Klinische EthikberatungInteresse, Zustimmung und Vorbehalte der Krankenhausmitarbeiter Dr. med. Thela Wernstedt, M. A. Klinische Medizinethik Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Gliederung 1. 2. 3. 4. 5. Was kann Ethikberatung? Konfliktmöglichkeiten Ablehnung Zustimmung Ausblick Ethikberatung: kurzfristiges Ziel Hilfe durch Gesprächsmoderation bei einem ethischen Problem auf Station. • Benennung des ethischen Konfliktes • Moderation der Entscheidungsfindung • Moderation der Entscheidungsbegründung Was tut Ethikberatung nicht ? • Übernahme der Verantwortung für eine Entscheidung • Vorschreiben moralischer Normen • Kontrolle der Mitarbeiter und Bewertung ihrer Handlungen nach „falsch“ und „richtig“ Ethikberatung: langfristiges Ziel • Sensibilisierung der Mitarbeiter für ethische Konflikte • Sensibilisierung für unterschiedliche Werthaltungen • Umgang mit Werthaltungen und Konflikten Ethikberatung: kurzfristige Auswirkungen • Ethische Konflikte: notwendiger und selbstverständlicher Bestandteil des Alltags • Umgang mit Güterabwägung • bewußter Umgang mit Werten und Bewertungen • Falle: der mündige Kundenpatient und der Dienstleistungskrankenhausmitarbeiter verschreiben sich selbst Konfliktvermeidung durch Ethikberatung Ethikberatung und Weltbild Derzeitiges Weltbild: unhinterfragte Funktionalisierung und Rationalisierung von Entscheidungen und Handlungen in Systemen bedeutet Konflikt = Defekt, weil Störung im Ablauf. Ethikberatung: behebt und verhindert in dieser Perspektive Konflikte = Defekte Ethikberatung: Auswirkungen 1. Folge: Das ärztliche Selbstverständnis wird in Frage bestellt: die nicht hinterfragbare Verantwortung und die Hierarchie. Ethikberatung: langfristige Auswirkungen 2. Folge: Das Selbstverständnis der Medizin als „praktische oder angewandte Naturwissenschaft“, die meint mit objektivierbaren Fakten umzugehen, wird in Frage gestellt. Ethikberatung: langfristige Auswirkungen 3. Nicht selbstverständliche Folge: Nachdenken über das heutige Menschenbild und Veränderung des Menschen durch Selbstreflexion. Ethikberatung Ethikberatung ist praktische Philosophie Ethik und Erkenntnistheorie • Güterabwägung und Wirklichkeitsinterpretation sind miteinander verbunden. (Anders: Ethik und Erkenntnistheorie sind nicht trennbar) • Primäres Interpretationsrecht der Wirklichkeit im Krankenhaus haben die Ärzte. Ärztliche Sozialisation • Ausbildung: theoretisches Vakuum bei moralischen und Erkenntnistheoretischen Fragestellungen • Ausbildung: überfüllte Hörsäle, multiple choice-Prüfungen, Leistungsdruck, Auswendiglernen Ärztliche Sozialisation • Alltag: „Vorbildsuche“ auf Station (Altassistent, Oberarzt, Chefarzt) • Umgang mit ethischen Konflikten wird implizit erfahren: es wird nicht thematisiert, sondern gemacht. • Ärzte erfahren keine Trennung der beruflichen Rolle, der ethischen Konflikte und ihrer Person Konfliktmöglichkeiten Zwischen Personen/ Werten/ Realitäten: • Im Team • Innerhalb einer Hierarchie • Zwischen Hierarchien • Zwischen Team und Patient • Zwischen Team, Patient und Angehörigen Methoden der Ablehnung • Abqualifizierung des Moderators • Verengung der Situation auf die eigene Realitätsempfindung • Verneinung von Wertkonflikten • Verneinung von schwierigen Entscheidungssituationen • Drohende Abqualifizierung von Teammitgliedern, die Wertkonflikte sehen Ablehnung durch Ärzte Ärzte/Innen: Befürchtung für • Persönliche Integrität • Berufliche Kompetenz • Status/Autorität • Weltbild/ exklusives Interpretationsrecht der Wirklichkeit Zustimmung zu Ethikberatung • • • • Studenten Pflegepersonal Anästhesisten Vertreter aller Professionen und Abteilungen, die sich persönlich für Wertfragen interessieren. Zustimmung zu Ethikberatung Pflegepersonal: • Oft: sensibles Wahrnehmen von ethischen Konflikten auf Station • Abwartendes Zuhören • Empfindung eines Bildungsgefälles • Vorsicht, etwas „falsch zu sagen“ • Zurückhaltung, sich von der Ebene persönlicher Erfahrung zu entfernen Ausblick: Klinische Medizinethik • Ethikberatung als Unterstützung bei Krisen • Fortbildung der Mitarbeiter informell bei Stations-besprechungen u.ä. • Fortbildung in ethischen, rechtlichen und gesundheits-politischen Fragen • Einüben einer Kultur des Gesprächs und gegenseitigen Respektes. Ausblick: Klinische Medizinethik • Ethikberatung/KEK als Möglichkeiten das Organisationssystem (Krankenhaus) weiterzuentwickeln. • Ethikberatung/KEK als praktische Philosophie: einüben von Kritikfähigkeit und Argumentation