2. Klinik für Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie der

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Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie
Hauptvorlesung
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Tress
Klinisches Institut und Klinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Krankheiten als solche kennen wir nicht,
es gibt nur kranke Menschen.
Ludolf v. Krehl, Professor für Innere Medizin
Heidelberg, 1910
• Krankheiten sind Abstraktionen aus den Befunden von
konkreten einzelnen kranken Menschen
• Der Kranke als lebensgeschichtliches Subjekt
Einführung des Subjektes in die
Pathologie
Viktor v. Weizsäcker
Heidelberger Internist
Begründer der Psychosomatischen
Medizin in Deutschland
Warum erkrankt dieser Mensch
jetzt?
Warum in dieser besonderen
Situation seines Lebens?
Konsequente Wiedereinführung
des Kranken als lebensgeschichtliches Subjekt in die
naturwissenschaftliche Medizin
Viktor von Weizsäcker:





Subjekte Situationen und deren individuelle Bedeutung
Leiden am Leib hat Sinn im Leben des Menschen
Zusammenhang von Leidenschaft und viscerale Störungen
unbewusste Leibphantasien und ungelebte Lebensentwürfe
formen das Krankheitsgeschehen
Arzt-Patient-Beziehung: Grundlage einer bio-psycho-sozialen
Gesamtdiagnostik und - therapie
zusammengefasst
Psychosomatische Medizin heißt,
nicht etwa dem Körper weniger,
sondern dem Seelischen mehr
Beachtung schenken.
holistische Betrachtungsweise von Körper,
Seele und Geist als Einheit
ontologischer Monismus bei
erkenntnistheoretischen Dualismus
unvermeidbare Doppelperspektive
Hysterie
neurotische Umsetzung
der Leibfantasien
„Anfälle“
„Lähmungen“
Subjektive innerpsychische Fantasiewelten erklären
„merkwürdige“ Körperstörungen
Schmerzen
Lähmungen
sensorische Anfälle
Sprach- Stimm- Hörstörungen
Blindheit
sexuelle Störungen
Freud:
Das Ich ist zuerst ein körperliches
Wo ES war, soll ICH werden: Psychoanalyse
ES: Triebe, Chaos
Leidenschaft
ICH: Vernunft
Planung
Angsttoleranz
Verzicht
Sigmund Freud im
Alter von 82 Jahren
Romantische Medizin: Gefühl und Ratio
Um 1800:
 Natur ist sichtbarer Geist, Geist hingegen unsichtbare Natur
 Im geheimnisvollen Grund der Natur liegt auch der Ursprung
der Seele: Träume, Parapsychologie, Schicksalsmächte, Liebe
und Tod
 Gustav Carus, 1846: Das Unbewusste stammt aus der Tiefe des
Körpers (Gehirn) und ist der Schlüssel zur Seele
 Schopenhauer: Der Mensch ist überwiegend irrational, regiert
vom Wille zur Macht und vom Eros
 Freud: Ich vs. Es, Verlangen und Triebe vs. Vernunft
Psychoanalytische Methode: Der Patient spricht und der
Arzt hört zu: das Unerhörte und Ungehörte zwischen den
Zeilen
Aktuelle Neurobiologie
Vom Erleben zur Biologie: Plastizität des ZNS
 Individuelle Beziehungserfahrungen - biologische Signale neuronale Plastizität - Genregulation
 Relevant bei somatoformen Störungen, TraumaFolgeerkrankungen, Dysthymien, Ängsten
Emotionen und Gehirn

