Neuropsych. sem. 6. PTE ÁOK Pszichiátriai Klinika Neuroendokrinologie Eine Vielzahl endokriner Systeme greift in die Regulation der körperlichen und psychischen Homöostase des Menschen ein. In die Körperperipherie freigesetzte Hormone gelangen über die Blutbahn auch ins Gehirn und wirken so afferent auf zentralnervöse Prozesse zurück, mit spezifischen Folgen für Psyche und Verhalten. Gut untersucht im Hinblick auf ihre neuropsychologischen Funktionen sind die »Stresshormone« der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse (HHN-Achse), bestimmte Sexualhormone wie Östrogen und Testosteron sowie ansatzweise auch primär metabolisch regulierende Hormone wie Insulin und die thyroidealen Hormone Darüber hinaus zeichnen Störungen der Regulation der HHN-Achse im Sinne eines Hyperkortisolismus nicht nur das Cushing-Syndrom aus, sondern auch depressive Erkrankungen sowie den normalen Alterungsprozess. Diese endokrine Störung könnte daher ursächlich an den bei Depression und im Alter typischerweise beobachteten neuropsychologischen Veränderungen beteiligt sein. Neuroendokrinologie der HypothalamusHypophysen-Nebennierenrinden-Achse Das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-(HHN-)System wird einerseits durch »Stressoren« aktiviert und andererseits durch zirkadiane Oszillatoren reguliert. Maximale Aktivität zeigt es in den frühen Morgenstunden, während es in den ersten Stunden des nächtlichen Schlafs einer ausgeprägten Hemmung unterliegt. Im Kern umfasst die HHN-Achse einen dreistufigen Prozess der Hormonfreisetzung, an dem der Hypothalamus, die Hypophyse und die Nebennierenrinde beteiligt sind. Übergeordnet unterliegt die HHNAchse einer Regulation durch limbische Strukturen, insbesondere den Hippokampus »Stressoren« führen auf hypothalamischer Ebene zur Freisetzung von Kortikotropin-Releasing-Hormon (CRH) und Vasopressin aus neurosekretorischen Zellen des Nucleus paraventricularis in das Blut des Pfortadersystems. Diese Releasing-Hormone wiederum bewirken im Vorderlappen der Hypophyse die Ausschüttung von ACTH (adrenokortikotropes Hormon oder Kortikotropin), aber auch anderer Peptidhorme wie z.B. /?-Endorphin, die von demselben Vorläufermolekül, Proopiomelanokortin (POMC), abstammen. a HHN-System I ACTH gelangt über die Blutbahn in die Körperperipherie und führt dort in der Nebennierenrinde zur Freisetzung von Kortisol. Kortisol entfaltet neben den neuropsychologischen Veränderungen auch charakteristische metabolische (Glukoneogenese) und immunologische (Entzündungshemmung) Wirkungen. Es wirkt zudem auf hypophysärer und - teilweise vermittelt über den Hippokampus auf hypothalamischer Ebene im Sinne eines negativen Feedbacks auf die Freisetzung von ACTH bzw. CRH zurück. Wahrscheinlich übt dabei auch ACTH negative Feedback-Wirkungen auf die hypothalamischen Releasing-Hormone aus. An der HHN-Achse beteiligten Substanzen wirken über Rezeptoren im Gehirn auch auf zentralnervöse Strukturen, die verschiedene neuropsychologische Funktionen vermitteln. Das Kortisol übt einen sehr direkten Einfluss auf zentralnervöse Rezeptoren aus, da es wegen seiner Lipophilität die Blut-Hirn-Schranke relativ leicht überwindet. Für Peptidhormone wie ACTH und CRH gilt dies nicht. Peripher freigesetztes ACTH kann allerdings durch aktiven Transport in geringen Mengen die Blut-Hirn-Schranke passieren. Außerdem bindet dieses Hormon an Rezeptoren, die in bestimmten zirkumventrikulären Organen lokalisiert sind. Es ist gezeigt worden, dass eine solche Bindung von ACTH-Molekülen an Rezeptoren in der Area postrema zu einer Aktivierung zentralnervöser Neurone des Nucleus arcuatus führt, die wiederum ACTH-verwandte Moleküle als Neuropeptide freisetzen. HHN-System II Die Wirkungen von im Blut zirkulierenden Peptidhormonen auf das Gehirn könnten also nicht direkt, sondern über Rezeptoren an der