Viale

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Seminar Epistem. Kulturen
Riccardo Viale
Truth, Science, and Politics –
An Analysis of Social Epistemology
In: R. Viale (Hg.) Knowledge & Politics
Heidelberg: Physica, 2001
ISBN 3-7908-1422-9
These

Beziehung Wissen(schaft)-Politik ... eine
der wesentlichen Fragen der heutigen
Demokratie



dzt.- speziell in Europa – eine
Verschlechterung in der
Wachstumsrate wissenschaftlichen Wissens
Nutzung des besten Wissens bei politischen
Entscheidungen
Ursachen (Viale)


Rationalität von Entscheidungsprozessen zunehmend nach außerwissenschaftlichen Kriterien (agency model,
Bürokratismus)
Kritik der Wissenschaftssoziologie und philosophie führt in der Tendenz zu
Legitimationsverlust der Wissenschaft
Epistemologische Analyse

Untersuchung der Grundlagen von
Wissen




Bezug zur Realität (empirisch/theoretisch)
Begründung bzw. Rechtfertigung
(wahr/nützlich/konventionell/kohärent)
Hervorbringung (psychologisch/sozial)
Wissen ... beginnt beim Individuum
Sozialepistemologie

Gesellschaftliche Bedingungen des
Wissens 



soziale Normen
etablierte Praktiken
Institutionen
Evaluation dieser Faktoren hinsichtlich
„Wissensverarbeitung“ (Erzeugung,
Verteilung und Nutzung des Wissens)
Gegenstände der Evaluation


individualistischer Zugang
wesentliche Größen 



Wissen
Inferenzregeln (Methodik)
individuelle Entscheidungsträger
soziale Phänomene ... Ergebnis der
Koordination forschender Individuen
Legitimationsquellen

Akzeptanz: durch wen und welche
Mechanismen wird Wissen legitimiert?




Feyerabend, Rorty: universelle Regeln gibt
es nicht, „freier Wettbewerb“
Kuhn: lokale Regeln („Paradigma“)
Goldman: Gruppenkonsens,
Expertenmeinung, „true belief production“
Viale: Quellen u. Kriterien unterscheiden!!
Legitimation durch Experten




„elitärer“ Ansatz
zumindest teilw. disziplinen-spezifisch
soziale Normen regeln die Akzeptanz –
zentralistischer Ansatz verhindert
Relativismus/Lokalismus: Tradition
„aufgeklärte Aristokratie“: etablierte,
senior scientists definieren/propagieren
Akzeptanz-Regeln
Demokratische Legitimation

Konsensbildung in der arbeitsteiligen
Wissenschaft 
Akzeptanz „unproblematischen Hintergrundwissens“ ... jeder scientist baut u.a.
auf Fremdwissen auf, dessen Gültigkeit
aufgrund seiner legitimen Entstehung
(insb. Reputation) und Gruppenbestätigung
akzeptiert wird
Begründungskriterien



bilden die Basis für die Gültigkeit von Wissen
und somit auch
die Basis für die Akzeptanzkriterien
zentrale Kriterien –



Wahrheit
Nützlichkeit
Extremposition: Nihilismus (z.B. methodologischer Anarchismus/Feyerabend)
Pragmatismus


sozialer Utilitarismus: alles, was wirkt, ist OK;
Absenz universeller Kriterien
epistemischer Pragmatismus (James, Rescher,
Stich, Holland): Antworten sind akzeptabel,
insoweit sie konkrete Probleme lösen



„theorizing without representation“
Betonung operativer Aspekte d. Wissens
Erfolg mit zunehmendem Realismus der Theorien
Realist Cognitivism (1)



Viale ... betont die Rolle der (pragmat.)
Wahrheitssuche der Wissenschaften
normatives Konzept: „... normative
epistemology is a branch of engineering.“ [Quine]
Epistemologie: wissenschaftliche
Untersuchungen und Anleitung zur
(richtigen) Wissensgewinnung
Realist Cognitivism (2)


Merkmal #1: Rückführung der Norm auf
„natürliche Eigenschaften“ der Erkenntnis
Naturalizing epistemology: the normative
dimension of epistemology is identified/
constrained by the programme of describing
the psychological processes that translate
evidence into knowledge through mental
representation
Realist Cognitivism (3)



Merkmal #2: Wissen als Repräsentation von
Welt
Knowledge as a set of concepts: knowledge
of something coresponds to a concept or a
set of concepts of something generated from
a direct mind-world causal relation
wissenschaftliches Wissen ... Spezialfall des
Modells der Konzeptbildung
Realist Cognitivism (4)