Präfrontaler Kortex – Stimmungen
: heiter, bedrückt, Reue

Paralimbisches System – Gefühlsvielfalt
: Angst und Neugierde,
Ekel und Lust

Limbisches System – Diskrete Gefühl
: Freude, Ärger, Ekel,
Trauer

Dienzephalon – Verhaltensaktivierung
: Kampf/Flucht

Hirnstamm – viscerale Aktivierung
: Bauchschmerzen
Bindungstheorie





Sozialwesen Mensch: Tragling
Reales frühkindliches Beziehungserleben
sichere, bergende, liebevolle Atmosphäre, Nähe, Treue, Loyalität
Abbrüche, Tod, Verunsicherungen, Aggressionen, Übergriffe,
Demütigungen
innerseelisches Arbeitsmodell von Bindung:
Heimat
Interpersonelle Modalitäten
Introjekt:
Wie du mir damals, so ich mir heute.
Internalisierung:
Du bist immer noch überall präsent.
Identifikation:
Wie du damals mir, so ich heute den anderen.
Menschliches Grundbedürfnis nach
sicherer Bindung
Störungen im Bindungsgefüge bei:
 Unreifer Emotionalität: visceraler Beschwerden
depressive Verstimmungen („Dysthymie“)
 Reifer Emotionalität: Trauer
Ätiopathogenetisches Modell psychogener Erkrankungen
(W.P. Henry, W. Tress)
Inneres Modell
früher Bezugspersonen
Introjektion
(SASB-Fokus III)
Internalisierung
Identifikation
(SASB-Fokus II)
(SASB-Fokus I)
innerseelisch
Wünsche
Wahrnehmungen
Befürchtungen
Introjekt
CMP
Verhalten
Bezugsperson
Verhalten
Patient
zwischenmenschlich
Der maladaptive Zirkel dient der
Bindung an aggressiv-versagende,
missbräuchliche Primärpersonen:
 Identität durch Nähe zur seelischen
Heimat

Psychotherapie



Das emotionale Unbewusste reguliert die kognitiven, die
physiologischen, die Verhaltenskomponenten der Gefühle in
zwischenmenschlichen Beziehungen
Darin enthaltene maladaptive Muster (zwischenmenschlich) will
der Patient durch Psychotherapie verändern
Veränderung durch Einsicht und emotionaler Verarbeitung:
– Unterbrechung der Automatik der Muster
– bewusstes Erleben der dabei aktivierten Gefühle
– bewusste Verarbeitung der darin enthaltenden biographischen
Botschaften (Durcharbeiten)
– Neubewertungen anstelle Maladaptiver Muster
– bewusster Einsatz alternativer Kognitionen und interpersoneller
Verhaltensstile und deren anschließende Automatisierung
Anthropologische Prinzipien der
Psychotherapie
1. Sichere Beziehung zum Therapeuten herstellen, alte Loyalitäten
respektieren, keine Kritik an jener früheren Überlebensbasis
2. Optimistische Grundhaltung, dabei Zeitrahmen und Ende der
Behandlung stets präsent
3. Weshalb behandelt der Patient sich selbst so schlecht, so lieblos?
4. Maladaptive Muster entstehen aus Bindung an die primären
Bezugspersonen
5. Muster identifizieren, trauern, Neubeginn
6. Bei negativ therapeutischer Reaktionen: Aus Liebe und Treue zu
wem?
Definition psychogener Erkrankungen
Normabweichungen des inneren und äußeren Verhaltens und/oder
körperlicher Funktionen und Strukturen, die

ätiologisch aus den vergangenen und aktuellen psychosozialen
Lebensumständen einer Person erwachsen und

über psychische Prozesse (Subjektivität) und deren körperliche
Korrelate (Zwischenhirn/Hippokampus) vermittelt werden.
– Psychosomatische Erkrankungen: körperlich
– Psychoneurosen: innerseelisch
– Persönlichkeitsstörungen: zwischenmenschlich

aktuelle Prävalenz: 25%
Somatoforme Störungen






Körperliche Beschwerden beeinträchtigen das Wohlbefinden
Somatische Ursachen sind über Jahre nicht zu finden
(„Schwieriger Patient“)
Intensität variiert mit psychosozialer Belastung
High-utilizer des medizinischen Versorgungssystems: 3,8% der
Bevölkerung
Immense volkswirtschaftliche Kosten
Ursache: Störungen der Gefühlsverarbeitung: physiologische
Störung anstelle erlebter schmerzhafter Gefühle
Beschädigte Kinder - Krankheit und früher
Tod



Die Korrelation zwischen aktuellem Lebensstil und Gesundheitsverhalten mit Morbidität und Mortalität ist in Studien belegt.
Felitti et. al. (1998) gehen der Frage nach, inwieweit Faktoren
aus der Kindheit als ursächliche Gründe für risikoreiches
Gesundheitsverhalten sowie schwere Erkrankungen im
Erwachsenenalter verantwortlich sein können.
Ausstrahlung der Psychosomatik in die Medizin hinein
Kategorien der schädlichen
Kindheitserlebnisse

