Stress – biologische Grundlagen Ruohan Li & Alessa Hörmann 28. 11. 2012 Gliederung I. II. III. IV. V. Begriffsbestimmung Das sympathische Nervensystem Die HPA - Achse Das Immunsystem Diskussion 2 I. Begriffsbestimung Stressor – Reize aus der Umwelt Stressreaktion – Bewältigungsversuch Befindlichkeitsveränderung mit Stimuluscharakter Stress = jede Art von Belastung, die den Organismus zu einer Anpassungsleistung zwingt 3 Die Stressreaktion? „ Fight or Flight“ – Reaktion ? Heutige Stress-Situationen? 4 Die Physiologie der Stressreaktion HPA- Achse: (HypothalamusHypophysenNebennierenrindenAchse) 5 II. Das sympathische Nervensystem Steuert Aktivitätsvorgänge für „Kampf-FluchtVerhalten“ : Leistungssteigerung des Herzens, Weitstellung der Bronchien, Veränderungen im peripheren Gefäßsystem, Transport des Blutes mit Nährstoffen zu den Arbeitsmuskeln,… 6 Adrenalin & Noradrenalin: Ausschüttung aus dem Nebennierenmark wirken an vielen inneren Organen funktionssteigernd (Erhöhung der Herzarbeit/ des Blutdrucks) Adrenalin: Eingriff in den Glukosestoffwechsel Förderung der Freisetzung energieliefernder Substanzen Noradrenalin: zugleich Neurotransmitter im Gehirn 7 III. Die HPA-Achse • Unter Stress: Aktivierung des Regelkreises von Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde Sekretionsregulation der Glukokortikoide in der Nebennierenrinde(z.B. Kortisol) 8 (1) Schnittstelle Hypothalamus • Informationen von Sensorischen Inputs und Eingeweidevorgängen • Oberstes Integrationsorgan vegetativer Funktionen • Anpassung von Atmung, Körpertemperatur, etc. • Efferenzen zu Neuronen des para-/ sympathischen NS und zum Hypophysenhinterlappen/ -vorderlappen Wichtige Schnittstelle zwischen neuronalem und endokrinem System 9 (2) Hormonelle Umsetzung in der Hypophyse CRH- Ausschüttung Kortikotropinreleasing-Hormon ACTHSekretion 10 (3) Wirkung an der Nebennierenrinde • ACTH löst v.a. die Sekretion von Glukokortikioden aus (z.B. Kortisol), die in der Nebennierenrinde gebildet werden Feinabstimmung der HPA-Achse geschieht durch Rückkopplungsmechanis men auf nahezu allen Ebenen des Systems 11 (4) Auswirkungen der Glukokortikoide und von CRH Allgemein (Glukokortikoide): Sind fettlöslich und können so Blut-Hirn-Schranke überschreiten wirken im Gehirn im Zusammenhang mit Lernen und Gedächtnis basale Regulationsmechanismen (z.B. morgendliche Aktivierung nach dem Aufwachen) zirkadianer Rhythmus Bei Stress Stabilisierung der Homöostase schneller Anpassungsvorgang (1) Glukokortikoide und die Stressreaktion: die Glukokortikoidausschüttung dient der Energiebereitstellung Bereitstellung von Glukose Wichtigster Vertreter: Kortisol Wichtiges Bindeglied zw. HPA-Achse und Immunsystem 12 (4) Auswirkungen der Glukokortikoide und von CRH Ablauf der Energiebereitstellung (Glukose) durch die Glukokortikoide Glukoneogenese der Leber wird stimuliert Aminosäuren werden in Glukose umgewandelt Abbau von Muskelproteinen Hemmung der Muskelproteinsynthese, Beeinflussung des Stoffwechsels Spaltung von Triglyzeriden Erhöhung des Fettsäurespiegels im Blut Hemmung der Glukoseaufnahme in Fettzellen Hemmung der Fettsynthese Summe: Erhöhung des Blutzuckerspiegels Diabetogene Wirkung der Glukokortikoide bei