Blut-HirnSchranke, etwa in den zirkumventrikulären Organen, erfolgen, die dann eine Freisetzung des entsprechenden Neuropeptids in bestimmten zentralnervösen Regionen vermitteln. Im Nucleus arcuatus des Hypothalamus befinden sich Neurone, die mit ACTH verwandte Substanzen, sog. Melanokortine, synthetisieren und auch als Neuropeptide synaptisch freisetzen. Die Neurone des Nucleus arcuatus haben verzweigte Verbindungen u. a. zum präfrontalen Kortex und zu limbisch-hippokampalen Strukturen und können somit in vielfältigster Weise psychische Prozesse regulieren. Die hypothalamischen Neurohormone wie CRH und Vasopressin entfalten ihre neuropsychologischen Wirkungen sehr wahrscheinlich nicht über den Umweg ihrer hormonellen Freisetzung in das Pfortadersystem, sondern primär durch ihre direkte Freisetzung als Neuropeptide in bestimmten Hirnstukturen. So besitzen z.B. CRH-synthetisierende Neurone des Nucleus paraventricularis ein weit verbreitetes Netz von Kollateralen, über das sie Einflüsse sowohl auf neokortikale als auch auf limbische Verarbeitungsprozesse ausüben können. Stress und zirkadiane Faktoren wirken über diese hypothalamischen Neurone gleichzeitig und in koordinierter Weise einerseits auf systemische endokrine und andererseits auf übergeordnete kognitive und emotionale Prozesse ein. HHN-System III Für alle an der Regulation beteiligten (Neuro-)Hormone des HHN-Systems ist das Vorkommen von mindestens zwei verschiedenen zentralnervösen Rezeptortypen bekannt, die unterschiedliche Bindungsaffinitäten für die entsprechende Substanz aufweisen und sich unterschiedlich über das Gehirn verteilen. Das Verständnis der zu jedem psychologisch relevanten Hormon gehörenden Rezeptorsysteme ist ein wesentlicher Bestandteil des neurochemischen Ansatzes innerhalb der Neuropsychologie. Der neurochemische Ansatz unterscheidet sich damit von dem in der neuropsychologischen Forschung traditionell vorherrschenden neuroanatomischen Ansatz, der versucht, bestimmte neuropsychologische Leistungen auf die Aktivität bestimmter anatomisch abgrenzbarer Gehirnstrukturen zurückzuführen. Jedoch stehen beide Ansätze nicht im Widerspruch zueinander, da sich das Vorkommen bestimmter Rezeptortypen oft auf spezifische Gehirnregionen konzentriert. Vielmehr ergänzt der neurochemische den neuroanatomischen Ansatz um wichtige funktionelle Aspekte der Regulation neuronaler Aktivität in den interessierenden Strukturen, da über die entsprechenden neurohormonellen Rezeptormechanismen spezifische hemmende bzw. aktivierende Wirkungen vermittelt werden. Methodische Aspekte Grundsätzlich lassen sich in diesen Studien zwei experimentelle Ansätze unterscheiden. Beim ersten Ansatz wird durch experimentell herbeigeführte Stresssituationen versucht, möglichst realitätsnah die gesamte HHN-Achse zu aktivieren. Beim zweiten, pharmakologisch orientierten Ansatz dagegen werden einzelne Hormonkomponenten des HHN-Systems selektiv durch die Gabe körpereigener oder synthetischer Rezeptoragonisten aktiviert bzw. durch entsprechende Antagonisten gehemmt. Gegenüber der experimentellen Gesamtaktivierung des Stresssystems besteht der Vorteil dieses Vorgehens darin, dass es in Abhängigkeit vom jeweils experimentell manipulierten Rezeptorsystem differenzielle Aussagen über die verschiedenen Subkomponenten des neuroendokrinen Systems ermöglicht. Der pharmakologische Untersuchungsansatz birgt auch Probleme. Zunächst werden auch bei diesem Ansatz meist über die Feedback-Wirkungen sekundär andere Komponenten des HHN-Systems mitbeeinflusst. Bei prolongierten Gaben ist mit einer Rezeptorgegenregulation (»Downregulation«) zu rechnen, was auf neuropsychologischer Ebene zu vollkommen anderen Wirkungen führen kann als bei akuter Gabe. Ein weiteres methodisches Problem resultiert aus der Tatsache, dass Peptide wie ACTH, CRH und Vasopressin die