VDI Arbeitskreis ETHIK Vortrag: E-Health – Potentiale, Chancen, Risiken und Ängste - Informationstechnologien im Gesundheitswesen Referenten: Dr. med. Christiane Groß, M.A. und Prof. Dr. Peter Haas Frau Dr. med. Christiane Groß M.A. ist Fachärztin für Allgemeinmedizin in Wuppertal mit dem Schwerpunkt Psychotherapie und einer Zusatzausbildung in ärztlichem Qualitätsmanagement. Sie ist Mitglied im Vorstand der Ärztekammer Nordrhein und sitzt dort dem Ausschuss „E-Health“ vor. Außerdem ist sie Mitglied im Ausschuss „Telematik“ der Bundesärztekammer und Vorsitzende des „Ärztlichen Beirates zur Begleitung des Aufbaus einer Telematikinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen“. Prof. Dr. Peter Haas ist Professor für Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund. Er ist u.A. Sprecher des nationalen Beirates der gematik GmbH und seit 3 Jahren Kongresspräsident des conhIT-Kongresses, dem zentralen Health-IT Kongress in Deutschland. Seine Schwerpunkte sind Medizinische Informationssysteme, Gesundheitstelematik und wissensbasierte Systeme in der Medizin. Inhalt: Inhalt des Vortragsteils von Herrn Prof. Dr. Haas: Fortschreitende Minituarisierung und Leistungssteigerung sowie die mögliche weltweite Vernetzung auch in mobilen Szenarien haben in den vergangenen 15 Jahren in der Informatik zu neuen Anwendungen und Anwendungskontexten geführt. Auch im Gesundheitswesen nimmt der Einsatz der Informationstechnologie einen immer höheren Stellenwert ein. Während in der Vergangenheit der Einsatz von betrieblichen Informationssystemen in den einzelnen Einrichtungen wie z.B. Arztpraxen und Krankenhäusern im Vordergrund stand, sind heute fünf wesentliche Entwicklungslinien zu verzeichnen: Erstens dringt die IT-Nutzung für die Dokumentation und Organisation auch aufgrund der Möglichkeiten mobiler handhabbarer Endgeräte immer mehr in den medizinischen Bereich der Einrichtungen vor – die papierlose Arztpraxis und das papierlose Krankenhaus rücken näher. Zweitens nimmt der Bedarf an Vernetzung zwischen den Einrichtungen zu und zwar in Form der elektronischen Kommunikation z.B. von Arztbriefen, Laborberichten, Röntgenbildern etc. oder aber in Form einrichtungsübergreifend geführter Dokumentationen wie z.B. der elektronischen Fallakte oder der elektronischen Patientenakte auf Basis einer nationalen Infrastruktur, wie sie die Selbstverwaltung gemäß $291 SGB realisieren soll. Drittens entstehen zunehmend Lösungen zur zeitnahen oder asynchronen Kooperation zwischen den Einrichtungen oder diesen und den Patienten z.B. in Form telemedizinscher Verfahren für Konzile, Zweitmeinungen und Telemonitoring. Zum Vierten entstehen zunehmend isolierte Informatik-Arte- fakte verschiedenster Art wie z.B. Handy-Programme zur Schritt- oder Vitaldatenerfassung mit Anbindung an Internetportale für die persönliche Gesundheitsdokumentation, Stick-Lösungen für die persönliche Krankenakte, Telekonferenz-Lösungen für Konzile u.v.a.m. Und Fünftens entstehen durch moderne miniaturisierte Rechner sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie neue Verfahren und Optionen von der Minikamera zur Koloskopie, der computergestützten Prostataektomie über die Gendiagnostik bis hin zu bionischen Lösungen durch die Entwicklung und Implantation von computergestützten Implantaten. Im Vortragsteil von Prof. Haas wird ein Überblick zu den Anwendungen und Einsatzszenarien in der Medizin und im Gesundheitswesen allgemein gegeben, eine Extrapolation der Entwicklung vorgestellt sowie abschließend die Chancen und Risiken gegenübergestellt. Inhalt des Vortragsteils von Frau Dr. Groß Klar ist auch den Ärztinnen und Ärzten, dass die ärztliche Arbeit ohne die elektronische Kommunikation, genauso wie es in weiten Teilen der Wirtschaft vorgelebt wird, nicht mehr denkbar ist. Längst begleitet sie organisatorisch die Ärzte im Alltag. Ohne hochentwickelte Informationstechnologie ist daher auch ein künftiges Gesundheitswesen nicht vorstellbar. Der Umgang mit den Patientendaten erfordern jedoch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, die weit über den üblichen Rahmen hinausgehen, um die ärztlichen Schweigepflicht als Vertrauensbasis zu erhalten. Die Einbeziehung der neuen Technik wird zukünftig nicht ohne Einfluss auf den gesamten Ablauf einer ärztlichen Behandlung bleiben. Zwei grundsätzliche Aspekte stehen im Vordergrund: Technische und datentechnische Aspekte: Der Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht ist unabdingbar. Alle auf den Patienten beziehbaren Informationen sind auch in der neuen Welt elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten vertraulich zu behandeln. Die Wahrung des Patientengeheimnisses ist für die Ärzteschaft und deren Tätigkeit conditio sine qua non ebenso wie die Überlegung, den medizinischen Nutzen und die Praxistauglichkeit der neuen Technologie in den Vordergrund zu stellen. Die neue Technik soll einerseits dem Arzt die tägliche Arbeit erleichtern, und sie muss andererseits und an erster Stelle der Behandlung und damit dem Patienten dienen. Emotional-empathische Aspekte: Die Arzt-Patient-Beziehung basiert auf dem gegenseitigem Vertrauen, wobei klar sein muss, dass trotz aller Forderungen nach einem partizipativen Muster mit einer weitgehenden Gleichberechtigung zwischen Patient und Arzt eine Asymmetrie des Wissens und Handelns bestehen bleibt, auch wenn sich der Patient mit Hilfe der Gesundheitstelematik und medizinischen Informationen aus dem Internet inzwischen ausgiebiger und vollständiger informieren kann als je zuvor. Diese Asymmetrie weist darauf hin, dass ein Patient aus ärztlicher Sicht nie zum „Kunden“ werden kann und darf, sondern sich als hilfsbedürftiger (lat. patere = leiden) Patient in die Obhut eines Arztes, durch dessen empathische Haltung nonverbale Zusatzinformationen in die therapeutische Überlegung einfließen kann, begeben darf. Der Patient erhofft Hilfe bei der Genesung. Durch falsche oder falsch interpretierte Informationen aus den neuen Medien ist jedoch auch mit zunehmender Voreingenommenheit auf Seiten der Patienten zu rechnen. Problematisch könnte es auf Seiten des Arztes sein, wenn durch zu viele vorher erhaltene Informationen aus elektronischen Patientenakten die Empathiefähigkeit gestört wird. So können unstrukturierte Daten in elektronischen Akten zusätzlichen Zeitdruck und Frustration fördern und dadurch die Empathie vermindern. Im Anschluss an den Vortrag ist Gelegenheit zu ausführlicher Diskussion mit den Referenten. Termin: Ort: Mittwoch, 30. November 2011, 17:30 Uhr, Einlass 17:15 Uhr HAUS DER TECHNIK e.V., Hollestr. 1, 45127 Essen Bemerkung: Eintritt frei, auch VDI-Nichtmitglieder sind herzlich willkommen. Anmeldung: www.rbv-ethik.de E-Mail: [email protected] Fax: 02 01 / 63 24 97 80 (VDI RBV) Tel: 0 28 55 / 93 31 09 (Dr. Ullrich)