ANAMNESE Interview und Beobachtung Herr Dr. Hans Linster Stefanie Hönle Sarah Bovensiepen 12.01.2010 1 Gliederung Einführung Theorie – Definition/Abgrenzung Anamnese – Therapeutische Schulen – Schulenspezifische Anamnesefragebogen/ -leitfäden Gruppenarbeit – Selbsterfahrung mit Anamnese Diskussion – Erfahrungsbericht – Bisherige Erfahrungen mit Anamnese 12.01.2010 2 Einführung Stellt Euch vor, Ihr seid Psychotherapeutin und führt heute ein Erstgespräch mit einem Patienten. Welche Inhalte wären Euch wichtig, bei diesem ersten Termin zu erfahren? Bitte setzt Euch in 2er-Gruppen zusammen und notiert Euch die wichtigsten Stichpunkte. (Zeit: ca. 10 min.) 12.01.2010 3 Anamnese Definition (griech.): Erinnern „gründlicher Rückblick vor einer Behandlung“ In der Medizin: Krankheitsgeschichte, die der Arzt zu Beginn einer Behandlung erhebt In der Psychologie erweitert: Erfassung der Biografie eines Menschen (Fisseni, 2004) „Sammlung der typischerweise mit dem gegebenen Sachverhalt in Verbindung stehenden Informationen“ (Kubinger, 2001) 12.01.2010 4 Anamnese Abgrenzung Exploration: –explorare (lat.): ausforschen, ermitteln, einer Sache auf den Grund gehen –Vorgehen, das darauf abzielt, den „Subjektiven Lebensraum“ des Probanden im Gespräch zu „erkunden“ (Fisseni, 2004) Diagnostisches Interview: –Überbegriff für Methoden zur Erhebung von diagnostisch relevanten Informationen mittels zielgerichtetem Gespräch. Gemeinsam 12.01.2010 Prozess der Informationssuche 5 Anamnese Begriffe Erstgespräch: Abklärung des Behandlungsanlasses; aber auch synonym mit Anamnese verwendet Eigenanamnese: Befragung des Patienten nach seiner eigenen Krankheitsgeschichte Fremdanamnese: Befragung von Personen aus dem Umfeld des Patienten Familienanamnese: Informationen über Verwandte eines Patienten Sozialanamnese: Erfassung der sozialen Strukturen 12.01.2010 6 Anamnese Funktion Jäger (1984): hypothesengenerierend Stützung von Testbefunden diagnostisch Antrag bei Krankenkasse Beziehungsaufbau Patient - Therapeut 12.01.2010 7 Therapeutische Schulen Psychoanalyse/ Tiefenpsychologisch fundierte PT Kognitive Verhaltenstherapie Systemische Therapie 12.01.2010 8 Psychoanalyse / Tiefenpsychologisch fundierte PT Behandlung der unbewussten Psychodynamik neurotischer Störungen Neurosenlehre: Defizitmodell vs. Konfliktmodell Übertragung und Gegenübertragung, Abwehrmechanismen 12.01.2010 9 Anamnese in der PA / TP Klassisch-analytisch unstrukturiertes Erstgespräch („Re-Inszenierung“) biographische Anamnese (Dührssen, 1997) Detaillierte halbstrukturierte Anamneseerhebung (Osten, 2000): Status- & Biographische Anamnese 12.01.2010 10 Kognitive Verhaltenstherapie Menschliches Leiden bzw. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit soll behoben werden Ziel: Ausbildung & Förderung von Fertigkeiten Basiert auf Lerntheorien (Modelllernen, Konditionierung → Verstärkerpläne) (erworbenes) gestörtes Erleben und Verhalten soll durch Lernprozesse positiv verändert/ abgebaut werden 12.01.2010 11 Anamnese in der KVT Fragebogen zur Lebensgeschichte FLG – 88 (Lazarus, A., 1973): Selbstbeurteilungsinstrument Bestandteile: – Allgemeines – Persönliche Daten – Problembezogene Angaben Anamnesebogen für Patienten mit psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen (E. Merkel): Selbstbeurteilungsverfahren – Beschreibung der aktuellen Beschwerden und deren Vorgeschichte – Lebensgeschichte – Schule und Beruf – Partnerschaft und Familie – Freunde und Bekannte 12 Systemische Therapie Fokus: sozialer Kontext psychischer Störung (Interaktionen) Nicht der einzelne Mensch ist krank, sondern das System (Familie & Umfeld), in dem er sich bewegt → Patient ist Symptomträger Ressourcenorientierung, Allparteilichkeit Systemische Fragetechniken 12.01.2010 13 Systemisch Orientiertes Erhebungsinventar für Kinder & Jugendliche (Kubinger, 2001) Erkundungsgespräch besteht aus 8 Fragekomplexen: • • • • • • • • Beziehungen vs. Bewertungen Verhalten Problem- bzw. Lösungssystem Stabilisierungsmechanismen Kontextualisierung Ressourcen Außenperspektive Auftragserklärung 12.01.2010 14 Gruppenarbeit Wählt Euch bitte einen der Anamnese-Leitfäden aus und spielt diesen in Partnerarbeit durch bzw. füllt ihn aus. Bitte macht Euch anschließend zu den folgenden Diskussions-Leitfragen Notizen. 12.01.2010 15 Diskussion Leitfragen Vergleicht die Anamnese-Inhalte mit den von Euch am Anfang erarbeiteten Inhalten. Was könnten Vor- und Nachteile der mündlichen bzw. schriftlichen Durchführung sein? Welche Methode würdet Ihr wählen? Wie hat sich das Ausfüllen bzw. das InterviewtWerden als Patient angefühlt? Welche Erfahrungen habt Ihr mit Anamnese bisher gemacht? 12.01.2010 16 Quellen Dührssen, A. (1997). Die biografische Anamnese unter tiefenpsychologischen Aspekt. Göttingen: Verlag für Medizinische Psychologie. Fisseni, H.-J. (2004). Lehrbuch der psychologischen Diagnostik. Mit Hinweisen zur Intervention. Göttingen: Hogrefe. Hohage, R. (2004). Analytisch orientierte Psychotherapie in der Praxis. Stuttgart: Schattauer Verlag. Jäger, R. S. & Petermann, F. (Hrsg.) (1999). Psychologische Diagnostik. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Kubinger, K. D. (2006). Psychologische Diagnostik. Theorie und Praxis psychologischen Diagnostizieren. Göttingen: Hogrefe. Kubinger, K. D. & Deegener, G. (2001). Psychologische Anamnese bei Kindern und Jugendlichen. Göttingen: Hogrefe. Merkel, E. (2009). Entwicklung eines Anamnesebogens für Patienten mit psychischen Störungen und körperlichen Erkrankungen. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Osten, P. (2000). Die Anamnese in der Psychotherapie. München: E. Reinhardt. 12.01.2010 17