Psychische Auffälligkeiten – eine Herausforderung für die Schule Aggression und Autoaggression S. Springer, M. Noterdaeme Heckscher-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Bezirks Oberbayern, München Schulberatung 2006 Themen • • Struktur der Heckscher-Klinik Multiaxiale psychiatrische Diagnostik • Leitsymptom Aggression und Autoaggression • • • • Störungen des Sozialverhaltens Depression Suizidalität ADHS, Autismus • • Videobeispiele Fazit Kinder- und Jugendpsychiatrie 2 Heckscher-Klinik Kinder- und Jugendpsychiatrie 3 Heckscher-Klinik • • • • • • Notfallambulanz Regelambulanzen Mobile Dienste Tageskliniken Stationen Wohngruppe Kinder- und Jugendpsychiatrie 4 Heckscher-Klinik Notfallambulanz Erreichbarkeit • Tag und Nacht: 089 – 9999-0 • Arzt als Ansprechpartner Aufnahmegründe • Selbstgefährdung/ Suizidalität • Fremdgefährdung • akute Psychosen • Misshandlung/ Missbrauch • ... Kinder- und Jugendpsychiatrie 5 Heckscher-Klinik Regel-Ambulanzen Erreichbarkeit • Sekretariat 089 – 9999-1154 (8.30-16.30 Uhr) • Wartezeiten ja nach Dringlichkeit Ambulanzen • Allgemeinambulanz München • Spezialambulanz Entwicklungsstörungen München • Spezialambulanz Suchterkrankungen • Ambulanzen der Außenstellen: Rosenheim, Wolfratshausen, Waldkraiburg Kinder- und Jugendpsychiatrie 6 Heckscher-Klinik Mobile Dienste Mobiler Dienst für Behinderteneinrichtungen • aufsuchender mobiler Dienst durch Ärztin Mobiler Dienst Autismus • aufsuchender mobiler Dienst durch Sonderpädagogen Kinder- und Jugendpsychiatrie 7 Heckscher-Klinik Tageskliniken Struktur • 54 Plätze in München u. Rosenheim • je 8-10 Kinder pro Tagesklinik-Gruppe • Inhalt: Familienarbeit + Heilpädagogik + multimodale Therapie + Klinikschule + Übungsbehandlungen (Sprache, LRS) Kinder- und Jugendpsychiatrie 8 Heckscher-Klinik Stationen Struktur • 123 vollstationäre Plätze • Standorte: München (54), Rosenheim (27), Rottmannshöhe (42) • 2 geschlossene Stationen (18 Plätze) • Aufnahme über Notfall- oder Regelambulanz Kinder- und Jugendpsychiatrie 9 Heckscher-Klinik Kontakt München 089 – 9999-0 Rosenheim 08031 – 3044-0 Rottmannshöhe 08151 – 507-0 Wolfratshausen 08171 – 4181-0 Kinder- und Jugendpsychiatrie Waldkraiburg 08638 – 9841-0 10 Diagnostik Grundidee multifaktorielle Genese von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen Ziele umfassende diagnostische Einschätzung individuelle umfassende therapeutische Hilfen Kinder- und Jugendpsychiatrie 11 Diagnostik • • • Theorie Methodik Ziele Kinder- und Jugendpsychiatrie 12 Diagnostik Theorie Individuum • angeborene Faktoren (mütterlich und genetisch definiert) • konstitutionelle Faktoren (IQ, Somatik, Psyche) • individuelle Faktoren (Bewältigungsstrategien, Bindungsverhalten, soziales Kontaktverhalten) Umwelt • Lebensereignisse, Beziehungserfahrungen, Eltern und soziale Lebensbedingungen Kinder- und Jugendpsychiatrie 13 Diagnostik Multiaxiale Diagnostik Achsen Achse I Achse II Achse III Achse IV Achse V Achse VI Kinder- und Jugendpsychiatrie psychiatrisches Syndrom Teilleistungsstörungen Intelligenzniveau