PD Dr. Jürgen Neyer Einführung in die Internationalen Beziehungen • • 17.4. Vorstellung der Veranstaltung 24.4. Die Lehre von den Internationalen Beziehungen Teil A: Empirische Grundlagen • • • 8.5. Sachbereich Wirtschaft 15.5. Sachbereich Sicherheit 22.5. Sachbereich Herrschaft Teil B: Theoretische Perspektiven • • • • • • 5.6. Wozu Theorien internationaler Beziehungen? 12.6. Realismus/ Neorealismus 19.6. Liberalismus 26.6. Materalismus 3.7. Funktionalismus 10.7. Regieren in Europa Teil C: Zusammenfassung • 17.7. Zusammenfassung Funktionalismus - Am Anfang war der Wunsch Def.: Normativ oder analytisch gemeinte Unterordnung der Einheiten eines Systems unter die Imperative des Gesamtzusammenhanges David Mitrany: A Working Peace System (1943) • Politische Kooperation vs. technokratische Problemlösung: „exekutive Agenturen mit autonomen Aufgaben und Machtmitteln“, „arbeitender Frieden“ • Form Follows Function („ramification“) • Überwindung des Staatensystems • Zusammenarbeit in IO führt zur technokratisch verwalteten Welteinheit Neofunktionalismus - Wirtschaftsintegration I Ernst B. Haas: The Uniting of Europe (1958) Was? Integration als „process whereby political actors ...are persuaded to shift their loyalities, expectations, and political activities toward a new centre, whose institutions possess or demand jurisdiction over the pre-existing national states. The end result... Is a new political community, superimposed over the pre-existing ones (Haas 1968: 16) Warum? „Spill-over“: Ökonomie, Politik, Gemeinschaft. Drei Varianten: funktional (Sachzwang), politisch (Loyalität), erzeugt (upgrading of the common interest) Wie? Linearer, sachlogischer Prozess, der von ökonomischen oder politischen Nutzenerwartungen angetrieben ist Neofunktionalismus - Wirtschaftsintegration II Empirisches Problem: Eurosklerose, NichtIntegration im Rest der Welt Relativierung des Automatismus • Pluralistische Gesellschaftsstruktur • Hochentwickelte Volkswirtschaften • Politisch-ideologischer Konsens • Externe Bedrohung • Möglichkeit von „spill back“ durch „dramatische Akteure“ Konsequenz • Zurücknahme des theoretischen Anspruches (pre-theories) (Haas 1970) • Obsolescence of regional integration theory (sui generis-Theorie?) (Haas 1975) Neofunktionalismus - Sicherheitsintegration Karl W. Deutsch 1957: Political Community and the North Atlantic Area Wenn • Gemeinsame Werte der Entscheidungsträger (Identität) • Erwartungssicherheit bzgl. des Verhaltens anderer Entscheidungsträger (Kultur) • Mutual reponsiveness („Tötungshemmung“) • Perzeption äußerer Bedrohung Dann (und nur dann) „take off“ (anstelle von „spill over“): aus Theorie wird wirkungsmächtige Realität Aktuell: Security Communities (Adler/ Barnett 1998), Risse in IP Neofunktionalismus - Herrschaft Ausgangspunkt: EEA, Wiederbelebung des Integrationsprozesses Evidenzen • Initiativrolle der Kommission, Delors (Stone/ Sweet) • Starke Rolle des EuGH (Burley/Mattli): teleologische Rechtsauslegung (Suprematie, Direktwirkung, Warenverkehr, Staatshaftung) • Fusionsprozess (Megabürokratie) (Wessels) Interpretation • supranationale Institutionen als eigendynamische Instanzen von politischer Herrschaft Neofunktionalismus - In den IB: Regimetheorie/ (Neo-)Institutionalismus Robert Keohane 1982/4: After Hegemony (Realistisches) Puzzle Regime („sets of implicit or explicit principles, norms, rules, and decision-making procedures around which actor expectations converge“) werden von Hegemonen geschaffen. Wieso a) bestehen diese nach Fortfall der Hegemonie fort und b) Entstehen eine Reihe neuer Regime (NPT, WTO)? Erklärung Regime überwinden Kooperationsprobleme (satisfy demand), indem sie Transaktionskosten reduzieren und Erwartungen stabiliseren (Verhandlungsrahmen, Kontrolle, Issue-linkage) Sie entstehen als Funktion eines Kosten-NutzenKalküls, das wiederum eine Funktion von Interdependenz, der