäftigt. Als Basis diente die Studie von Jacobsen, Buchta, Köhler und Schröger (2004). Dabei rückt das unterschiedliche ästhetische Empfinden von Laien und Experten in den Vordergrund. Darüberhinaus ist interessant, wie sich die einzelnen Themenbereiche voneinander unterscheiden. Methode Stichprobe Die Gesamtstichprobe umfasste 3360 Personen, von denen 1971 weiblich und 1387 männlich waren (2 Personen machten keine Angabe bezüglich des Geschlechts). Der Altersdurchschnitt lag bei 23,33 Jahren. Die Anzahl der Experten betrug 936 , die Laienstichprobe umfasste 2424 Personen. Bei den Experten handelte es sich um Personen, die sowohl über fundiertes theoretisches Wissen als auch über praktische Erfahrung auf dem jeweiligen Fachgebiet verfügen. Für die Erhebung der Laienstichprobe wurden Studierende anderer Fachrichtungen befragt, die über keinerlei spezifisches Wissen auf dem jeweiligen Gebiet verfügen. Fragebogen Zur Datenerhebung wurde ein zweiseitiger Fragebogen entwickelt. Auf der einen Seite sollten Angaben zur eigenen Person eingetragen werden: Alter, Geschlecht, Studienfach, Fachsemester, ob abgeschlossene Berufsausbildung vorliegt (ja/nein), wenn ja, welche Berufsausbildung, Frage nach Kenntnissen auf dem jeweiligen Fachgebiet, Selbsteinschätzung über Expertenstatus (ja/ nein) und wenn ja, Begründung der Einschätzung. Auf der anderen Seite befand sich lediglich auf der oberen Hälfte des Blattes ein leerer Kasten. In diesen Kasten sollten alle Adjektive eingetragen werden, die den ProbandInnen zur Beschreibung der Ästhetik des jeweiligen Themengebietes einfallen. Die Blätter wurden in der Mitte gefaltet, zusammengeklappt und verschlossen, so dass außen nur das Kästchen sichtbar war. Durchführung Den Versuchspersonen wurden diese geschlossenen Fragebögen überreicht. Instruktion: “Bitte schreiben sie Wörter auf, die man zur Beschreibung der Ästhetik der/ des … verwenden kann. Bitte benutzen sie nur Adjektive (Eigenschaftswörter). Sie haben ab jetzt 2 Minuten Zeit.” Nach den zwei Minuten, wurden die ProbandInnen dazu aufgefordert, den Fragebogen zu öffnen und den zweiten Teil, der sich auf Angaben zur Person bezog, auszufüllen. Ergebnisse In jeder einzelnen Teilgruppe wurden die Daten von Experten und Laien über einen Chi2-Test auf Effekte geprüft. Für die Gesamtauswertung wurden die jeweils in den Teilund Untergruppen häufigst genannten Adjektive (Top 3) gegenüber gestellt, woraus man die Unterschiede erkennen kann. Auf eine Chi2- Prüfung in der Gesamtstichprobe wurde zu diesem Zeitpunkt verzichtet. Die Skalierung der Diagramme wurde aufgrund besserer visueller Vergleichbarkeit standardisiert auf von 5% bis 100% der Nennungen. Das erste Diagramm stellt die häufigsten Nennungen der Laien dar, während das zweite die jeweiligen Antworten der Expertengruppe veranschaulicht. Laien Chi²: 107,171 (25), p<.01 242,005 (33), p<.01 55,373 (13), p<.01 46,204 (26), p<.01 106,584 (19), p<.01 256,035 (17), p<.01 3,090 (4), p=0,543>.01 175,775 (15), p<.01 256,035 (17), p<.01 Experten Diskussion Diese Erhebungen ergänzen die Ergebnisse der Studie “The Primacy of Beauty in Judging the Aesthetics of Objects” von Jacobsen et al. (2004). Auch hier wurde das Adjektiv “schön” am häufigsten zur Beschreibung der Ästhetik diverser Bereiche genannt. Jedoch gab es sowohl Ausnahmen (1) als auch signifikante Unterschiede zwischen Laienund Expertenstichproben (2): (1) So war die Anzahl der Nennungen von “schön” bei dem Gebiet “Gerüche” nicht unter den drei Häufigsten. Eine mögliche Erklärung wäre, dass dieser Bereich eine andere kognitive Repräsentation von Ästhetik als die restlichen untersuchten Bereiche aufweist. (2) Überraschend ist die Tatsache, dass sich ein signifikanter Unterschied (Chi²-Test) in den Adjektivnennungen bei allen Gruppen, außer bei “Theater”, zwischen Laien und Experten zeigte. Darüber hinaus hatten die Experten in den Gruppen “Musik”, “Bewegung” und “Stimmen” eine deutlich höhere Präferenz des Adjektivs “schön” als die Laien, wobei angenommen wurde, dass die Experten eine differenziertere Beschreibung ihres Gegenstandes vornehmen. Nicht außer Acht zu lassen ist, dass es Unterschiede im Grad des Expertentums sowohl innerhalb als auch zwischen den Gruppen gab, was Einfluss auf die Ergebnisse haben könnte. Ebenso gibt es einen Altersunterschied zwischen Laien und Experten in einigen Bereichen. Weiterführend wäre es interessant festzustellen, in welcher Reihenfolge die Adjektive genannt werden. Dies könnte Aufschluss darüber geben, an welcher Stelle der Hierarchie im kognitiven Netzwerk sich das Adjektiv befindet und von welchem Knoten weitere Assoziationen ausgehen. Referenz Thomas Jacobsen et al., “Psychological Reports”, 2004, 94, 1253 – 1260 Printed at the Universitätsrechenzentrum Leipzig