ständiger Erhöhung des Kortisolspiegels 13 (4) Auswirkungen der Glukokortikoide und von CRH (1)Glukokortikoide und die Stressreaktion: Beeinflussung von Immunsystem und Gehirn: Suppression des Immunsystems durch Hemmung von Entzündungsprozessen Hemmung von Immun- und Entzündungsreaktionen Im Gehirn Modulation von Angst, depressiven Verstimmungen und kognitive Prozesse wie Lernen und Gedächtnis: Auf Dauer schädigende Wirkung auf Hippocampus Hippocampusatrophie durch langandauernde Überproduktion von Glukokortikoiden 14 Auswirkungen der Glukokortikoide und von CRH (2) CRH und die Stressreaktion: Bei Tierversuchen: Injektion von CRH in die Ventrikel reduzierte Nahrungsaufnahme, verminderte sexuelle Aktivität, erhöhte Schreckhaftigkeit, Angst chronische Stressaktivierung: verschlechtert Merkfähigkeit kurzfristige CRH-Gabe verbessert Lernleistungen Dysregulation im CRH-System: Beteiligung an Störungen kognitiver und emotionaler Prozesse 15 The level of physical activity affects adrenal and cardiovascular reactivity to psychosocial Stress (Rimmele et al., 2009) • Hypothese: 1. der Grad der verschiedenen Aktivitätslevel hat Einfluss auf die Reaktivität auf psychosozialen Stress (Messung: Kortisolspiegel, Herzrate; psycholog. Messungen: „State-Trait Anxiety Inventory“ (STAI) zur Messung von Stimmung, Ruhe und Angstzustand) http://www.youtube.com/watch?v=aYI6lCeeT5g 16 • Ergebnisse: (1) Kortisolfreisetzung 17 Ergebnisse: (2) Herzrate 18 Ergebnisse: (3) STAI 19 Erklärung der Ergebnisse? Ist es sinnvoll körperlichen mit psychischem Stress gleichzusetzen? Mögliche Erklärungen für die Dissoziation zwischen HPA-Achse (Kortisol) und sympathischem NS (Herzrate)? Folgerungen für die Klinik? Ergebnisse: (4) „Competetiveness“ Hypothese: Perönlichkeitsmerkmal „Competitiveness“ mediiert/moduliert Stressreaktivität (Messung: Fragebogen „Copetitiveness Index“ (CI)) Signifikanter Unterschied in „Competitiveness“ zwischen einzelnen Gruppen, aber keine Mediation! 20 Zusammenfassung: Sympathikus und HPA-Achse • Zusammenwirken von Sympathikus und HPAAchse und anderen Teilsystemen • Sympathikus: Adrenalin und Noradrenalin wirken in inneren Organen funktionssteigernd Steigerung der Energiebereitstellung in Zellen 21 • HPA-Achse: Über Hypothalamus wird die Hormonauschüttung von CRH und ACTH in der Hypophyse reguliert ACTH löst Sekretion von Glukokortikoiden (z.B. Kortisol) aus Energiebereitstellung bei chronischer Kortisolausschüttung: Bluthochdruck, Abbau von Muskelgewebe, Fertilitässtörungen, Wachstumshemmung 22 Netzwerk zw. Nerven-, Hormon- u. Immusystem 23 Psychoneuroimmunologie • 70er Jahre: Stress & Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektion. • 80er Jahre: Entstehung eines Teilfachgebiets der Biopsychologie Interaktion zwischen psychischen Faktoren, Nervensystem und Immunsystem 24 Das Immunsystem Quelle: Schedlowski & Tewes, 1996 26 Immunmechanismen • Unspezifische Immunabwehr (angeboren) – Zelluläre (Makrophagen) – Chemische (z.B. Lysozme) – Physikalische (z.B. Haut & Schleimhäute) • Spezifische Immunabwehr (erworben) • AntigeneAntikörper • Lymphozyten • NK-Zell – Humorale (BLym) – Zelluläre (T-Lym) 27 zelluläre & humorale Immunität Quelle: Pinel & Pauli, 2007 