Blut-Hirn-Schranke aufgrund aktiver Transportmechanismen wahrscheinlich nur in geringen Mengen passieren. Zudem können diese Peptide wegen ihrer peripheren hormonellen Wirkungen nicht in unbegrenzt hohen Dosierungen verabreicht werden. Als ein gangbarer Weg für die Untersuchung direkter zentralnervöser Wirkungen von Neuropeptiden hat sich in die intranasale Gabe dieser Substanzen erwiesen. Zentralnervöse Rezeptorsysteme I Im neurochemischen Ansatz der Neuropsychologie spielt die Analyse der zu bestimmten biochemischen Signalstoffen (hier: Neurohormone) gehörigen zentralnervösen Rezeptorsysteme eine wesentliche Rolle. Hinsichtlich der hier interessierenden Stresshormone Kortisol, ACTH und CRH ist das Rezeptorsystem für Kortisol am besten untersucht. Kortisol bindet im Gehirn an zwei verschiedene Rezeptortypen: die Mineralokortikoidrezeptoren (MR) und die Glukokortikoidrezeptoren (GR). Während GR in Neuronen und Gliazellen fast aller Gehirnregionen in mehr oder weniger hoher Dichte nachzuweisen sind, konzentrieren sich MR stark auf limbische Regionen, insbesondere auf den Hippokampus und umliegende Temporallappenstrukturen. Als Gehirnregion, in der sowohl GR als auch MR in hoher Zahl vorkommen, kommt dem Hippokampus somit eine Schlüsselstellung im Hinblick auf zentralnervöse Kortikosteroidwirkungen zu. Dem Zusammenspiel der beiden Rezeptortypen im Hippokampus wird nicht nur bei der Vermittlung des Kortikosteroid-Feedbacks auf die hypothalamische Aktivierung der HHN-Achse, sondern auch bei der Vermittlung von Kortikosteroideffekten auf neurobehaviorale Funktionen eine entscheidende Rolle zugeschrieben. Zwar ist anzunehmen, dass die konkurrierende Vermittlung des Kortikosteroid-Feedbacks über hippokampale MR und GR artspezifische Besonderheiten aufweist, die Prinzipien dieser v.a. bei Ratten untersuchten Regulation besitzen aber wahrscheinlich auch beim Menschen Gültigkeit. Zentralnervöse Rezeptorsysteme II Über MR wid ein tonischer, die Reagibilität des HHN-Systems steuernder Einfluss ausgeübt, während GR akute negative Feedback-Wirkungen auf dieses System vermitteln. Aufgrund ihrer höheren Affinität sind MR bereits unter Ruhebedingungen bei niedrigen Kortisolkonzentrationen zu mehr als 80% besetzt. Eine zusätzliche Bindung von GR findet v.a. bei akutem Stress statt. MR regulieren also im Rahmen eines »proaktiven Feedbacks« tonisch die Empfindlichkeit des HHN-Systems, während GR (in Koordination mit den MR) im Rahmen eines »reaktiven Feedbacks« die Erholung des Systems von phasischer Überaktivität infolge temporärer Stressanforderungen vermitteln. Dieses Zusammenspiel von MR und GR mit ihren differenziellen Wirkungen auf die Aktivität des HHN-Systems ermöglicht eine flexible, auf einen bestimmten »Setpoint« (Sollwert) abgestimmte Regulation des HHN-Systems sowohl im Rahmen tonischer, zirkadianer SchlafWach-Rhythmen als auch bei der akuten Antwort auf Stress. Es muss vermutet werden, dass über die balancierte Aktivierung von GR und MR hinaus auch die Wirkungen von Kortisol auf die limbisch assoziierten psychischen Funktionen vermittelt und dementsprechend ebenso »Setpoint-bezogen« gesteuert werden. Zentralnervöse Rezeptorsysteme III In den letzten zehn Jahren sind zunehmend auch die Rezeptorsysteme der Peptidhormone genauer untersucht worden. Im Gegensatz zu Steroidrezeptoren, die v.a. im Zytosol der Zelle lokalisiert sein können, sind Peptidrezeptoren ausschließlich in der Zellmembran zu finden. Für die Gruppe der Melanokortine, zu der die ACTH-verwandten Peptide zählen, sind bisher fünf Rezeptorsubtypen charakterisiert worden (MC1R-MC5R), von denen die beiden Subtypen MC3R und MC4R ausschließlich im Gehirn vorkommen. Letzterer Rezeptortyp scheint eine herausragende Rolle bei der Vermittlung von hemmenden Wirkungen der Melanokortine auf die Nahrungsaufnahme zu spielen. Für