körperliche Erkrankungen abnorme psychosoziale Umstände psychosoziale Beeinträchtigung 14 Diagnostik Versorgungsempfehlungen (am Beispiel von 177 Patienten mit neurol. Begleiterkrankungen) FU Schulempfehlung 7,80% 8,40% EB/ AEH/ JA 29,90% HP-Maßnahmen 29,90% Übungsbehandlung KJP stationär 18,10% 7,80% KJP ambulant 14,90% 22,10% Psychotherapie keine Empfehlung Kinder- und Jugendpsychiatrie 5,80% 15 Leitsymptom Aggression • Ursachen – psychiatrische Erkrankung – Überforderung bei kognitiver Störung oder TLS – ungünstige psychosoziale Bedingungen ... multifaktorielle Ursachen erfordern multiaxiale Diagnostik Kinder- und Jugendpsychiatrie 16 Leitsymptom Aggression • Psychiatrische Erkrankungen – – – – – Störungen des Sozialverhaltens Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen organische Psychosyndrome Substanzmissbrauch Autismus und geistige Behinderung Kinder- und Jugendpsychiatrie 17 Leitsymptom Autoaggression • Ursachen/ psychiatrische Erkrankungen – – – – Suizidalität emotionale Störungen/ Depression organische Psychosyndrome Autismus und geistige Behinderung Kinder- und Jugendpsychiatrie 18 Störung des Sozialverhaltens Definitionen über mindestens 6 Monate Verhalten nicht alterkonform • • • • auf den familiären Rahmen beschränkt mit sozialen Bindungen ohne soziale Bindungen kombiniert mit emotionaler Störung • Prävalenz 1,5-3,5 % Kinder- und Jugendpsychiatrie 19 Störung des Sozialverhaltens Modell destruktiv verdeckt offen nicht-destruktiv Kinder- und Jugendpsychiatrie 20 Störung des Sozialverhaltens Modell Eigentumsverletzung destruktiv verdeckt Normverletzung Kinder- und Jugendpsychiatrie Aggression offen nicht-destruktiv oppositionell 21 Störung des Sozialverhaltens Modell Eigentumsverletzung Stehlen Zerstören Brandstiftung destruktiv Schlägerei Hänseln Grausamkeit verdeckt Regelverstöße Schwänzen Drogen Normverletzung Kinder- und Jugendpsychiatrie Aggression offen Widersprechen Aufsässigkeit Verweigerung nicht-destruktiv oppositionell 22 Störung des Sozialverhaltens Entwicklungsmodell schwieriges Temperament Hyperaktivität oppositionell-aufsässig, aggressiv defizitäre Sozialbezeihungen Lernstörungen verdeckte Sozialverhaltensstörungen Gruppe dissozialer Jugendlicher Delinquenz Kriminalität Kinder- und Jugendpsychiatrie Säugling Vorschule Schule Jugend Erwachsener 23 Störung des Sozialverhaltens Verlaufsformen • aggressiv-impulsiver Typ – – – – – – – früher Beginn häufig Jungen häufiger biologische und soziale Risikofaktoren häufig Hyperaktivität soziale Isolation häufig hohe Dissozialitätsrate niedrige Remissionsrate Kinder- und Jugendpsychiatrie 24 Störung des Sozialverhaltens Verlaufsformen • delinquenter Typ – – – – – späterer Beginn häufig Mädchen soziale Bindungen vorhanden aber Bindung in Gruppen Dissozialer bessere Prognose Kinder- und Jugendpsychiatrie 25 Störung des Sozialverhaltens Komorbidität • • • • • Emotionale Störungen Hyperkinetische Störungen Lernstörungen Drogen Psychosen --- Video-Beispiele Kinder- und Jugendpsychiatrie 26 Störung des Sozialverhaltens Behandlung • • • • • psychologisch-pädagogische Programme verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie Einzel- und Gruppentherapie (Sozialtraining) Milieutherapie/ Familienarbeit Sozialarbeit Kinder- und Jugendpsychiatrie 27 Depression Symptomatik je jünger, desto unspezifischer; erst seit 1980er als Diagnose anerkannt Komorbidität bei mehr als 50% Rezidivrisiko hoch; 40% nach 2 J.; 70% nach 5 J. Ursachen multifaktoriell: Genetik + Lebensereignisse + Somatik + Stoffwechsel Häufigkeit bis 5% (bis 18J.) Therapie nur 50% werden überhaupt behandelt Kinder- und Jugendpsychiatrie 28 Depression • Depression im Kindesalter – – – – – Depressive Stimmung • Weinen, Schreien, Reizbarkeit • Trennungsangst Antriebsprobleme • Apathie oder Überaktivität Körperliche Beschwerden • Appetitstörungen, Bauchweh, Kopfweh • Schlafstörungen • Einnässen, Einkoten Interessen- und Freudlosigkeit • Spielunlust, sozialer Rückzug Aufmerksamkeitsstörungen Kinder- und Jugendpsychiatrie 29 Depression • Depression im Jugendalter – – Kernsymptome • gedrückte Stimmung • Hoffnungslosigkeit • Antriebsverlust • körperliche Beschwerden • Suizidgedanken Begleitsymptome • niedriger Selbstwert • Probleme mit Gleichaltrigen • mangelhafte Konfliktbewältigung • Schulprobleme • Drogen Kinder- und Jugendpsychiatrie 30 Depression • Behandlung – Krisenintervention • bei Suizidalität (geschlossen stationär) – Psychopharmaka • bei schweren depressiven Episoden – Elternarbeit • Aufklärung, Stützung, Kotherapie – Einzel-/ Gruppentherapie • emotionale Ausdrucksfähigkeit • soziale Kompetenz • Interessen und Fähigkeiten Kinder- und Jugendpsychiatrie 31 Suizidalität Bedeutung(nach Kerns 1997) • • • 200 vollendete Suizide Jugendl./ Jahr in der BRD zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen nach 1. Versuch >25% Rezidivrisiko innerhalb 6 Mon. • • • Suizidversuch ca. 40x häufiger als Suizid Mädchen 2-3x häufiger betroffen am häufigsten Intoxikationen • Selbstverletzung und Depressivität oft assoziiert Kinder- und Jugendpsychiatrie 32 Suizidalität Definitionen • • Suizid Parasuizid - vollendeter Suizid - Suizidversuch • Ätiologie Ursachen: Hintergrundfaktoren (Familie, Traumata) + Auslöser (Konflikte mit Eltern, Gruppe, Schule) + Motiv (Hoffnungslosigkeit, Vorbild) Kinder- und Jugendpsychiatrie 33 Suizidalität Warnzeichen I(nach Kerns 1997) • • • • • • deutliche Verhaltensänderungen Vernachlässigung eigenen Aussehens sozialer Rückzug/ soziale Isolation Verschenken persönlicher Wertgegenstände starke Beschäftigung mit dem Thema Tod offene oder verhüllte Selbstmorddrohungen Kinder- und Jugendpsychiatrie 34 Suizidalität Warnzeichen II • • • • • • (nach Kerns 1997) vorangegangene Selbstmordversuche Auseinandersetzung mit Selbstmordmethoden/ Anschaffung von Hilfsmitteln übermäßiger Konsum von Alkohol und Drogen Schulversagen plötzlich inadäquat gehobene Stimmung häufige körperliche Beschwerden ohne med. Erklärung Kinder- und Jugendpsychiatrie 35 Suizidalität Warnzeichen Hinweise auf einen „ernsthaften“ Suizidversuch • • • • • Durchführung in Isolation Vorsorge