Drei Kategorien des
kindlichen Missbrauchs:
– Psychischer
Missbrauch
(2 Fragen)
– Körperlicher
Missbrauch
(2 Fragen)
– Sexueller Missbrauch
(3 Fragen)

Vier Kategorien der
dysfunktionalen Familie:
– Substanzmissbrauch
(2 Fragen)
– Psychiatrische
Erkrankungen
(2 Fragen)
– mütterliche Gewalt
(4 Fragen)
– Inhaftierung (1 Frage)
Prävalenz der schädlichen
Kindheitserlebnisse







Psychischer Missbrauch
körperliche Gewalt
sexueller Missbrauch
Substanzmissbrauch i.d. Familie
Psychiatrische Erkrankungen
gewalttätige Mutter
Inhaftierung (Familienmitglied)
11 %
11 %
22 %
26 %
19 %
13 %
3%
Korrelation zwischen Risikofaktoren und
Zahl der traumatischen
Kindheitserlebnisse

Dosis-Wirkungskurve
7
6
5
4
3
2
1
0
Risikofaktoren
ACE-Dosis
0
1
2
3
4
5
6
7
Erhobene Krankheiten u.a.









KHK
Karzinome
chron. Lungenerkrankungen
Diabetes
Leber
Frakturen
selbst beurteilter Gesundheitszustand
Depression
sexuelle Infektion (HIV, Hepatitis)
Kindheitstrauma und demographische
Faktoren
Anzahl der Kindheitstraumata
Alter
19-34
35-49
50-64
> 65
0
1
2
35%
39%
47%
60%
25%
25%
25%
25%
17%
16%
14%
9%
3
11%
9%
8%
4%
4
11%
11%
7%
2%
Diskussion der Ergebnisse

Maladaptives Verhalten führt zu chronisch-letalenErkrankungen
im Erwachsenenalter:
– Rauchen

chron. Lungenerkrankungen,
Arteriosklerose, Karzinome, KHK,
– Adipositas 
Hypertonie, Diabetes, KHK
– Alkohol

Leberschäden, cerebrale Schäden, soziale
Folgen
– Depression 
Suizid
– Promiskuität 
Leberschäden, HIV
Diskussion der Ergebnisse

Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholismus, Drogenabusus,
abnormes Essverhalten oder Promiskuität als bewusste oder
unbewusste Coping-Strategien zur Bewältigung chronischer
Stresszustände mit körperlichen Spannungen infolge
traumatischer Kindheitserlebnisse münden in chronische
Erkrankungen und frühen Tod
 z.B. dauerhafter Nikotinabusus als Mittel zur Affekt-und
Stimmungsregulation führt zu chronischen Gefäß- und
Lungenerkrankungen und vorzeitigem Tod
Bio-psycho-soziale Kausalkette
Vorzeit.
Tod
Tod
Krankheit,
Behinderung
Risikoreiches
Gesundheitsverhalten
Soziale, seelische, kognitive
Beeinträchtigung
Traumatische Kindheitserlebnisse
Geburt
Klinisches Institut und Klinik für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
1. Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie (Geb. 15.16)
a) psychosoziale Studentenberatungsstelle
b) Konsiliar- und Liaisondienst für das UKD
c) psychosoziale Beratungsstelle für Mitarbeiter der Heinrich-HeineUniversität
2. Klinik für Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie der
Rheinischen Kliniken Düsseldorf
a) Institutsambulanz für ambulante Patienten aus der Region
(ca. 2000/Jahr)
b) 24-Betten-Station
C) 19 Behandlungsplätze in der Tagesklinik
Klinik für Psychosomatik in „Grafenberg“
Stationsgebäude der
Psychosomatischen Stationen
Psychosomatisch-psychotherapeutische
Institutsambulanz
Empfohlene Lehrbücher
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


Tress et al. 2004
Psychosomatische
Grundversorgung.
Arztpatient-Beziehung
psychosoziales
Krankheitsverständnis für
wichtige Krankheitsbilder
und chronische
Krankheitsverläufe.
Konzept der „Zyklisch
maladaptiven
Beziehungsmuster“, praktische
Hinweise für die Gestaltung von
Arzt-Patient-Interaktionen.
Mein Psychotherapeut versteht mich nicht.
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