die neuropsychologischen Wirkungen von ACTH und verwandten Peptiden auf Aufmerksamkeit und Lernen scheint die Sequenz 4-9 des Moleküls, von besonderer Bedeutung zu sein. Es stimuliert die Kortisolsekretion nicht, induziert aber über zentralnervöse Rezeptoren Verhaltensänderungen, die mit den Verhaltenswirkungen längerer ACTH- bzw. Melanokortinsequenzen vergleichbar sind. Zentralnervös bindet ACTH4-9, ebenso wie die Sequenz 4-10, neben den bereits identifizierten wahrscheinlich auch weitere, bisher nicht identifizierte Melanokortinrezeptoren. Wahrscheinlich existieren daher weitere Melanokortinrezeptoren im Gehirn, die für neurobehaviorale Effekte dieser Peptidgruppe relevant sind. Zentralnervöse Rezeptorsysteme IV Für das CRH sind bisher zwei Rezeptortypen identifiziert worden: CRHt-Rezeptoren (CRHRt) und CRH2-Rezeptoren (CRHR2). Letztere lassen sich weiter unterteilen in die Subtypen CRHR2a und CRHR2y5. Das CRH-verwandte Neuropeptid Urokortin bindet CRH2Rezeptoren mit wesentlich höherer Affinität als das als ReleasingHormon des ACTH wirkende CRH. Insofern Urokortin im Hirn des Menschen isoliert wurde, könnte es den primären endogenen Liganden für diese Rezeptorgruppe repräsentieren, der auch an der Vermittlung entsprechender neuropsychologischer Effekte beteiligt ist. CRHRt und CRHR2 verteilen sich sehr unterschiedlich im Zentralnervensystem (ZNS). Die größte Dichte von CRHRt wurde gefunden in verschiedenen Arealen des Kortex,der Amygdala, dem Zerebellum, Teilen des Hippokampus, dem Bulbus olfactorius und - im Hinblick auf die ACTH-stimulierende Wirkung – auch der Hypophyse. Dagegen befinden sich CRHR2 v.a. im Hypothalamus, lateralen Septum und Hippokampus. Diese unterschiedliche Verteilung im Gehirn deutet, wie bei den Kortikosteroidrezeptoren, auf eine differenzielle Funktionalität der beiden Rezeptortypen und ihr koordiniertes Zusammenspiel hauptsächlich in limbischen Strukturen hin Neuropsychologische Wirkungen der Hormone der HHN-Achse Der Schwerpunkt der Wirkungen von Kortisol liegt im Bereich der Gedächtnisbildung, obwohl dieses Steroid auch als Modulator von Emotionen und Stimmungen eine Rolle spielt. ACTH und verwandte Peptide beeinflussen insbesondere Aufmerksamkeitsfunktionen, während CRHWirkungen v. a. im Zusammenhang mit emotionalen Funktionen gefunden wurden. Kortisol und Gedächtnis Kortisol wurde von den drei hier interessierenden Hormonen des HHNSystems am engsten mit Lern- und Gedächtnissfunktionen in Verbindung gebracht. Während man als Lernen allgemein die Ausbildung überdauernder Verhaltensänderungen aufgrund von Erfahrung bezeichnet, charakterisiert der Begriff des Gedächtnisses speziell den Speicheraspekt dieses Vorganges. Der Prozess der Gedächtnisbildung umfasst dabei drei Subprozesse: Akquisition, Konsolidierung und Abruf. -Unter Akquisition wird die Enkodierung oder transiente Einspeicherung verstanden (oft auch als »Lernen« im engeren Sinne bezeichnet), -unter Konsolidierung die Festigung des Eingespeicherten, die ein »Behalten« über die Zeit ermöglicht; -der Abruf schließlich kennzeichnet die Re-Aktivierung der gespeicherten Inhalte in einem Erinnerungstest zu einem späteren Zeitpunkt. Deklaratives und nondeklaratives Gedächtnis Weiterhin werden verschiedene Gedächtnissysteme unterschieden, die auch unterschiedliche neurobiologische Grundlagen haben. Die hier wichtigste Unterscheidung betrifft die zwischen deklarativem (explizitem) Gedächtnis und nondeklarativem (implizitem, prozeduralem) Gedächtnis, wobei zahlreiche Studien gezeigt haben, dass das deklarative im Gegensatz zum nondeklarativen Gedächtnisses speziell vom Hippokampus und angrenzenden Strukturen des Temporallappens abhängig ist. Während beim Menschen das deklarative Gedächtnis einer bewussten Steuerung unterliegt, die vom Probanden explizit erklärt werden kann (deklarativ = »erklärend«), ist dies beim nondeklarativen Gedächtnis nicht der Fall. Hier können Prozesse der Gedächtnisbildung nur implizit über verbesserte Leistungen bei der Ausführung bestimmter motorischer, perzeptueller oder kognitiver Fähigkeiten festgestellt werden. Ein typisches Paradigma zur Untersuchung deklarativer Gedächtnisfunktionen besteht im Wortpaar-Assoziationslernen, einer Art »Vokabellernen«. Humanexperimentell werden räumliche deklarative Gedächtnisfunktionen häufig mit Aufgaben zur mentalen räumlichen Rotation untersucht. Typische Untersuchungsparadigmen nondeklarativer Gedächtnisfunktionen sind dagegen z. B. im motorischen Bereich das Spiegelzeichnen oder im verbalen Bereich das sog. »WortstammPriming« Kortikosteroideffekte I In den meisten dieser Experimente stand der Aspekt der Gedächtniskonsolidierung im Vordergrund. Dabei führten Gaben von Kortikosteron oder dem GR-Agonisten Dexamethason (DEX) nach dem Training bei moderater Dosierung generell zu einer verbesserten Gedächtnisbildung sowohl bei räumlichem Lernen als auch bei passivem Vermeidungslernen, wohingegen die Gabe hoher Dosen eher negative Effekte hatte. Diese Befunde deuten eine umgekehrt Uförmige Dosis-Wirkungs-Beziehung an, nach der Glukokortikoidkonzentrationserhöhungen, die noch innerhalb des physiologischen Normbereichs liegen, gedächtnisfördernd wirken, supraphysiologische Konzentrationen dagegen gedächtnisverschlechternd. Die Tatsache, dass selektive GRAgonisten wie DEX ähnliche Wirkungen erzielten wie Kortikosteron, spricht dafür, dass diese Effekte über die verstärkte Aktivierung der GR vermittelt werden. Differenzielle Effekte von Kortikosteroiden auf die drei Teilprozesse der Gedächtnisbildung, Akquisition, Konsolidierung und Abruf, wurden nur in wenigen Fällen systematisch verglichen. Die Befunde sprechen dafür, dass Kortikosteroide über die Aktivierung von GR tatsächlich den Prozess der Gedächtniskonsolidierung, aber auch den Prozess der Akquisition positiv beeinflussen. In Humanstudien waren die Untersuchungsdesigns meist so angelegt, dass ein summarischer Einfluss auf alle drei Teilprozesse zusammen evaluiert wurde. Kortikosteroideffekte II Untersuchungen zeigten, dass Kortisol nicht nur akut, sondern auch bei subchronischer Verabreichung über mehrere Tage selektiv deklarative Gedächtnisleistungen verschlechtert Kortisol übt seine negativen Effekte auf das deklarative Gedächtnis über die Aktivierung von Rezeptoren im Hippokampus aus. Die schädlichen Wirkungen des Kortisols auf das deklarative Gedächtnis werden dabei wahrscheinlich über GR vermittelt, denn ähnliche Effekte wurden auch nach der Verabreichung selektiverer GR-Agonisten wie DEX oder Prednison beobachtet. Diese Interpretation wird weiter unterstützt durch Befunde, dass GR-Aktivierung, im Gegensatz zu MR-Aktivierung, in hippokampalen CAi-Zellen die synaptische Langzeitpotenzierung (»long-term potentiation«, LTP) inhibiert. LTP gilt als der fundamentale Mechanismus, der auf zellulärer Ebene Gedächtnisbildung innerhalb neuronaler Netzwerke vermittelt. Eine erhöhte Glukokortikoidexposition über längere Zeit kann zur Atrophie hippokampaler Dendriten bis hin zum Zelltod führen. Patienten mit Erkrankungen wie Depression und dem Cushing-Syndrom, die mit Hyperkortisolismus einhergehen, sowohl spezifische Defizite des deklarativen Gedächtnisses als auch eine damit einhergehende Atrophie des Hippokampus aufweisen. Auch der normale Alterungsprozess des Menschen ist allgemein durch eine Disinhibition der HHN-Achse mit erhöhten Kortisolspiegeln gekennzeichnet. Auch bei gesunden älteren Probanden Hyperkortisolismus mit Störungen des deklarativen Gedächtnisses und hippokampaler Atrophie korreliert. Spezifische Kortikosteroideffekte in Humanstudien I Es ist gut belegt, dass nächtlicher Schlaf die Konsolidierung zuvor gelernter Gedächtnisinhalte