Ästhetik - Teil 1 - Definitionen - Begriffserklärungen Offene Fragen

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Ästhetik
- Teil 1 Definitionen - Begriffserklärungen
Offene Fragen
Definitionen
Ästhetik
[griechisch »Wahrnehmung«] die, Wissenschaft, die im weiteren Sinn allgemeine Probleme der Kunst
(Kunst-, Literatur-, Musiktheorie), im engeren Sinn Grundkategorien sinnlicher Erfahrung (das Schöne,
Erhabene, Hässliche, Tragische, Komische usw.) behandelt.
(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001
Ästhetik heißt die Wissenschaft vom Ästhetischen, von dem, was unmittelbar und beziehungslos, um
seiner selbst willen (uninteressiert), in der anschaulichen Erfassung, gefällt; ästhetisch (schön) ist, was
den Willen zum Schauen, zur lebendigen, anschaulichen, dem Ich angemessenen, einheitlichen
Zusammenfassung einer Mannigfaltigkeit von Inhalten befriedigt, was die Seele zur wohlgeordneten
Anwendung aller ihrer Grundfunktionen anregt.
Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe; Quelle: www.textlog.de
Der Begriff „Ästhetik“ stammt von dem deutschen Philosophen Alexander
Baumgarten (1714 - 1762), der sich in dem zweibändigen, unvollendeten Werk
„Aesthetica“ (1750-58) intensiv mit Fragen von Schönheit und sinnlicher
Wahrnehmung beschäftigt und versucht, hierfür eine systematische, theoretische
Basis zu erarbeiten. Der Begriff ist abgeleitet vom griechischen „aísthesis“ für
„Wahrnehmung“. Baumgarten versteht unter Ästhetik die „Wissenschaft der
sinnlichen Erkenntnis“ und begründet damit die philosophische Teildisziplin der
Ästhetik im Sinne der Wahrnehmung des Schönen, Vollkommenen, Erhabenen.
Philosophische Reflexionen über das Wesen „des Schönen“ reichen weit zurück in
die Antike und Überlieferungen beginnen mit Heraklit, der die Schönheit in der zu
harmonischer Einheit zusammengefassten Mannigfaltigkeit sieht. Polyklet sieht
Schönheit in einem geordneten Formverhältnis nach Maß und Zahl. Platon
unterscheidet in idealisierender Weise zwischen der Idee des eigentlich Schönen,
das sich im göttlich Schönen und in der absoluten Wahrheit manifestiere und dem
einzelnen Schönen, das nur ein Abbild der Idee des eigentlich Schönen sei. Einen
pragmatischeren Ansatz wählt Aristoteles, wenn er Schönheit in Symmetrie und
Geordnetheit findet.
In der Renaissance wird die antike Philosophie wieder aufgenommen und man sucht
das Schöne im Göttlichen und Sittlichen und versucht daraus ein Lebensideal zu
entwickeln. In der Bildenden Kunst besinnt man sich auf die antike Proportionslehre.
In einer modifizierenden Weiterentwicklung der Kunstphilosophie Alexander
Baumgartens bezeichnet Immanuel Kant das Schöne als das, was „ohne Interesse
gefällt“, wobei die Subjektivität des „interesselosen Wohlgefallens“ durchaus einen
gewissen Anspruch auf Verallgemeinerung habe.
Für Goethe ist Schönheit die Gesetzlichkeit in der Natur und die Vollkommenheit des
Lebendigen, während Schiller das Schöne als in Spiel erfolgende Vereinigung von
niederem Stofftrieb und höherem Formtrieb betrachtet. Hegel betrachtet das Schöne
als das „sinnliche Scheinen der Idee“ und in der Romantik schließlich wird dem
Schönen der Rang „absoluter Kunst“ und „ewiger Ideen“ zugewiesen.
Diese traditionelle Philosophie der Ästhetik, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts
vorherrschte, setzt universelle und zeitlose deskriptive und normative Kriterien,
sozusagen einen objektivierbaren Katalog von Wesensmerkmalen voraus, anhand
derer eine objektive Bewertung von Kunstwerken vorgenommen werden könne.
Diese normativ wertende Bedeutung des Begriffs hat sich bis heute z.B. im
deutschen Sprachgebrauch in der adjektivischen Verwendung „ästhetisch“ erhalten,
womit meist ausgedrückt und verstanden wird, dass ein Kunstwerk, welcher Gattung
auch immer, hervorragend vergeistigt schön sei, also die unsichtbar dahinter
liegende Idee sinnlich erfahrbar macht.
Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird unter „aesthetics“ heute noch die
Wissenschaft von der Schönheit (Concept of Beauty) in der Kunst, bzw. ein
Kriterienkatalog zur Beurteilung von Kunst und Schönheit verstanden.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich immer mehr die Einsicht durch, dass die
Ursprungsbedeutung des griechischen Wortes „aisthesis“, nämlich Wahrnehmung
mehr beinhaltet als die verengende Sicht auf Ästhetik als die Lehre vom Schönen
und Erhabenen. Hieraus ergibt sich eine gründliche Wandlung im Ansatz und es
rücken Fragestellungen der Wahrnehmungspsychologie in den Mittelpunkt. Ästhetik
unterteilt oder forscht hier nicht mehr nach Kategorien wie „schön“ und „hässlich“,
sondern es stehen Fragen allgemeiner Wahrnehmung im Zentrum.