gegen Entdeckung (Zeit, Ort) Vorbereitungen auf den Tod (Nachrichten, Planung) ausgeprägte Vorsätzlichkeit keine Information Dritter Kinder- und Jugendpsychiatrie 36 Suizidalität Prognosefaktoren ungünstige Faktoren sind: • • • • • • • • männlich frühere Suizidversuche assoziierte psychische Störungen instabiles familiäres Umfeld soziale Isolation schlechte Schulleistungen Substanzmissbrauch Depressivität Kinder- und Jugendpsychiatrie 37 Suizidalität Prognose • • • • • 25-50% Rezidivrisiko trotzdem meist gute Prognose 0,04-0,2% aller Jugendl. verüben vollendete Suizide Prognose abhängig von Begleiterkrankungen 30-50% der Fälle mit psychischen Begleiterkrankungen Kinder- und Jugendpsychiatrie 38 ADHS Begriffe HKS, ADHS, ADH, ADS Kernsymptome Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Impulsivität Kinder- und Jugendpsychiatrie 39 ADHS Symptomatik Kind Jugend Erwachsene - motorische Unruhe - Unruhe und Impulsivität - Aufmerksamkeit Komorbidität Verstärkung durch häufige Komorbidität (Sozialverhalten, Tic, Angst, Depression, IQ, Teilleistungen) Dauer 50% bis zur Pubertät; 30% bis Erw. Ursachen multifaktoriell: genetisch + Somatik + Stoffwechsel Häufigkeit bis 5% Kinder- und Jugendpsychiatrie 40 ADHS Kernsymptome • Unaufmerksamkeit – – – • Hyperaktivität – – • Ablenkbarkeit Flüchtigkeitsfehler Nichtzuhören Zappeln, Herumlaufen, Aufstehen Feinmotorik Impulsivität – – – – vorzeitiges Antworten Unterbrechen Stören viel Reden Kinder- und Jugendpsychiatrie 41 Autismus Häufigkeit frühkindlicher Autismus Asperger-Autismus 4/1000 4-6/1000 Problem Der Autismus ist somit eine wichtige Differentialdiagnose einer Interaktionsstörung Die Diagnose wird häufig meist verzögert, erst im Schulalter gestellt Kinder- und Jugendpsychiatrie 42 Autismus Kernsymptomatik Sprache/Kommunikation Soziale Interaktion stereotypes Verhalten/ Sonderinteressen Zusatzsymptomatik Kinder- und Jugendpsychiatrie Schlafstörungen Selbstverletzung aggressives Verhalten geistige Behinderung Wutausbrüche Hyperaktivität Depression, Phobien Reizüber- und Unterempfindlichkeiten Epilepsie 43 Videobeispiele • Aggression – – • Marcel Hannes ADHS Sozialverhalten oppositionell mit LRS Autoaggression – – Schule Kai 1 Kinder- und Jugendpsychiatrie 2 Bsp. Autismus Autismus 44 Fazit – Kinderpsychiatrie benötigt immer die Eltern – Die Symptome vieler psychiatrischer Erkrankungen beginnen bereits im Grundschulalter • • – Viele Erkrankungen werden trotzdem zu spät erkannt Frühe Diagnostik ist wünschenswert Die meisten Störungsbilder haben eine ausgeprägte Komorbidität • • Fehleinschätzungen sind deshalb häufig Multiaxiale KJP-Diagnostik ist notwendig Kinder- und Jugendpsychiatrie 45 Fazit – Die Schule spielt eine zentrale Rolle bei der Verlaufsbeobachtung auffälliger Kinder • • – Wesensänderungen müssen zur Untersuchung führen zuerst Elternkontakt, dann KJP-Kontakt Das „psychiatrische Syndrom“ wird erheblich beeinflusst durch Teilleistungsstörungen und Intelligenz • Intelligenz-, Teilleistungs- und Sprachdiagnostik sind notwendig Kinder- und Jugendpsychiatrie 46