Ein interessanter Fall

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6. Süddeutscher Hypophysen- und
Nebennierentag
Ein interessanter Fall
Alexandra Müller-Öffner, Wolfgang Sippel,
Petra-Maria Schumm-Draeger
Städtisches Klinikum München
GmbH
Klinikum Bogenhausen
Klinik für Endokrinologie,
Diabetologie und Angiologie
Chefärztin: Prof. Dr. Petra-Maria
Schumm-Draeger
Fallvorstellung:
Vorstellung in Tagklinik für Adipositas
49 jährige Patientin
Metabolisches
Syndrom
Bekannte Erkrankungen:
- Diabetes mellitus Typ 2 (Erstdiagnose 2006)
- Fettstoffwechselstörung: Hypercholesterinämie
- Bluthochdruck: Arterielle Hypertonie
- Adipositas Grad III, Gewicht 126,9kg
(BMI 46,6kg/m²) Taillenumfang 132,5cm
Schilddrüsenunterfunktion bei Autoimmunthyreopathie
Typ Hashimoto
Fibromyalgie ED 1999
Sozialanamnese: lebt alleine, Bürotätigkeit
Fallvorstellung: Gewichtsentwicklung
In der Kindheit normalgewichtig
Ab der Pubertät stetige Gewichtszunahme bis circa 100kg
Mehrere Diäten versucht, jedoch stets „Jojo-Effekt“
Im Jahr 2006 Erstdiagnose Diabetes mellitus Typ 2
- zunächst Tabletten ohne suffiziente Blutzuckereinstellung
- Versuch einer Inkretintherapie → Abbruch wegen
Unverträglichkeit
- Umstellung auf eine intensivierte Insulintherapie
Weitere 20 bis 30 kg Gewichtszunahme unter Insulintherapie
Familienanamnese: -Adipositas bei beiden Elternteilen
-Diabetes mellitus Typ 2 beim Vater
Fallvorstellung: Medikation
Bluthochdruckmedikation: Candesartan/HCT 32/25mg
1-0-0
Cholesterinsenker:
Simvastatin 40mg
0-0-1
Schilddrüsenhormon:
Levothyroxin 75µg
1-0-0
Parkinson-Mittel:
Pramipexol 0,35mg
0-0-1
Vitamin D
Colecalciferol 1000IE
0-0-1
Insulintherapie:
Insulin Glulisin (Apidra R) und
Insulin Detemir (Levemir R) nach Schema
Fallvorstellung: Eingangsuntersuchung
Körperliche Untersuchung:
Blutdruck: 166/115 mmHg, Puls 79/min,
Herzaktion regelmäßig, Herztöne rein,
Lunge auskultatorisch und perkutorisch unauffällig,
Abdomen weich, kein Druckschmerz, Darmgeräusche unauffällig,
Nierenlager klopfschmerzfrei
keine Fokalneurologie
leichte Unterschenkelödeme
(Flüssigkeitseinlagerung) beidseits
Haut: Striae rubae
Fallvorstellung: Eingangsuntersuchung
Ultraschalluntersuchungen:
Abdomensonographie: Befund einer Fettleber. Sonst kein
pathologischer Befund.
Echokardiographie:
Beide Vorhöfe in der Längsachse vergrößert. Linker Herzkammer
mit normaler Größe und muskelstarken Wänden, Pumpleistung
normal. Rechter Ventrikel normal groß mit normaler
Pumpfunktion. Herzklappenfunktion regelrecht. Kein
Perikarderguß.