28 Netzwerk zw. Nerven-, Hormon- u. Immusystem • Wie sie miteinander kommunizieren? – HPA-Achse, Symatikus-Achse – Hormone & Neurotransmitter: (Nor-)Adrenalin, Neuropeptide – Zelluläre Basis: Rezeptoren für Neurotransmitter / Hormone auf Immunzellen – Produktion von Hormonen und Neuropeptiden in Immunzellen – Produktion von Botenstoffen des Immunsystems auch im Nervernsystem – Rezeptoren für Botenstoffe des Immunsystems auf Neuronen – Produkte des Immunsystems beeinflussen Aktivität der Neuronen – … (Vgl. Schedlowski, 1994; Schedlowski & Tewes, 1996; Hennig, 1998; Schandry, 2006; Pinel & Pauli, 2007) 29 Wie sie miteinander kommunizieren? ZNS Produktion von Botenstoffen des IS in Nervernzellen Rezeptoren für Botenstoffe des IS auf Neuronen HPA-Achse Symatikus-Achse Hormone & Neurotransmitter: (Nor-)Adrenalin, Neuropeptide Rezeptoren für Neurotransmitter auf Immunzellen Produktion von Neuropeptiden in Immunzellen Produktion von Hormonen in Immunzellen HS Rezeptoren für Hormone auf Immunzellen IS 30 Einige Fakten • (Nor)Adrenalin sind sowohl Neurotransmitter als auch Hormone • Alle immunkompetenten Zellen exprimieren Rezeptoren für Glucocorticoide • Alle Lymphozyten exprimieren β2-Adrenozeptoren für Katecholamine • Makrophagen der Milz exprimieren Rezeptoren für CRH • T- und B-Lymphozyten exprimieren Rezeptoren für ACTH • immunkompetente Zellen synthetisieren ACTH und CRH • Mikrogliazellen und Astrozyten produzieren Zytokine • Astrozyten bilden Zytokin-Rezeptoren • Interferon und Interleukin beeinflussen Hirnaktivität • Erhöhte Antikörperkonzentration beeinflusst die Entladungsraten hypothalamischer Neuronen • ... 31 Stress auf Immunfunktionen Auswirkung von Stress auf Immunfunktionen bei Nagetieren bei nichtmenschlichen Primaten bei Menschen Vgl. Schedlowski, 1994; Schedlowski & Tewes, 1996; Hennig, 1998 32 Stress auf Immunfunktionen bei Nagetieren HPA-Achse Sympathikus-Achse • zentral appliziertes CRH • T-, B- und NK-Zellen reduziert: exprimieren Rezeptoren für Katecholamine – Lymphozytenproliferationsrate – Aktivität der NK-Zellen – Antikörper-Produktion • ... – β-Adrenozeptoren vermindern, – α-Adrenozeptoren fördern Immunreaktionen • ... 33 Stress auf Immunfunktionen bei nichtmenschlichen Primaten Trennung • Trennung von Spielkameraden – Verringerung der Lymphozytenproliferationsrat e Soziale Konflikte • Gruppenbildung/Rückkehr – Erhöhung des Cortisolspiegels – Verringerung der CD4+- und CD8+-T-Zellzahlen • erhöhte soziale Affiliation – assoziiert mit einer erhöhten NK-Aktivität (Soziale Unterstützung) 34 Stress auf Immunfunktion bei Menschen • • • • Akute psychische Belastungen Chronische psychische Belastungen Depression Körperliche Belastungen 35 Akute psychische Belastungen Emotionaler Stress Mentaler Stress • Fallschirmsprung • Kopfrechnenaufgabe – Anstiege der Lymphozytensubpopulationen – der NK-Zellzahlen – der NK-Aktivität. – Anstiege der Lymphozytensubpopulationen – der NK-Aktivität 36 Akute psychische Belastungen • Fallschirmspringerstudie: – positive Korrelation zwischen NK-Zellzahlen nach dem Stressereignis und Plasmakonzentrationen von Noradrenalin vor dem Sprung • Pharmakastudie: – Propranolol (ß-Adrenozeptoren-Blocker) vs. Blacebo vor