Wieviel Modellierung braucht ein Biologie? Dr. Peter Friedhoff Institut für Biochemie, Fachbereich Chemie und Biologie Justus-Liebig-Universität Gießen Systembiologie? The Scientist (2003),17:26 Was ist der Unterschied zwischen einer lebenden und einer toten Katze? Eine Antwort ist „Systembiologie“: „A dead cat is a collection of its component parts. A live cat is the emergent behaviour of the system incorporating those parts.“ Editorial Nature (2005), 341: 1 Biologische Systeme Organismus Organ Gewebe Zelle Organell … Voet & Voet (2004) Biochemistry 3.Ed. Schlüsseleigenschaften von Systemen Systemstrukturen Bestandteile biologischer Systeme sowie deren strukturelle Beziehungen Systemdynamik Verhalten des System unter verschiedenen externen und internen Bedingungen Systemkontrolle Mechanismen, die das System unter Kontrolle halten Konstruktionsprinzipien Diese müssen in biologischer Systeme identifiziert und bei der Systemanalyse und der Erzeugung von gewünschten Eigenschaften genutzt werden. http://www.bmbf.de/pub/systembiologie.pdf Systembiologie "Systembiologie untersucht das Verhalten und die Wechselwirkungen aller Elemente in einem bestimmten funktionierenden biologischen System“ Ideker, T.; Galitski, T.; Hood, L. (2001) Annu. Rev. Genomics Hum.Genet. 2 Palsson, B. (2000) Nature Biotechnology 18, 1147-1150 http://www.bmbf.de/pub/systembiologie.pdf Hypothesen-getriebene Forschung in der Systembiologie Kitano (2002), Science 295 1662-1664 Systeme analysieren – Bottom-up, top-down, oder middle-out? Top-down: Fängt bei höheren Detailstufen an und arbeitet sich zu niedrigeren Stufen vor Bottom-up: von den Komponenten (DNA, Protein) zu den übergeordneten Systemen bis hin zum Organismus (oder höheren Stufen) Prozesse in der Systembiologie Datengewinnung Hochdurchsatzverfahren/Parallelisierung Quantitative Methoden Qualität/Standardisierung Datenbanken Modellierung Chemisch-kinetische Modelle Diskrete Schaltkreismodelle … Technologien zur Datengewinnung Institute for Systems Biology, Seattle, USA Gene (DNA) DNA-Sequenzierung, Genotypisierung, Gen-Deletion, RNAi-knockouts Genexpressionsmuster (RNA) Microarrays und DNA tagging Verfahren DNA-Protein-Interaktionen Chromatin-Immunoprezipitation und GenChips (ChIP-Chip) Protein-Protein Interaktionen Two-hybrid-basierte Interaktionen, Affinitätsaufreinigung/Massenspektrometrie, quantitative Proteomanalyse Subzelluläre Protein Lokalisation Zellsortierung, molecular imaging von Reportergenen, Antikörperfärbung In der Praxis sieht das dann so aus: Galaktose-Stoffwechsel in Hefe Datenerfassung und Prozessierung Hwang, Daehee et al. (2005) Proc. Natl. Acad. Sci. USA 102, 17302-17307 In der Praxis sieht das dann so aus: Galaktose-Stoffwechsel in Hefe Modell des Netzwerkes Hwang, Daehee et al. (2005) Proc. Natl. Acad. Sci. USA 102, 17302-17307 Strukturen, Dynamik und Kontrolle: E. coli Metabolismus Massentransfer Enzyme +Regulation Metabolite * Quelle: EcoCYC “Biology needs to graduate from the cartoon diagram” Bruce Alberts, ehemaliger Präsident der US National Academy of Sciences in einer Bemerkung auf einem Symposium mit Thema “Dynamics in Biological Networks” in Princeton 2001 Vom Cartoon zum Modell: quantitative Modellierung Massentransfer Enzyme +Regulation Metabolite * Quelle: EcoCYC Quantitative Modelle Beschreiben die Form der Daten Parameter korrespondieren nicht unbedingt mit biologischer/physikalischer Größe Regression Nicht-lineare Modellierung Neuronale Netze Blutdruck Empirische Modelle Log (Dosis) Y Ymin Ymax Ymin 10 1 10 x LogEC50 n Quantitative Modelle Physikalisch/Mechanistisch E S ES E P S d P k cat ES Vmax dt K m S Aufzählung der Komponenten, Beziehungen und physikalische Beschreibung der Interaktionen Deterministisch oder stochastisch Beispiele für komplexe Systeme E. coli Metabolismus Massentransfer Enzyme +Regulation Metabolite * Quelle: EcoCYC Einfaches Modell mit Rückkopplung MAP Kinase Kinase Kinase MAP Kinase Kinase MAP Kinase Mitogen-aktivierte Kinase www.celldesigner.org Konzentration Simulation ohne Feedback Zeit Konzentration Simulation mit Feedback ein oszillierendes System Zeit Konzentration Simulation mit Feedback Was passiert, wenn … v v2 Zeit Die Aktivität der Phosphatase um 50 % reduziert wird [MKKK P] [MKKK P] K 2 Dephosphorylierung durch Phosphatase Konzentration Simulation mit Feedback Was passiert, wenn … v v2 Zeit Reduktion der Phosphataseaktivität um 50 % Frequenzmodulation des Oszillator [MKKK P] [MKKK P] K 2 Dephosphorylierung durch Phosphatase Vorgehensweise bei der Modellierung hier: kinetische Modelle Verhalten des Modells unter verschiedenen Bedingungen (Parametern, Konzentrationen) (Simulation) Schlüsselparameter erkennen (Systemanalyse) Vergleich mit experimentellen Daten (z.B. Proteinkonzentration, Input/Output, Metabolitkonzentrationen) (Experiment) Vergleich der Parameter in der Simulation mit denen aus Experimenten Modell verfeinern (Iteration) Kinetische Modelle in der Signaltransduktion Input Input EGF epidermal growth factor transiente Stimulation NGF nerve growth factor transiente und anhaltende Stimulation ERK extracellular-signalregulated kinase Zelle reagiert mit Wachstum oder Differenzierung Output Sasagawa et al. Nat Cell Biol. 2005 Apr;7(4):365-73 Output Vergleich von Simulation (in silico) und Experiment (in vivo) EGF NGF Simulation Simulation In vivo Daten In vivo Daten Sasagawa et al. Nat Cell Biol. 2005 Apr;7(4):365-73 Verschiedene Ebenen – Verschiedene Modellierungen Bornhold (2005), Science 310 449-450 „All models are wrong. Some models are useful.“ George Box Nun fängt die Arbeit an ... In vivo Kinetiken der NukleotidExzisions-Reparatur Friedberg, Nature Reviews Cancer 1, 22-33 (2001) In vivo Kinetiken der NukleotidExzisions-Reparatur Fluoreszenz-markiertes XPC UV-Schaden setzen Kinetiken verfolgen Politi et al. (2005) Molecular Cell, 19, 679–690