Fallvorstellung: Eingangsuntersuchung
Labor:
HbA1c
7,2%
Kreatinin
Natrium
Kalium
0,8mg/dl
140mM
4,1mM
Gesamtcholesterin
LDL-Cholesterin
HDL-Cholesterin
Triglyceride
178mg/dl
103mg/dl
49mg/dl
131mg/dl
Fallvorstellung: Klinik
Vollmondgesicht
Büffelnacken
Stammbetonte
Adipositas
Striae rubae
Blutungsneigung,
Wundheilungsstörungen
Muskelschwäche
Verdacht auf einen Überschuß an Kortisol
Diagnostik bei Verdacht auf einen Überschuß
an Kortisol
Begründeter klinischer Verdacht
Ausschluss einer Kortisolzufuhr
durch Medikamente
Eine der drei folgenden Untersuchungen
24-h-Urinkortisol (3 x)
Erhöht
Dexamethasonhemmtest
Speichel-Kortisol nachts
Kortisol nicht supprimiert Erhöht
Überschuß an Kortisol= Hyperkortisolismus = Cushing Syndrom
Biller BMK et al. J Clin Endocrinol Metab 2008;93:2454-2462
Fallvorstellung: weiterführendes Labor
Cortisol basal:
19,1µg/dl
Dexamethasonkurztest:
Wiederholung
→ 12,3µg/dl nicht supprimiert
→10,3µg/dl nicht supprimiert
24h Sammelurin:
347µg/24h
Ergebnis:
(<110µg/24h)
Überschuß an Kortisol
Kortisol ist für den Menschen lebensnotwendig
- Mobilisierung von Energiereserven
- Erhaltung von Blutdruck und Herzkreislauffunktionen
- Einfluss auf Entzündungsreaktionen
- Regulation von Protein-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel
Ursachen für einen Überschuß an Kortisol
Tumor der Nebenniere
10 %
Dauerhafter Einsatz von
Glucocorticoiden
(Medikamentenanwendung
)
Hypophysenadenom
70% (M. Cushing)
Ektope ACTH
Produktion
10%
Steuerung der Produktion des Kortisols
Kortisol
CRH
ACTH
Kortisol
Nebenniere
Fallvorstellung: weiterführendes Labor
CRH Test
- Cortisol 0 min
- Cortisol 15 min
- Cortisol 30 min
- Cortisol 60 min
- Cortisol 90 min
- Cortisol 120 min
19,3µg/dl
27,7µg/dl
33,7µg/dl
26,3µg/dl
21,1µg/dl
19,8µg/dl
- ACTH 0 min
- ACTH 15 min
- ACTH 30 min
- ACTH 60 min
- ACTH 90 min
- ACTH 120 min
41ng/l (<46ng/l)
100ng/l
72ng/l
49ng/l
36ng/l
33ng/l
Interpretation des CRH-Tests
ACTH-Anstieg über 50%
Kortisol-Anstieg von mehr als 30%
V.a. zentraler Morbus Cushing
ACTH-sezernierendes
kortikotrophes
Hypophysenadenom
Übermäßige KortisolSekretion in den Nebennieren
=> Morbus Cushing
Morbus Cushing
1932 Erstbeschreibung durch den
Neurochirurgen
Harvey Cushing (1869 – 1939)
Cushing HW. Bull Johns Hopkins Hosp 1932;50:137-195.
Morbus Cushing
Ursache: ACTH sezernierendes Hypophysenadenom
Inzidenz: ca. 2 Neuerkrankungen / 1 Million Einwohner
Prävalenz: ca. 2900 diagnostizierte Patienten in Deutschland
Geschlecht: 70% Frauen, 30% Männer
Alter:
Altersgipfel 20. – 50. Lebensjahr
Lebenserwartung: ohne Behandlung ca. 5 Jahre
Diagnosestellung: bis zu 5 Jahre nach Beginn der Symptome
Fallvorstellung: Bildgebende Diagnostik
MRT der Hypophyse:
Die T2 Übersichtssequenz zeigt keine pathologische
Signalalteration intrazerebral. Keine Zeichen für
Liquorzirkulationsstörungen.
Die Hypophyse zeigt Ausmaße von ca. 11x17x13mm und ist somit
vergrößert. Konvexe Konfiguration in Richtung der suprasellären
Zisterne. Das Chiasma opticum nicht betroffen. Nach KM
Applikation findet sich ein relativ homogenes Enhancement.
Zusammenfassung: Insgesamt deutliche Vergrößerung der
Hypophyse mit Abgrenzbarkeit eines Adenoms im Bereich der
suprasellären Zisterne.