Neueste Ansätze in der Kunstphilosophie versuchen zu ergründen, inwieweit es
gelingen kann, den Begriff der normativen Ästhetik als Maßstab des Schönen mit
dem Begriff der Ästhetik als Gegenstand der Wahrnehmungspsychologie zu
verbinden. Dies muss und wird eine Aufgabe interdisziplinärer Forschung sein unter
Einbeziehung der Naturwissenschaften.
Offene Fragen
Festzuhalten ist, dass die Kunstphilosophie der traditionellen Ästhetik bis heute den
Nachweis schuldig geblieben ist, dass ein von ihr selbst gefordertes
allgemeingültiges Konzept von Kunst, ein universell gültiger Katalog von messbaren
Kriterien „Was ist Kunst?“ definierbar wäre. Mir persönlich scheint, dass die unnötig
aufgeblähte und allzu häufig unverständliche Sprache der Kunstphilosophie oftmals
zu nichts anderem dient, als den Diskurs in kleinem Zirkel im Elfenbeinturm zu halten
und die Tatsache der Erfolglosigkeit nach außen hin zu verschleiern.
Dieses Versagen der Kunstphilosophie hat ihr selbst am meisten geschadet und
zumindest in den USA und Großbritannien, aber auch im kontinentalen Europa
genießt die Ästhetik als Teilgebiet der Philosophie gegenwärtig leider geringes
Ansehen und ruft häufig mitleidiges Lächeln hervor, was der Bedeutung von Ästhetik
im Sinne Baumgartens sicherlich nicht annähernd gerecht wird. Wenn Ästhetik im
ursprünglichen Sinne Baumgartens die „Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis“ ist,
so besitzt diese heute in unserem Medienzeitalter eine Schlüsselrolle auf allen
Ebenen der Kommunikation und ist daher aktueller, interessanter und wichtiger als je
zuvor. Wir sollten endlich den Mut haben, uns von der verfälschenden und
lähmenden Interpretation von Ästhetik als der Lehre des Schönen und Erhabenen zu
lösen und anzuerkennen, dass die sinnliche Erkenntnis aus der Wahrnehmung eines
Alltagsgegenstandes genauso Gegenstand der Ästhetik ist und sich nur graduell
unterscheidet von der sinnlichen Erkenntnis, die wir aus der Wahrnehmung
großartiger Werke der Kunst, Musik oder Literatur gewinnen. Es wird sicherlich
Gegenstand der Biowissenschaften sein müssen, zu erforschen, welchen Anteil
evolutionär erworbene genetische Merkmale unserer Wahrnehmung daran haben,
uns ein Kunstwerkes als besonders „schön“ empfinden lassen und in uns das
Glücksgefühl auslösen, das mit der Empfindung „schön“ verbunden ist.
Hieraus soll natürlich zunächst keineswegs folgen, dass wir kopflos künstlerische
Wertmaßstäbe und Bewertungsmaßstäbe über Bord werfen sollen, aber der verengte
Blick auf Ästhetik als Forschungsfeld nur im Bereich elitärer, wenngleich wertvoller
Kunst, verstellt nach meiner Überzeugung den Weg zu pragmatischen Ansätzen und
zu zielführenden Fragestellungen.
Mir scheint, dass eine nur philosophisch geführte Diskussion unter Außerachtlassung
der Erkenntnisse der Evolutionsbiologie, der Psychologie und der modernen
Kommunikationswissenschaften dem Anspruch nicht gerecht werden kann, das
Phänomen „sinnliche Erkenntnis“ ganzheitlich zu verstehen und zu erklären und, wo
immer dies möglich sein sollte, gewonnene Einsichten fruchtbar umzusetzen.
Genau an dieser Stelle, bei der praktischen Anwendung gewonnener Erkenntnisse,
befinden wir uns auf der uns vertrauten Ebene des Vermittelns und Begleitens beim
Lernen an und mit Gestaltungsaufgaben im weitesten Sinne.
Ausblick auf die Fragestellungen für Teil 2:
•
Wie können wir uns, mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg, an ein
zielführendes Verständnis des Begriffes „Ästhetik“ annähern?
•
Welches sind die „richtigen“, die weiterführenden Fragen?
Quellen:
Der Brockhaus
Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe:
http://www.textlog.de/1362.html
Wikipedia – Die freie Enzyklopädie
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84sthetik
Christoph Menke: Wozu Ästhetik?
http://www.information-philosophie.de/philosophie/aestethik03.html
Kunst und Kunstbegriff, Hg. Roland Bluhm/Reinold Schmücker
Dieser Beitrag für das Forum Gestaltung und Medien am Landesinstitut für
Schulentwicklung (Berufliche Schulen) in Baden-Württemberg wurde verfasst von
Matthias Thomsen, © Februar 2006.
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