Stressexpositon – Nur bei Placebo: • Anstiege in Herzfrequenz, Blutdruck • Anstiege der NK-Zellzahlen und der NK-Aktivität NK-Zellen reagieren sensitiv auf akute Belastungen Katecholamine sind an Regulation der NK-Zellen ursächlich beteiligt 37 Chronische Belastungen • Bei Verlusterlebnissen, Akademische Prüfungen, Pflege von chronisch kranken Angehörigen usw. zeigen sich z.B. – – – – verminderte Lymphozytenproliferationsrate verminderte Lymphozytenreaktivität verminderte NK-Aktivität erhöhter Antikörpertiter gegen latenten Viren (als verminderte Kontrolle über die latent Viren) • uneinheitliche und widersprüchliche Befunde – andere psy. Variablen (z.B. soziale Unterstützung, Coping, Bewertung usw.) – U.a. Korrelationen zwischen wahrgenommener sozialer Unterstützung und immunologischen Funktionstests • Andauernd erhöhte Cortisolspiegel schägiden die negative Rückkopplung der HAP-Achse pathogene Effekte 38 Metaanalyse • Segerstrom & Miller, 2004 • Über 300 Studien über Beziehungen zwischen psychologischem Stress und immonologischen Parameter bei Menschen Akute Stressoren: Verbesserungen der Immunfunktion v.a. durch adaptive Upregulation von unspezifischen Immunbarrieren Chronische Stressoren: Suppresion der zellulären und humoralen immunologischen Parametern 39 Zusammenfassung • Stressoren: Hypophysenvorderlappen-NebennierenrindeGlucocorticoide-System & SympathikusNebennierenmark-(Nor)adrenalin-System • Akute Stressoren: eher förderliche und adaptive • Chronische Stressoren: eher schädlich und pathogen • • • • Schwierigkeiten bei Forschungen: ethisch, methodisch uneinheitliche Befunde kognitve, emotionle & andere persönliche Faktoren viele offene Fragen (z.B. Allergie) 40 How Stress Affects Our Immune System http://www.youtube.com/watch?v=wyFPUvG-66E 41 Diskussionen • Welche Erfahrungen habt ihr bezüglich der Auswirkung von akuten / chronischen Belastungen auf Anfälligkeit für Krankheit? • Welche psychische Variablen könnten noch zur Verbesserung von Immunfunktion beitragen? 42 Literaturnachweis • • • • • • • • • Hennig, J. (1998). Psychoneuroimmunologie. Göttingen: Hogrefe. Segerstrom, S. & Miller, G. (2004). Psychological Stress and the Human Immune System: A Meta-Analytic Study of 30 Years of Inquiry. Psychological Bulletin, 130 (4), 601-630. Schandry, R. (2006). Biologische Psychologie. Weinheim:Beltz Schedlowski, M. (1994). Streß, Hormone und zelluläre Immunfunktion. Heidelberg: Spektrum. Schedlowski, M. & Tewes, U. (1996). Psychoneuroimmunologie. . Heidelberg: Spektrum. Pinel, J. & Pauli, P. (2007). Biopsychologie. Münschen: Pearson Rimmele, U., Seiler, R., Marti, B., Wirtz, P. H., Ehlert, U., & Heinrichs, M. (2009). The level of physical activity affects adrenal and cardiovascular reactivity to psychosocial stress. Psychoneuroendocrinology, 34, 190-198. Weimer, S., & Kraus, T. (2011). Herr L.: Diagnose Burn-out. [Mr. L.: Diagnosis burn-out]. Psychotherapeut, 56(3), 239-245. Emack, J., & Matthews, S. G. (2011). Effects of chronic maternal stress on hypothalamo– pituitary–adrenal (HPA) function and behavior: No reversal by environmental enrichment. Hormones and Behavior, 60(5), 589-598. 43 Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit ! 44