Medizinische Informatik 2. Daten-Information-Wissen Wintersemester 2010/11 Dozent: Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Schulz Wo entstehen medizinische Daten? Was sind die Datenträger? Wer produziert die Daten? In welchem Format liegen die Daten vor? Entlassung Station Therapie Diagnostik OP / Intensivbehandlung Aufnahme Datenentstehung bei Patientenaufnahme (I) • Demographische Daten: Name, Adresse, Geburtsdatum, Hausarzt, Versicherungsnummer • Datenträger: eCard • Formate: Text, Datum, Codes (z.B. Versicherungsnummer) • Alternativ: Eingabe durch Verwaltungskraft Datenentstehung bei Patientenaufnahme (II) • • • • Überweisungsformular vom Hausarzt Datenträger: Papier Datentyp: Text Alternativ: Online-Überweiserportale an manchen Großklinika • Anamnese und Befund bei Aufnahme: meist noch handschriftlich Datenentstehung bei der Diagnostik: Labor • Laborautomaten: generieren meist numerische Daten, die in das Klinikinformationssystem eingespeist werden • Alternativ: Ausdruck auf Papier Datenentstehung bei der Diagnostik: bildgebende Verfahren • mittlerweile meist voll digitalisiert. Produzieren Datensätze in spezifischem Format (DICOM) für (unstrukturierte) Bildund (strukturierte) Meta-Daten • Befundende Ärzte erzeugen Befundberichte, die im Abteilungssystem gespeichert werden • Alternativ: Röntgenbilder auf Film, Sonographie-Ausdrucke, Befunde ausgedruckt oder handschriftlich auf Papier Datenentstehung bei der Therapie • Therapie auf Station, z.B. Medikamentengabe, Physiotherapie, Diät, Pflegemaßnahmen: Eintrag in „Patientenkurve“ und Pflegedokumentation, meist noch handschriftlich • Operationen: strukturierte Erfassung von Eckdaten (OP-Zeit), Erfassung von Materialien, Erstellung eines OP-Berichts – meist diktiert und im Abteilungs-System als Text gespeichert Datenentstehung bei der Entlassung • Entlass-Diagnosen und –Prozeduren: Codierte Information (z.B. ICD-10), in Klinikinformationssystem • Erstellung eines Arztbriefs – meist diktiert und im Abteilungs-System als Text gespeichert und als Brief (Papier) der einweisenden Praxis / Klinik zugestellt Datenentstehung bei der Weiterbehandlung • Dokumentation im Praxisinformationssystem • Datenproduktion durch den Patienten selbst: z.B: häusliche Messung von Blutdruck, Blutzucker, Patientenprotokolle • Datenproduktion im häuslichen Umfeld, z.B. durch Bewegungs- und andere Sensoren bei pflegebedürftigen Patienten • Dokumentation der Pflegemaßnahmen Daten und Information (I) Diff. BB: Deutliche Monozytose ,sonst o.B. Daten und Information (II) Ruhe-EKG altersentsprechend unauffällig Daten und Information (III) Dünndarmileus Maß für Daten • 1 bit (binary digit): binäre Einheit („1“/„0“; „an“/aus“) • 1 Byte: 8bit (10011101). Was kann mit einem Byte kodiert werden? • 1 Kilobyte (kB) = 210 Byte = 1024 Byte • 1 Megabyte (MB) = 1024 kB • 1 Gigabyte (GB) = 1024 MB • 1 Terabyte (TB) = 1024 GB • 1 Petabyte (PB) = 1024 TB • 1 Exabyte (EB) = 1024 PB Daten = Information? Erzeugung von Information • Aus Daten wird Information erzeugt durch ihre Interpretation in einem Bedeutungszusammenhang • Informationsmenge << Datenmenge – Datenaustausch zwischen Systemen erfordert hohe Bandbreite – Informationsaustausch zwischen Systemen erfordert geringe Bandbreite • Information ist eine Eigenschaft von Nachrichten Maß für Information • Informationsgehalt proportional zur – Reduktion von Ungewissheit – ja / nein - Fragen, die durch sie beantwortet werden (gewichtet durch a-priori Wahrscheinlichkeiten) • Beispiel: Zeichenkette in deutschem Text: „es“ hat geringeren Informationsgehalt als „yq“ • Begriff der Entropie in der Informationstheorie: Maß für den mittleren Informationsgehalt pro