fördert. Bei bestimmten Gedächtnisaufgaben findet eine Konsolidierung ohne Schlaf überhaupt nicht statt. Dabei profitiert die Konsolidierung deklarativer (aber nicht nondeklarativer) Gedächtnisinhalte besonders vom Tiefschlafreichen Schlaf der ersten Nachthälfte. Interessanterweise ist der frühe Nachtschlaf durch eine stark herabgesetzte Aktivität der HHN-Achse und entsprechend minimale Kortisolspiegel gekennzeichnet. Er repräsentiert somit physiologisch eine besonders stressfreie Situation. Der niedrige Kortisolspiegel stellt dabei offenbar eine notwendige Voraussetzung für den positiven Effekt des frühen Schlafes auf die deklarative Gedächtniskonsolidierung dar, denn die deklarative Gedächtnisbildung im frühen Schlaf kann durch eine Infusion moderater Mengen von Kortisol während dieses Schlafintervalls vollständig blockiert werden. Diese Blockade wird wahrscheinlich durch die Aktivierung von GR vermittelt, da die Verabreichung von DEX ganz ähnliche negative Wirkungen auf den Konsolidierungsprozess hervorrief Eine Untersuchung von de Quervain et al. (2000) wies darüber hinaus eine Beeinträchtigung des Gedächtnisabrufs durch Kortikosteroide nach. Spezifische Kortikosteroideffekte in Humanstudien II Ergebnisse anderer Humanstudien weisen auf beeinträchtigende Einflüsse von Kortisol auch auf Funktionen des Arbeitsgedächtnisses hin. Da solche kurzfristigen Arbeitsgedächtnisfunktionen die aktuelle Aufnahmekapazität während der Enkodierung des Materials widerspiegeln, muss davon ausgegangen werden, dass sie auch die Akquisition langfristig zu behaltender Gedächtnisinhalte beeinflussen. Da Arbeitsgedächtnisfunktionen insbesondere durch präfrontale Kortexstrukturen vermittelt werden, deuten diese Studien darauf hin, dass diese Strukturen neben dem Hippokampus ein direktes Ziel gedächtnisrelevanter Glukokortikoidwirkungen sein könnten. In der Tat weist der präfrontale Kortex von Primaten eine hohe Dichte von GR auf. Zudem scheint der präfrontale Kortex ähnlich wie der Hippokampus Feedback-Wirkungen von Glukokortikoiden auf die HHN-Aktivität zu vermitteln Differenzielle Wirkung von Kortikosteroiden auf emotionale vs. neutrale Gedächtnisinhalte I Der emotionale Gehalt des Lernmaterials scheint allerdings den Einfluss von Glukokortikoiden auf die Gedächtnisbildung entscheidend zu modulieren. In Humanstudien wurden bisher üblicherweise nur neuropsychologische Standard-Gedächtnisaufgaben mit emotional neutralem Lernmaterial verwendet. Buchanan u. Lovallo (2001) untersuchten in einer neueren Studie erstmals auch Kortikosteroidwirkungen auf die deklarative Gedächtnisbildung für emotional erregendes Material und fanden dabei einen gedächtnisfördernden Kortikosteroideffekt für dieses Material. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Emotionalität des Lernmaterials ein wichtiger Faktor ist, der bestimmt, in welche Richtung Kortikosteroide auf die Gedächtnisbildung wirken. Positive Effekte sind demnach nur bei der Verwendung von emotional erregendem Material zu erwarten, negative dagegen bei der Verwendung neutralen Lernmaterials. Diese Differenzierung könnte auf der spezifischen Beteiligung der Amygdala an emotionalen Lernprozessen beruhen, über die auch hippokampal vermittelte Gedächtnisprozesse moduliert werden. Kortikosteroidrezeptoren kommen auch in der Amygdala in hoher Dichte vor. Für die Verbesserung emotionaler Gedächtnisleistungen unter Kortisoleinfluss könnten insbesondere GR im Nucleus basolateralis der Amygdala eine wesentliche Rolle spielen. Differenzielle Wirkung von Kortikosteroiden auf emotionale vs. neutrale Gedächtnisinhalte II Das Experiment von Buchanan u. Lovallo weist auch auf einen möglichen Erklärungsansatz für den offenkundigen Widerspruch zwischen den bisherigen human- und tierexperimentellen Studien hin. Eiene Studie, in der die Wirkungen von