Reifezeit J.-J. Rousseau: Emile oder über die Erziehung Viertes Buch: Reifezeit Der Erzieher als Vertrauter Emil und die Gesellschaft Seminar Geschichte der Pädagogik FS 2008 lic.phil. Christine Ruckdäschel 1 Reifezeit Sitzung vom 30. April 2008 • • • • Abschnitt S. 335-384 Der Erzieher als Vertrauter des Zöglings Emil und die Gesellschaft „Feine Unterschiede“: Geschmack, Lektüre, Sprachen und Freizeitaktivitäten 2 Reifezeit Wiederholung vom letzten Mal • Der Erzieher darf keinen Gehorsam vom Zögling erwarten • Paradoxe Situationen als kommunikative Herausforderung • Fabeln als Transportmittel von Werten und Normen • Der Mensch kann für Rousseau nicht ohne Gott sein 3 Reifezeit Der Erzieher als Vertrauter • Die Natur bildet den Körper, der Erzieher bildet die Moral beim Menschen • Emil ist nun im Alter der aufstrebenden Vernunft, er hat denken gelernt und muss sich beruhigen und besinnen • Erzieher hilft Emil, doppelt Zeit zu gewinnen (338): indem er den Fortschritt der Natur zugunsten der Vernunft verzögert in Wirklichkeit verzögert er aber nicht, er verhindert nur eine unnötige Beschleunigung durch Einbildung • Vom Zögling zum Freund: Vernunft, Freundschaft, Dankbarkeit und Gemütsregungen sprechen in einem Ton zu Emil, den er nicht missverstehen kann; die Selbstliebe bindet Emil an den Erzieher 4 Reifezeit Der Erzieher als Vertrauter • Emil soll für sein Handeln selbst verantwortlich sein: „Bisher habe ich ihn durch Unwissenheit zurückgehalten; jetzt muss ich ihn durch Aufklärung aufhalten“ (340) • „Der Pedant und der wahre Erzieher sagen fast das gleiche: der erste sagt es bei jeder Gelegenheit, der zweite sagt es nur dann, wenn er seiner Wirkung sicher ist“ (342) • Freundschaft entzünden: „Von deinem Glück hängt meines ab. Wenn du meine Hoffnungen enttäuschst, so raubst du mir zwanzig Jahre meines Lebens und bist das Unglück meiner alten Tage.“ (347) • „Versäumt nichts, um sein Vertrauter zu werden: nur in dieser Eigenschaft könnt ihr wirklich sein Lehrer sein.“ (349) 5 Reifezeit Emil und die Gesellschaft • Emil ist nicht dazu geschaffen, um immer einsam zu bleiben. Er muss als Teil der Gesellschaft seine Pflichten erfüllen und die Menschen, mit denen er lebt, kennen lernen. (352) • Die Kunst, die der Mensch und der Bürger am nötigsten braucht: mit seinesgleichen leben zu können (353) • Rousseau hat ein Mädchen für Emil bestimmt (Sophie) und auch Eigenschaften ausgesucht, die er lieben soll (353) • „Ich will auch nicht, dass man ihn mit der Versicherung belügt, das geschilderte Mädchen existiere wirklich“ (354) 6 Reifezeit Emil und die Gesellschaft • 358: „Fünfzehn Jahre habe ich gearbeitet, um mir diesen Einfluss zu sichern. Damals habe ich ihn nicht erzogen, ich bereitete ihn vor, erzogen zu werden“ nun kann die positive Erziehung beginnen • Vermutung, dass Sophie als „Teil“ von Emil konzipiert ist: sie ist ein normatives Leitbild und ermöglicht ihm ein Leben als „homme naturel“, ohne dass er sein Herz an die Frauen verliert • 'Sophie' verkörpert das Privatleben und stellt den Teil der 'education naturelle' dar, der für das Leben als 'homme naturel' entscheidend wird: Emil soll als homme naturel nur für sich selbst leben, Sophie hilft ihm, sich darauf vorzubereiten und ihm dieses Leben zu ermöglichen 7 Reifezeit Die feinen Unterschiede • Bourdieu: wie sich feine Unterschiede zwischen Menschen ausdrücken • Anhand von Vorlieben und Interessen kann man den ‚Aufsteiger‘ vom ‚Alteingesessenen‘ unterscheiden • Studie 8 Reifezeit Aufgabe • Lesen: Textauszug aus Bourdieu Kommentar • Diskussionsleitfaden bearbeiten 9 Reifezeit Input: Was uns der Autor sagen will • Es kommt auf die Bedingungen an, unter denen kulturelles Kapital erworben wird: am Beispiel der Musik erläutert Bourdieu, denn Musik „verkörpert die am meisten vergeistigte Kunst“ • Das Leben ist ein Spiel, das aus Interaktionen besteht. Über Interaktionen positionieren sich Menschen gegenüber anderen, über Geschmack drückt sich „wahre Intellektualität“ aus (Smalltalk!) • Zwei Tatsachen: 1. Kulturelle Praktiken hängen sehr eng mit dem schulischen oder Bildungskapital zusammen 2. Kulturelle Praktiken hängen sehr eng mit der sozialen Herkunft zusammen. Bei gleichwertigem Bildungsabschluss zweier Menschen schlägt die soziale Herkunft beim bildungsferneren der beiden stärker durch, wenn es um Geschmack geht 10 Reifezeit Sag mir, was du magst, und ich sage dir, wer du bist…oder? • Die Interviewer nannten den Befragten nacheinander 16 Musikstücke mit der Bitte, deren Komponisten zu nennen • Die Befragten sollten auch angeben, wie gerne sie die Musikstücke mögen Klassifikation 11 Reifezeit Drei Geschmacksgruppen 1. Der legitime Geschmack (Wohltemperiertes Klavier, Kunst der Fuge etc.) Präludium 2. Der mittlere Geschmack (Rhapsody in blue etc.) Rhapsody 3. Der populäre Geschmack (Donauwalzer etc.) Donauwalzer 12 Reifezeit Take-home message für heute • Für Rousseau ist klar: die Natur lässt Emil körperlich reifen, ich bin nun dafür zuständig, dass sein Verstand ebenfalls reift • Über die inzwischen freundschaftliche, vertraute Beziehung führt er ihn an das Zusammenleben mit anderen heran • Geschmack für Literatur, Musik und andere Kunst ist ein guter Indikator für die Herkunft eines Menschen und damit auch Menschenkenntnis 13 Reifezeit Sommerfest des Departements Anmeldung 14