Informationseinheit: Information = beseitigte Unsicherheit • Vertiefung: http://www.techfak.unikiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_5/advanced/t5_3_2.h tml Maschinelles und menschliches Maß • Datenmengen im Krankenhaus wachsen nach wie vor exponentiell Neben digitaler Radiologie zunehmend digitale Pathologie und andere bild- und biosignalgebende Verfahren. • Beispiel PACS-Systeme: 1992: 500 Gigabyte pro Jahr 4.400.000.000.000 Bit 2008: 1 Petabyte 9 000 000 000 000 000 Bit • Informationen durch Menschen nur in beschränkter Bandbreite zu verarbeiten • Medizinische Entscheider benötigen Information – zum geeigneten Zeitpunkt, am notwendigen Ort – in der geeigneten Form, d.h. in einer angemessenen Abstraktionsstufe (z.B. Hausarzt muss nicht den OP-Bericht lesen) Informationsaustausch ohne kognitive Überlastung Stufenweise Abstraktion von Information Operationsbericht Welche Beteiligten brauchen wann welche Information in welcher Granularität, um weder kognitiv überfordert noch unterinformiert zu sein? ICD-10: OPS: C25.0 5-524.1 Makroskopie: "Resektat nach Whipple": Ein noch nicht eröffnetes Resektat, bestehend aus Histologisches Gutachten einem distalen Magen mit einer kleinen Kurvaturlänge von 9,5 cm und einer großen Kurvaturlänge von"Resektat 13,5 cm, nach soweiWhipple": einem duodenalen von 14 cmResektat, Länge. 2bestehend cm aboralaus Makroskopie: Ein noch Anteil nicht eröffnetes des einem Pylorus zeigt die Dünndarmwandung eine sanduhrartige Stenose. sowohl des distalen Magen mit einer kleinen Kurvaturlänge von 9,5 cmIm undLumen einer großen Magens als auch des reichlich zähflüssiger sangoinolent; die 2 cm aboral Kurvaturlänge vonDuodenums 13,5 cm, sowei einem duodenalenSchleim, Anteil von 14 cm Länge. Schleimhaut ist zeigt insgesamt livide. Anhängendeine ein 7,5 x 4 x 1,5 cm großes Im Lumen sowohl des des Pylorus die Dünndarmwandung sanduhrartige Stenose. Pankreaskopfsegment sowie ein 4 cmreichlich langer derber und bis Schleim, 2,5 cm durchmessender knotiger Magens als auch des Duodenums zähflüssiger sangoinolent; die Gewebsstrang, seinem Ende Fadenmarkierung auf lamellierenden Schleimhautder ist an insgesamt livide.eine Anhängend ein 7,5 x aufweist. 4 x 1,5 cmHier großes Schnitten zähfestes weißliches, konfiguriertes Gewebe, ohne das Pankreaskopfsegment sowieteilweise ein 4 cm nodulär langer derber und bis 2,5 cm durchmessender knotiger Gallengänge manifest werden. Der distale Anteil des Ductus pankreaticus ist auf leicht erweitert Gewebsstrang, der an seinem Ende eine Fadenmarkierung aufweist. Hier lamellierenden undSchnitten von der Papilla vateri aus 4,5 cm weit sondierbar, wobei er hierGewebe, in einer ohne das zähfestes weißliches, teilweise nodulär konfiguriertes peripankreatischen Narbenzone abbricht. Die Mündung Gallenganges Gallengänge manifest werden. Der distale Anteil deseines Ductus pankreaticusläßt ist sich leicht erweitert makroskopisch abgrenzen. Stenose imwobei Duodenum 2,5 cm oral der und von der nicht Papilla vateri ausDie 4,5berichtete cm weit sondierbar, er hierliegt in einer Papilla vateri und stehtNarbenzone mit der beschriebenen Narbenzone direktem Zusammenhang. peripankreatischen abbricht. Die Mündungin eines Gallenganges läßt sich Teilweise ist die Dünndarmschleimhaut im Stenosebereich polypoid vorgewölbt. makroskopisch nicht abgrenzen. Die berichtete Stenose im Duodenum liegt 2,5Der cm oral der kleinen Kurvatur anhängend einder bisbeschriebenen 4 cm durchmessendes Fettgewebe. Darin einzelne Papilla vateri und steht mit Narbenzone in direktem Zusammenhang. knotige Indurationen von bis zu 1 cm größe.im 1. Stenosebereich Oraler Resektionsrand Magenkorpus. 