frühem und spätem Nachtschlaf verglichen wurden, zeigte, dass die Gedächtniskonsolidierung für emotionale Texte signifikant stärker vom späten, REM-schlafreichen Schlaf profitierte als die Konsolidierung neutraler Texte. Früher Schlaf hatte dagegen keinen differenziellen Effekt auf die Konsolidierung von neutralem und emotional erregendem Material. Der späte Schlaf zeichnet sich gegenüber dem frühen Schlaf durch einen starken Anstieg der Kortisolkonzentrationen aus. Das Vorherrschen hoher Kortisolkonzentrationen könnte daher eine begünstigende oder sogar notwendige Rahmenbedingung für den positiven Effekt des späten Schlafes speziell auf die emotionale Gedächtniskonsolidierung darstellen. Gedächtniseffekte von ACTH und CRH I Aufmerksamkeit im Sinne der Bereitstellung kognitiver Ressourcen für die Verarbeitung äußerer oder innerer Stimuli hat zwar einen bedeutenden Einfluss auf Prozesse der Gedächtnisbildung, da sie auch die Tiefe der Enkodierung im Rahmen der Akquisition von Gedächtnisinhalten mitbestimmt. In neuroendokrinologischen Studien wurden sowohl hormonelle Wirkungen auf die Aufmerksamkeitskapazität und ihre Aufrechterhaltung über die Zeit (Vigilanz) als auch Wirkungen auf die Selektivität der Aufmerksamkeit untersucht. Es wurde versucht, vergleichbare Effekte von ACTH bzw. seiner verhaltenswirksamen Fragmente ACTH4-10 und ACTH4-9 auch beim Menschen nachzuweisen. Die Ergebnisse dieser Studien sprechen insgesamt für einen primären Einfluss des Peptids auf die Aufmerksamkeit, insbesondere auf den Aspekt der Selektivität der Aufmerksamkeit.Untersuchungen, die Wirkungen unter Bedingungen »selektiver« und »geteilter« Aufmerksamkeit verglichen, führten zu dem Schluss, dass ACTH-verwandte Peptide eine Erweiterung des Aufmerksamkeitsfokus im Sinne einer erhöhten Bereitstellung kognitiver Ressourcen auch für aufgabenirrelevante Stimuli bewirken. Gedächtniseffekte von ACTH und CRH I Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ACTH bzw. die verhaltenswirksamen Fragmente dieses Peptids den Modus kognitiver Verarbeitung kurzzeitig und dosisabhängig im Sinne einer Defokussierung oder Aufmerksamkeitserweiterung verändern. Dieser Effekt wird natürlicherweise wahrscheinlich über ein »hirneigenes« System vermittelt, das vom Nucleus arcuatus des Hypothalamus ausgeht. Welche Rezeptoren für diese Wirkungen der ACTHverwandten Peptide auf Aufmerksamkeitsprozesse verantwortlich sind, ist allerdings bisher nicht bekannt. CRH scheint keinen Einfluss auf Aufmerksamkeitsfunktionen auszuüben. Auch Kortisol hatte in den meisten Fällen keine Wirkung auf spezifische Verhaltensmaße der Aufmerksamkeit.Jedoch wurden in mehreren Studien elektrophysiologisch messbare Kortisoleffekte auf automatisierte Aufmerksamkeitsfunktionen im frühen Zeitbereich der Reizverarbeitung gefunden. Kortisol bewirkte eine Abnahme der »Mismatch Negativity« (MMN), einer EKP-Komponente, die die automatisierte Verarbeitung eines Reizwechsels (»mismatch«) anzeigt. Es scheint, dass diese Wirkungen auf die frühen, exogenen EKPKomponenten stark durch die zirkadiane Rhythmik der HHN-Aktivität moduliert werden und unspezifische Effekte auf die Stimulusinduzierte kortikale Erregbarkeit widerspiegeln. CRH vs. Kortisol, Angst und Depression I Stress stellt eine psychische Belastungssituation dar, die eine systematische Regulation der emotionalen Funktionen und der Stimmung erfordert. Als Emotion im engeren Sinne bezeichnet man eine spezifische, unmittelbar durch eine bestimmte Reizsituation ausgelöste Gefühlsreaktion, die sich auf drei Reaktionsebenen manifestiert: Motorik, Physiologie und subjektives Erleben. Stimmungen stellen dagegen eher länger andauernde Gefühlslagen dar, die bestimmte emotionale Reaktionsmuster prädisponieren. Da bestimmte affektive Erkrankungen wie die Depression und manche Angststörungen mit einer