Klinisch relevante Hormone des
Hypophysenvorderlappens zur Steuerung
der Endorgane
Keine Insuffizienz
einer Achse
Prolactin
Wachstumshormon
TSH
ACTH
Gonadotropine
(LH/FSH)
Brust
Leber
Schilddrüse
Nebenniere
Gonaden
Milch
Insulin-Growth
Faktor 1
T3 und T4
Cortisol
Östradiol
Fallvorstellung: Therapie
Transsphenoidale Resektion des Hypophysenadenoms am
12.09.2011:
Histologisch: Hypophysenadenom mit immunhistochemischer
Expression von ACTH
Literatur: Erfolgsrate der transsphenoidalen Resektion bei
Makroadenome (≥ 1 cm):
Erfolgsraten < 65%
Rezidivraten: 12 – 45%
Rezidive durchschnittl. 16 Monate nach Operation
Diagnose: Dexamethasonhemmtest
Abklärung eines bestehenden Hyperkortisolismus
Normal
M. Cushing
Dexamethason
Niedrig dosiert
(2 mg)
ACTH
Kortisol
Kortisol morgens supprimiert
ACTH
Kortisol
Kortisol morgens nicht supprimiert
Biller BMK et al. J Clin Endocrinol Metab 2008;93:2454-2462
Fallvorstellung: Diagnostik und Therapie
Dexamethasonkurztest eine Woche postop.
→ unzureichende
Suppression
Dexamethasonkurztest zwei Wochen postop.
→ unzureichende
Suppression
MRT-Hypophyse:
Bei ansonsten regelrechtem postoperativem Befund zeigte sich am
rechten Sellarand in der Nachbarschaft des rechten Sinus
cavernosus noch etwas KM-aufnehmendes Gewebe
→ DD kleiner Adenomrest
Morbus Cushing: Therapie bei weiterbestehender Erkrankung nach Operation
Re-Operation
•Erfolgsrate niedriger als bei
Primärtherapie (50 - 70%)
•Größeres Risiko einer
Hypophyseninsuffizienz
Bilaterale Adrenalektomie
•Effektive und sofortige
Kontrolle des
Hyperkortisolismus
•Lebenslange Substitution von
Gluko- und Mineralokortikoiden
Stahlentherapie
•Fraktionierte Strahlentherapie
oder Strahlenchirurgie
•Bei 50 – 60% der Pat. Kontrolle
des Hyperkortisolismus
innerhalb von 3 – 5 Jahren
•Gefahr der Hypophyseninsuffizienz
•Kognitive Störungen?
Medikamentöse Therapie
Strahlentherapie:
Im Verlauf klinisch und laborchemisch Rezidiv:
Bestrahlung der Sellaregion bis 29.5.12
Fallvorstellung: Therapie
Beginn der medikamentösen Therapie:
Pasireotide 2x0,6mg/d ab dem 4.7.12
Pasireotid (SigniforR)
- ist ein neuartiges Somatostatin-Analogon
-erste zugelassene medikamentöse Therapie bei Morbus Cushing
-B2305-Studie zur medikamentösen Therapie des M. Cushing:
-Rasche und lang anhaltende Reduktion der Ausscheidung
freien Urinkortisols bei den meisten Patienten:
-Normalisierung bei ca. 25% der Patienten, insbesondere
bei geringer Erkrankungsaktivität
-Besserung der klinischen Symptome
-Verträglichkeit mit anderen Somatostatin-Analoga
vergleichbar (Diarrhoe, Übelkeit, Gallensteine): Häufiger
Hyperglykämie-assoziierte Nebenwirkungen
Fallvorstellung: Diagnostik & aktuelle Therapie
Unter Pasireotide 2x0,6mg/d
Dexamethasonkurztest
24h Sammelurin
HbA1c: 7,4%
→ 5,2µg/dl
319µg/24h
(<110µg/24h)
Dosissteigerung auf Pasireotide 2x0,9mg/d ab dem 17.9.12
Beginn zusätzlicher medikamentöser Therapie
-mit Dopaminagonisten: Cabergolin (CabergolinR)
Cabergolin (einschleichend) auf 1,5mg/Wo.
- Mit Inhibitoren der Steroidsynthese: Ketoconazol
Ketoconazoltherapie 600mg/d
24h Sammelurin: Kortisol aktuell normalisiert
HbA1c: 7,3%
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