2. Teilweise ist die Dünndarmschleimhaut polypoid vorgewölbt. Der Magenantrum. 3. Bulbus duodeni. Stenosezone mit angrenzendem Pankreas und kleinen Kurvatur anhängend ein4.bis 4 cm durchmessendes Fettgewebe. Darin einzelne tuschemarkierten äußerenvon Resektionsrändern und1.einem 5. Magenkorpus. Papilla vateri -2. knotige Indurationen bis zu 1 cm größe. OralerLymphknoten. Resektionsrand Mündung des Ductus pankreaticus. 6. Distales Ende des Ductus pankreaticus im und Magenantrum. 3. Bulbus duodeni. 4. Stenosezone mit angrenzendem Pankreas Narbengebiet. 7. Intraparenchymaler Absetzungsrand Pankreas. 8. Peripankreatisches tuschemarkierten äußeren Resektionsrändern und einem Lymphknoten. 5. Papilla vateri Gewebe. 9. bisdes 12.Ductus Fadenmarkierter Fortsatz an derEnde Arteria communis von Mündung pankreaticus. 6. Distales deshepatica Ductus pankreaticus im Narbengebiet. 7. Intraparenchymaler Absetzungsrand Pankreas. 8. Peripankreatisches Gewebe. 9. bis 12. Fadenmarkierter Fortsatz an der Arteria hepatica communis von nach Duodenopankreatektomie Pankreaskopfkarzinom, Tumorstadium pT2,pN1,Mx. Informationsflüsse patientenbezogene Information Aggregation Hypothesengenerierung Medizinische Forschung Hypothesenvalidierung populationsbezogene Information Hypothesengenerierung Erzeugung wissenschaftlicher Evidenz Informationsflüsse patientenbezogene Information Aggregation Hypothesengenerierung Medizinische Forschung Hypothesenvalidierung populationsbezogene Information Hypothesengenerierung Erzeugung wissenschaftlicher Evidenz Informationsflüsse patientenbezogene Information Aggregation Hypothesengenerierung Medizinische Forschung Hypothesenvalidierung populationsbezogene Information Hypothesengenerierung Erzeugung wissenschaftlicher Evidenz kanonisches Wissen Was ist kanonisches Wissen? • in einem Kontext als gültig angenommene wahre, gerechtfertigte, verlässliche Meinung „Aspirin wirkt gegen Kopfschmerz“ „Ein Mensch hat normalerweise 32 Zähne“ • Kanonisches Wissen in der Medizin ist das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung • Zu dem Begriff des Wissens s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Wissen http://pantheon.yale.edu/~kd47/What-IsEpistemology.htm (nicht prüfungsrelevant) Informationsflüsse patientenbezogene Information Aggregation Hypothesengenerierung Medizinische Forschung Hypothesenvalidierung Klinische Entscheidungsunterstützung populationsbezogene Information Hypothesengenerierung Erzeugung wissenschaftlicher Evidenz Entscheidungsunterstützung Public Health kanonisches Wissen Zusammenführung von Information aus unterschiedlichen Quellen Unterstützung der Interpretation von Daten zur Erzeugung von Information Informationsflüsse patientenbezogene Information Aggregation Interoperabilität von Information und HypothesenWissen durch generierung Medizinische semantische und Zeit- und ortsgerechte Bereitstellung von Information in benutzeradäquatem Abstraktionsgrad populationsbezogene Information Hypothesengenerierung Forschung terminologische HypothesenStandards validierung Unterstützung der Generierung Erzeugung wissenschaftlicher wissenschaftlicher Hypothesen Evidenz Klinische Entscheidungsunterstützung kanonisches Wissen Automatisierte Entscheidungsunterstützung Entscheidungsunterstützung Public Health Wissensmanagement Testfrage • Welche Aussage ist falsch? – Populationsbezogene Information entsteht aus der Aggregation von Information über Einzelpersonen – Kanonisches Wissen in der Medizin kann direkt aus Einzelbeobachtungen gewonnen werden – Aus populationsbezogener Information lassen sich wissenschaftliche Hypothesen ableiten – Zur Hypothesenvalidierung können nicht dieselben Daten wie zur Hypothesengenerierung verwendet werden.