Anzahl involvierter Staaten, etc. ist Internationale Wirtschaftspolitik in funktionalistischer Perspektive Zwischenkriegszeit (1918 – 1933) „nationalistischer Merkantilismus“ •Fehlen wesentlicher Vorbedingungen für Integration: Vorherrschaft der Politik über die Vernunft •Keine supranationalen Institutionen Nachkriegszeit (1945 – 1970er) „embedded liberalism“ •Wirtschaftliche Integration im Westen und insbesondere in Europa als Funktion von •Einsicht in die Sinnhaftigkeit •Rationales Denken überlagert irrationale Politik •EU-Integration als Ausdruck vernünftiger, technokratischer Politik Aktuell (1970er - •Ausdruck hohen Maßes an ...) „disembedded politisch-ökonomischer Integration liberalism“ •Soziale Schieflage erzwingt Hinzufügen einer sozialen Dimension (EU) , sozialer + ökol. Standards (WTO) Internationale Sicherheitspolitik in funktionalistischer Perspektive Zwischenkriegszeit (1918 – 1933) „Friedenssystem von Versailles “ •Fehlen wesentlicher Vorbedingungen für Sicherheitsgemeinschaften •Dominanz der Politik über die Vernunft Nachkriegszeit (1945 – 1988) „Ost-WestKonflikt“ •Entstehung einer transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft auf der Basis geteilter Werte •Konfrontation mit dem Osten als Funktion der Inexistenz einer Sicherheitsgemeinschaft •Rationales Denken überlagert irrationale Politik Aktuell (1970er - GASP und ESVI als spill-over aus ...) „the unipolar ökonomischer Integration moment“ NSS als irrationale Abweichung Perspektive: transatlantische Sicherheitsgemeinschaft Internationale Herrschaftspolitik in funktionalistischer Perspektive Zwischenkriegszeit (1918 – 1933) „Interexekutive Anarchie“ Keine supranationalen Institutionen, ergo: Herrschaft nur innerhalb des Staates Nachkriegszeit (1945 – 1987/94) „US-Hegemonie“ Allmählich beginnende Etablierung von supranationalen Herrschaftsstrukturen, insbesondere in der EWG (Hohe Behörde) Herrschaft jenseits des Staates als zivilisatorische Errungenschaft: Chance der Überwindung des Nationalstaates Aktuell (1987/94/2001 ...) „Recht vs.Gewalt“ NSS und Unilateralismus der USA als zivilisatorischer Rückfallt Verrechtlichung als Chance, EU als Perspektive für die Welt Widerstand gegen ICC, Klimaregime, etc. als Renaissance nationalistischen Denkens Basisliteratur • • • • • • • • • • • • Adler, Emmanuel and Michael Barnett (eds.) 1998: Security Communities, Cambridge: Cambridge University Press. Burley, Anne-Marie/Mattli, Walter 1993: Europe Before the Court: A Political Theory of Legal Integration, in: International Organization 47:1, 41-76. Deutsch, Karl et al. 1957: Political Community and the North Atlantic Area, Princeton: Princeton University Press. Haas, Ernst B. 1958: The Uniting of Europe: Political, Social and Economic Forces 1950-1957, London: Stevens & Sons Limited. Haas, Ernst B. 1961: Integration: The European and the Universal Process, in: International Organization 15, 366-92. Haas, Ernst B. 1964: Beyond the Nation-State. Functionalism and International Organization, Stanford. Haas, Ernst B. 1970: The Study of Regional Integration: Reflections on the Joy and Anguish of Pretheorizing, in: International Organization 24, 607-646. Haas, Ernst. 1975. The Obsolescence of Regional Integration Theory. Berkeley: University of California Press. Keohane, Robert O. 1983: The demand for international regimes, in: Krasner (Hrsg.) 1983, 141-172. Keohane, Robert O. 1984. After Hegemony. Cooperation and Discord in the World Political Economy. Princeton, NJ: Princeton University Press. Mitrany, David 1966: A Working Peace System, Chicago: Quadrangle Books. Sandholtz, Wayne/ Stone Sweet, Alec (eds.) 1998: European Integration and Supranational Governance, Oxford University Press. Wessels, Wolfgang 1997: An Ever Closer Fusion? A Dynamic Macropolitical View on Integration Processes, in: Journal of Common Market Studies, Vol. 35, 2, 267-299.