Merkmal #3: Korrespondenz zwischen
Konzept und Realität ist wahrheits-stiftend
Realism: reality is independent from the
epistemic states of the perceivers who can be
successful by degrees in representing it
wahre Korrespondenz ist eine Frage der
Entdeckung, nicht der Erfindung (Smart,
Papineau)
Realist Cognitivism (5)



Merkmal #4: Wahrheit ist ein Maß des
„Beschreibungserfolgs“ eines Konzepts
Goldman: descriptive success (DS) theory ...
a truth bearer successfully describes a truth
maker
DS correspondence theory of truth: an item X
(a proposition, a sentence, a belief, etc.) is
true iff X is descriptively successful, that is, X
purports to describe reality and its content
fits reality
Realist Cognitivism (6)


Merkmal #5: reichhaltigere Konzepte sind
pragmatisch besser
Degrees of truth as functions of the degrees
of the conceptual representation: the truth by
degrees is a function of the number of the
features of the worldly objects represented by
the concept


Wahrheit ... ist damit wohl auch kontextabhängig?
wichtigster ‚truth bearer‘: ‚mind‘-Konzept
Realist Cognitivism (7)


Merkmal #6: verifikationistische Beurteilung
der Korrespondenz („fittingness“)
Cognitive reliability: knowledge is justified iff
it is generated or verified according to
reliable cognitive processes


entweder die Aussage ist durch eine verlässliche
[kognitive] Prozedur verfizierbar
oder die Repräsentation (das Konzept) ist durch
einen verlässlichen Prozess (re-)konstruierbar
Realist Cognitivism (8)



Merkmal #6*: Einbindung des forschenden
Individuums in das kollektive Unterfangen
Metacognitive reliability: when an individual is
not inclined to generate reliable cognitive
processes spontaneously, his knowledge is
justified iff it is generated and verified
according to reliable metacognitive processes
soziale Stabilisierung kognitiver Prozesse
durch Wissen/Tradition/kollektive Praxis
Realist Cognitivism (9)



Merkmal #7: kollektivierte (d.h. normative)
Regeln des Forschens und Theoretisierens
Methodological reliability: knowledge is
justified as scientific iff cognitive reliability is
satisfied and knowledge is generated and
verified according reliable methological
behavior for scientific research
Regeln sind primär sozial und nicht (meta-)
kognitiv determiniert
Realist Cognitivism (10)


Merkmal #8: Wissenschaft als soziale
Aktivität (Arbeitsteilung, Forschungsgemeinschaft, Reziprozität/Stabilisierung)
Social reliability: scientific knowledge is
justified as social iff cognitive reliability and
methodological reliability are satisfied and it is
generated and verified according to reliable
social behavior and practices (that govern
collaboration, communication and coordination among scientists)
Realist Cognitivism (11)

„... the need to rely on the knowledge produced by others and on the collaboration of
colleagues in research activity pushes the
scientists to establish deontological norms
and sanctions in order to promote the correct
and sincere truth pursuing behavior on the
basis of reciprocity. The scientific ethos and
deontology, usually, are not formalized rules,
but are part of the cultural endowment of the
scientist.“
Realist Cognitivism (12)

Zusammenfassung: 3 Formen von
„Verlässlichkeit“




reliable (meta-) cognitive processes (6,6*)
reliable methodology (7)
reliable social behavior/practices (8)
soziale Normen und Praktiken der
Wissenschaft als Konsequenz der
individuellen Suche nach Wahrheit
Realist Cognitivism (13)


ohne Merkmal #8 bleibt Forschung im
Grunde solipsistisch konzipiert
Kritik: Frage ist, ob Viales Merkmal #8
nicht letztlich wieder zurückführt zu den
wissenschaftssoziologisch-kritischen
Positionen (Bloor, Latour, Feyerabend,
usw.), die Viale angreift und
abzuwerten versucht?
RC: Folgerungen (1)


„... every practice, initiative, rule and
institution that improves the reliability
of the cognitive processes and methodological behavior in discovery and
verification is a positive contribution to
the growth of knowledge.“
was ist diesem Ziel förderlich?
RC: Folgerungen (2)

4 Bedingungen:





Reduktion von Wettbewerbsverzerrungen
(„Matthäus-Effekt“)
Symmetrie der Information
Steigerung der Informationstransparenz
starke meritokratisch-soziale Anreize
„wettbewerblicher Erkenntnismarkt“ als
Metapher
RC: Folgerungen (3)

Spielregeln der Wissenslegitimation:



Akzeptanz neuen Wissens durch demokratische
Konsensfindung, Selektion erfolgt auf Basis des
Wettbewerbs hinsichtlich bestmöglicher RCTauglichkeit
elitistische Setzung der Regeln (Berufung auf
Hayek: individualistische Gesellschaft nur auf Basis
geteilter starker Überzeugungen betr. Normen und
Traditionen)
methodischer Anarchismus dissozialisiert
RC: Folgerungen (4)

„Marktstrukturen“


Subsidiarität: Dezentralisierung der
Entscheidungen (Ziele, Ressourcen) soweit als
möglich, Zentralisierung (agency model) so
sparsam wie nötig ... evolutionäre
Selbstorganisation zwecks Optimierung der RCKriterien
Präferenz für Forschungsgruppen/-zentren als
Akteure ... „quasi firm“-Modell wg. Komplexität
der Aufgabenstellungen
2. akademische Revolution (1)

Wandel im wissenschaftlichen Ethos (Merton,
CUDOS vs. PLACE)



zunehmende Dominanz praktischwettbewerblicher Fragestellungen (Innovation)
Wissensprivatisierung (IPR, Patente), Forschung
als betriebliche Investition; industrialisierte
Wissensproduktion (employed scientists)
Zurechenbarkeit (accountability):
verschwimmende Grenzen zwischen den Zielen
staatlicher und privater Forschungsfinanzierung
2. akademische Revolution (2)

Veränderungen:


Entwicklung großer Forschungsorganisationen mit bürokratischer
Verfassung und Entscheidungsstruktur
zunehmende Verbreitung der Charakteristiken ökonomischer und industrieller
Institutionen, von Managementkultur und
deren Werten in der scientific community
Wissenschaft & Politik (1)


Politikberatung bei unkontroversieller
wissenschaftlicher Lage: starke Position
der Wissenschaft
sonst: experimentelle Vorgangsweise ...
wer entscheidet die Experimentierfolge
wie? -> Referendum, parlamentarische
Abstimmung
Wissenschaft & Politik (2)

Defekte in der bestmöglichen politischen
Nutzung wissenschaftlichen Wissens:


politische Ziele widersprechen den epistemischen
Konsequenzen; Wissenschaft dient (nur) zur
Rationalisierung politischer Entscheidung, m.a.W.,
die politische Nutzenoptimierung geht zulasten der
sozialen
Post-Modernismus der Wissenschaft untergräbt
(mutwillig) ihre Autorität als rational-überlegene
Politikberaterin ... Selbstzweifel über die
Wahrheitsfähigkeit der Wissenschaft macht sie de
facto obsolet
Neoakademismus (1)

Plädoyer für RC als Maßnahme zur
Wiedererstarkung der Wissenschaft in
der Politikberatung durch Stärkung
sozialer Institutionen wie insb.




wettbewerblicher Erkenntnismarkt
elitistische Legitimation der Regeln
Subsidiarität
quasi-betriebliche Organisation
Neoakademismus (2)

Entbürokratisierung!



„... public agency model is epistemologically a dangerous model of scientific
organization because it collides with the
desiderata of the social reliability feature of
RC social epistemology.“
Verzerrungen durch geschützte Wissensmärkte und „epistemische Monopole“
Unproduktivität der Bürokratie
Neoakademismus (3)

industrielle Orientierung!



Finanzbedarf der akademischen Forschung
(Universitäten!) und Wissensbedarf der
Industrie legen Kollaboration nahe
Vorteil ist größere Unabhängigkeit der
Forschung von politischen Planvorgaben
Nachteil ist Gefahr der „Industrialisierung“
(kurzfristige Forschungslogik, Wahl der
Forschungsprobleme)
Neoakademismus (4)

Wahrheit ist immer modisch!


Pragmatismus ist kein Widerspruch zur
Realitätsprämisse (K. Lewin: „Nichts ist
praktischer als eine gute Theorie.“)
empirische Untersuchung (Viale) zeigt
angeblich, dass angewandte Forscher das
traditionelle Wissenschafts-Ethos nicht
aufgeben
Neoakademismus (5)

„The philosophy of science emerging from
these results seems to have particular
features that fit with the RC social
epistemology. It is comparative, that is the
choice of a theory depends on the success of
one among competing candidates; it is
realist; and it is procedural, that is, it justifies
the truth of a hypothesis by the reliability of
the methodological behavior used for its
generation.“
RC Conclusio

nach Viale legen diese Resultate nahe:



„... a return to the traditional autonomy of
the academic science of the previous
century, ...“
allerdings „ ... with strong collaboration to
the industrial world.“ zwecks Sicherung des
rechten Selektionsdrucks
WWW ... Wichtiger Beitrag zur Informationssymmetrie und -transparenz
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