erhöhten Aktivität der HHN-Achse einhergehen, ist die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den Hormonen des HHN-Systems und emotionalen Funktionen bzw. Stimmungen insbesondere aus der klinischen Perspektive von Interesse. Eine herausragende Bedeutsamkeit im Bereich der emotionalen Funktionen scheint dem CRH zuzukommen. Allerdings lässt sich im Humanbereich die Rolle dieses Peptids nicht klar von den durch Kortikosteroide vermittelten Wirkungen abgrenzen. In zahlreichen Tierversuchen wurde in verschiedenen experimentellen Paradigmen ein anxiogener Effekt des CRH aufgezeigt. Die anxiogenen Wirkungen werden höchstwahrscheinlich über den CRH^Rezeptor vermittelt, CRH vs. Kortisol, Angst und Depression II In Humanstudien Im Gegensatz zu den eindeutigen tierexperimentellen Befunden hatte die Gabe von CRH in derartigen Untersuchungen keine nachweisbaren anxiogenen oder sonstigen Wirkungen auf die emotionale Befindlichkeit Auch die Gabe von ACTH zeigte in den Humanstudien nur schwache Wirkungen auf die Stimmung, die am ehesten als leicht aktivierend zu interpretieren sind. Ausgeprägter waren dagegen die Effekte von Glukokortikoiden. Akute Kortisolgaben erhöhten die subjektiv wahrgenommene Aktiviertheit und Konzentration und reduzierten die Müdigkeit. Analoge kurzfristig aktivierende Effekte hatte DEX, während nach längerfristiger Verabreichung dieses Glukokortikoids über mehrere Tage negative Stimmungsveränderungen (Zunahme von Ärger und Traurigkeit) auftraten. Da DEX ebenso wie Prednison relativ selektiv GR aktiviert, scheint die festgestellte langfristig dysphorische Wirksamkeit über diesen Rezeptortyp vermittelt zu sein, möglicherweise durch eine Down-Regulation dieser Rezeptoren. Die langfristig dysphorische Wirkung von Glukokortikoiden wird auch im klinischen Bereich deutlich dadurch, dass Patienten, die längere Zeit mit Glukokortikoiden behandelt werden, teilweise mit erheblichen emotionalen Störungen auf die Behandlung reagieren, ein Syndrom, das in seiner schwersten Ausprägung als »Steroid-Psychose« bekannt ist. Eine neuere Studie deutet allerdings darauf hin, dass Kortikosteroide auch kurzfristig eine negative Stimmung induzieren können. CRH vs. Kortisol, Angst und Depression III Diskrepanzen zeigen sich in der gegenwärtigen Befundlage zur Depression. Die für Depression typische Hyperaktivität der HHN-Achse bezieht sich sowohl auf CRH als auch auf Kortisol. Bei Patienten mit Depressionen sind erhöhte CRH-Konzentrationen in der Zerebrospinalflüssigkeit festgestellt worden. Diese normalisieren sich im Zuge der therapiebedingten Besserung der Symptomatik. Auch bei Patienten mit bestimmten Angststörungen wurden erhöhte Konzentrationen von CRH in der Zerebrospinalflüssigkeit gefunden. Insgesamt gaben derartige Befunde Anlass zu der Hypothese, dass die Hyperaktivität der HHN-Achse und der daraus resultierende Hyperkortisolismus auf eine Überaktivität hypothalamischer CRH-Neurone zurückzuführen sind, weshalb die Behandlung dieser Patienten mit CRHAntagonisten vorgeschlagen wurde. Die erhöhte CRH-Aktivität könnte aber auch Folge einer reduzierten FeedbackHemmung durch Glukokortikoide sein . Depressive Erkrankungen sind primär durch ein ineffizientes GR-Feedback charakterisiert. So gilt als wichtiges endokrines Symptom der Depression die verminderte Supprimierbarkeit der morgendlichen Kortisolfreisetzung durch Dexamethason (DexamethasonSuppressionstest). Bei erfolgreicher antidepressiver Behandlung normalisiert sich auch die Supprimierbarkeit der Kortisolfreisetzung. Vermutet wurde auch, dass die klinisch relevanten Wirkungen klassischer Antidepressiva über eine Verstärkung der GR-Expression vermittelt werden. Allerdings zeigten sich positive Behandlungseffekte teilweise auch bei antiglukokortikoider Medikation, wodurch negatives Feedback auf CRH reduziert wird.