Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Deutschland – ein Wintermärchen Im traurigen Monat November war‘s, Die Tage wurden trüber, Der Wind riss von den Bäumen das Laub, Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und als ich an die Grenze kam, Da fühlt ich ein starkes Klopfen In meiner Brust, ich glaube sogar, Die Augen begunnen zu tropfen. Heinrich Heine 1797-1856 Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Da ward mir seltsam zu Mute: Ich meine nicht anders, als ob das Herz Recht angenehm verblute. Bildquelle, Textquelle und Ton: Lutz Görner, Heine 2. Teil, Rezitheater Verlag Weimar 1999 Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 1 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter in Wörterbüchern und Enzyklopädien Nachschlagewerke Sachbezogen: • Enzyklopädien mit Weltwissen, zum Beispiel Brockhaus Enzyklopädie Encyklopedia Britannica • Fachlexika mit Spezialwissen zum Beispiel: Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft Stuttgart 19902 Metzler Lexikon Sprache Hrsgg. Von Helmut Glück Stuttgart/Weimer 1993 Bünting, Karl-Dieter u. Wolfgang Eichler Grammatiklexikon, Berlin 20026 Sprachbezogen • Einsprachige, zum Beispiel DUDEN-1 Rechtschreibung DUDEN Universalwörterbuch WAHRIG Wörterbuch der deutschen Sprache Gustav Muthman: Rückläufiges deutsches Wörterbuch, Tübingen 1988 Grimms Wörterbuch Kluge: Etymologisches Wörterbuch • Zweisprachige Wörterbücher Langenscheidt Taschenwörterbuch Englisch Projekt Deutscher Wortschatz Deutsch-Englisches Wörterbuch Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 2 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Gustav Muthman: Rückläufiges deutsches Wörterbuch, Tübingen 1988, S. 534 [za'Ictl] FV Salettel Salettl FV Brettel Brettl Überbrettl [u:ll Ul (Einl.7.21.3) 1 -aul somnambul -ydul Eisenoxidul [mo'du:l] n. Modul -idul Eisenoxydul Jul schwul ['mo:dul] m. Modul Schubmodul Naschmaul Fischmaul Haifischmaul Froschmaul Klatschmaul Karpfenmaul Lügenmaul Ochsenmaul Krötenmaul Löwenmaul Schlabbermaul Leckermaul Schleck(er)maul Plappermaul Lästermaul Großmaul Süßmaul [a'zi:l] AV [a'zy:I]; (schweiz.) Asyl [e'ty:l] Äthyl Bleitetraäthyl FV Äthyl Ethyl Methyl Alkyl Formyl Vinyl Acryl Polyacryl Tetryl Asyl Obdachlosenasyl Tierasyl Altersasyl Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 3 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter in Wörterbüchern und Enzyklopädien Wörter • mit allgemeinen Bedeutungen Abend, Apfel, arbeiten, alt, ab, abends, aber, alle, ... • Fachbegriffe mit speziellen Bedeutungen Alphabet, Algebra, Axiom, antiseptisch, a priori, au pair • In Wörterbüchern: 120.000 - 300.000 und mehr • Im Deutschen: ca. 500.000 Eigennamen mit nur einer Referenz, z. B.: • Vor- und Familiennamen Gaby, Gerd, Müller, Goethe • geografische Namen Orte: Essen, New York Länder: Deutschland, Asien Gewässer: Ruhr, Rur, Ruwer Gebirge/Berge: Alpen, Kahler Asten, Thüringer Wald In Enzyklopädien: nicht zählbar Alle Eigennamen sind als Wörter sprachliche Zeichen mit grammatischen Eigenschaften, zum Beispiel gehören sie der Wortart Nomen/Substantiv an. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 4 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter und Wortschatz Notieren Sie: 1. a) b) c) d) 2. a) b) c) Je drei Familiennamen (Nachnamen) die auf einen Ortsnamen die auf einen topografischen Begriff zurückgehen, die auf einen Beruf, eine Tätigkeit verweisen, die auf Eigenschaften verweisen. je drei Vornamen, die auf die Bibel zurückgehen, die auf germanische Namen zurückgehen, die aus anderen Sprachen entlehnt sind. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 5 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz Eigennamen Personennamen Vor- / Tauf- / Rufnamen: • germanische ger + hild = Gerhild diet + richi = Dietrich • kirchliche: Maria, Barbara, Markus • aus anderen Sprachen: ? Nach- / Familiennamen: • Eigenschaften: Klein, Schönhaar, ? • Ortsnamen: Adenauer, von Wiese, ? • Berufe: Schmidt, Meier, ? • Herkunftsländer: Koslowski, Karatas, Zammataro, Lafontaine, ? Spitznamen, Kosenamen: Bubi, Mausi ? Künstlernamen: Novalis, Roy Black, ? geografische Namen • • • • Ortsnamen: Essen, Düsseldorf, Köln, ? Gemarkungsn.: -ey in Bredeney, Baldeney Länder, Erdteile: Europa, Ägypten, ? Regionen, Landschaften: Niederrhein, Bayern, Lombardei, Sibirien, ? • Flussnamen: Donau, Nil, Mississippi, Ob, ? • Berge und Gebirge: Zugspitze, Brocken, Kilimandscharo, Eifel, Himalaja, ? Erfundene Namen in Kunstwerken: Frau Kaludrigkeit (Tucholsky) Wilhelm Meister (Goethe) ? Tonio Kröger (Thomas Mann) Sir Tobias Rülps, Dörtchen Lakenreißer, Malvolio, Junker Bleichwang (Shakespeare) 3. Füllen Sie die roten Fragezeichen mit je 1-2 Beispielen. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 6 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter und Wortschatz Wortbegriffe: • lexikalisches Wort, zitiert in der Grundform: Brief, schreiben • Textwort im laufenden Text, zugleich grammatische Form: Briefe schreiben. Einen Brief geschrieben haben. • aktiver Wortschatz von Wörtern, die man gebraucht in Goethes Werken etwa 21.000 Wörter • passiver Wortschatz von Wörtern, die man versteht Grundwortschatz als didaktischer Begriff • Im Fremdsprachenunterricht, z. B. Deutsch als Fremdsprache Grundstufe 1.500 Wörter, Mittelstufe 3.000 Wörter usw. • Im Rechtschreibunterricht der Grundschule ca. 1200 lexikalische Wörter am Ende der Grundschule Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 7 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter und Wortschatz Zum Begriff WORT: • Lexikalisches Wort = Eintragung im Wörterbuch Brief, schreiben • Wortform = jede gebeugte Form eines lexikalischen Wortes Brief, Briefes, Briefe; schreiben, schreibe, schreibst, schreibt, schrieb, geschrieben, schreib, ... • Textwort = jedes Vorkommen in einem Text 4. Wie viele “Wörter” enthält der folgende Text als a) Textwörter (Token) b) lexikalische Wörter (Types) ? Orientalisches Rätsel Jede Nacht verbrachte die Prinzessin bei ihrem Prinzen, aber ehe die Sonne aufging, verließ sie ihn und wurde zu einer der tausend Rosen in seinem Garten. Eines Nachts sagte die Prinzessin: “O mein Prinz, ich werde dich wie immer verlassen, ehe die Sonne aufgeht, aber wenn du beim Sonnenaufgang in deinen Garten gehst und mich, nur mich, aus deinen tausend Rosen pflückst, dann werde ich für immer deine Prinzessin sein.” Die Sonne ging auf, der Prinz ging in seinen Garten, und unter den tausend Rosen pflückte er nur eine - seine Prinzessin. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 8 Woran hat er sie erkannt? Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wortbildung (führt zu Wortfamilien): fahren – abfahren, anfahren, ausfahren, verfahren, zurückfahren, Fahrer, Fahrt, Fahrtrichtungsanzeiger, fahrig, Fuhre, Fuhrmann, Furt, Frankfurt, fertig, führen, Führer, verführen, Verführer, Verführter, ... Zur Erinnerung: Ausbau des Wortschatzes Aufnahme von Fremdwörtern und Lehnwörtern: Fenster (fenestra), Ziegel (tegula), Mauer (murus), Abenteuer (aventuire), Baby, Renaissance, Droge, Jetlag, Oper, Canasta, beige, Gong, Computer, Internet, surfen, ... Umdeutung im metaphorischen Prozess, führt zu mehrdeutigen Wörtern (Polysemen): Bein = Knochen: Jochbein, Nasenbein, Brustbein, Schienbein, Wadenbein Gehgliedmaße und dazu Tisch-, Stuhl-, Stativbein Haube = Kopfbedeckung, Autohaube Maus = Tier, Gerät beim Computer surfen = auf dem Wasser, im Internet Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 9 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Wörter und Wortschatz Falsche Freunde, false friends, nennt man Wörter aus anderen Sprachen, die einen in die Irre führen, weil man glaubt sie zu kennen. Englisch become und Deutsch bekommen, Italienisch caldo und deutsch kalt. Den immer hunrigen Pinocchio hatte es nach Deutschland verschlagen. ”Mama mia, was für ein Land! Willst du warm duschen und drehst caldo auf, kommt Eiswasser von oben. Willst du dann eine Pasta kaufem schickt dich der Kaufmann zu den Pasteten. “Tortellini will ich haben”, habe ich zu der Verkäuferin gesagt, und die schickte mich in die Bäckerei zu den Torten. Und da wollten sie mir auch noch Schweinsöhrchen verkaufen!” Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 10 Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern; Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht. Johann Wolfgang Goethe, Xenien Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 11 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz 5.a) Kleiner Test zu Fremdwörtern Schreiben Sie jeweils das Wort und den Lösungsbuchstaben. ambig ambivalent ambulant amputiert [a] doppelwertig [b] operativ entfernt [c] doppelsinnig [d] nicht an festen Ort gebunden Basilika Basilikum Bassist Basilisk Basis [a] tiefe Singstimme [b] Küchengewürz [c] Kirchenhalle [d] Grundlage [e] tropische Echse Deklination Deklaration Dedikation Deklamation [a] kunstvoller Vortrag [b] Widmung [c] feierliche Erklärung [d] Beugung Epilog Episode Epidemie Epigone [a] Seuche [b] kurzes Ereignis [c] Nachahmer [d] Schlusswort Er war so von der klassischen Bildung durchdrungen, dass er statt angenommen immer Agamemnon sagte. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 12 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz 5.b) Kleiner Test zu Fremdwörtern Schreiben Sie jeweils das Wort und den Lösungsbuchstaben. Filet Filou Filius Filiale Finale Finesse [a] Sohn [b] Zweigstelle [c] Ende, Abschluss [d] Fleisch aus Lende [e] Feinheit; Trick [f] Schlingel, Spitzbube Gravierung Gravitation Graffitto/-i Grafit/-phit Grafik/-phik [a] Wandzeichnung [b] reiner Kohlenstoff [c] Zeichnung [d]Erdschwerkraft [e] in Metall geritzte Zeichnung Quetzal Queue Querele Querulant Queen Quiche [a] Nörgler [b] Klage, Streit [c] Königin [d] Urwaldvogel [e] Speckkuchen [f] Billardstock Urne Urin Uri Uran Urian Uranus [a] Kanton in CH [b] Teufel [c] Planet [d] Harn [f] Gefäß [g] chem. Grundstoff Warum heißt der 11. Monat des Jahres November (von lat. novem = ‘neun’)? Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 13 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Ständiger Ausbau des Wortschatzes Wortbildung durch Umdeutung (durch metaphorische Prozesse) Kontext hier über Wortteile der Zusammensetzungen angezeigt Ring Trauring, Goldring, Nasenring, Ohrring, Serviettenring, Einweckring, Gummiring, Hexenring (von Pilzen), Rettungsring, Jahresringe, Zwiebelringe, City-Ring, Verteilerring, Spionagering, Agentenring, Ringfahndung, Besucherring, Theaterring, Verteidigungsring ... Ringelblume, Ringelnatter, Ringelpulli, Ringelsocke, Ringeltaube, Ringelpiez 6. Sortieren Sie die folgenden Ringwörter nach den Merkmalen: Brillantring, Drogenring, Ehrenring, Gardinenring, Kolbenring, Ohrring, Siegelring, Schmugglerring, Verteilerring, Wappenring, Zirkusring • • • • nach dem Material nach Funktion und Gebrauchszusammenhang nach einem ideellen Wert nach gedanklicher oder gesellschaftlicher Zusammengehörigkeit Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 14 Semiotik und Semantik: Der deutsche Wortschatz Epilog Aus: Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Thomas Mann An dem Tischchen saß bereits, mit dem Hors-d’œvre beschäftigt, ein älterer Herr, zierlich von Figur, etwas altmodisch gekleidet (mir schwebt ein etwas vatermörderähnlicher Kragen vor, den er trug) und mit grauem Bärtchen, der, als ich ihm artig den Abendgruß bot, mit Sternenaugen zu mir aufblickte. Ich bin außerstande, zu sagen, worauf eigentlich das Sternenartige seines Blickes beruhte. Waren seine Augensterne besonders hell, milde, strahlend? Gewiss, das waren sie wohl, – aber waren es darum schon Sternenaugen? »Augenstern« ist ja ein geläufiges Wort, aber da es nur etwas Physisches sachlich bei Namen nennt, deckt es sich keineswegs mit der Bezeichnung, die sich mir aufdrängte, da doch etwas eigentlich Moralisches im Spiele sein muss, wenn aus Augensternen, die jeder hat, Sternenaugen werden sollen. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 15 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz Wörter und ihre Bedeutung Referenzsemantik: von der Sache gesteuert Grundbedeutung sachliche Denotation “Meaning”-Semantik: Sicht der Sprachgemeinschaft Mit-/Nebenbedeutung(en) wertende Konnotation(en) Köter, Töle, Schoßhund Freund des Menschen Hund Pille, ? Fußball 7. Schreiben Sie zum Wort Schule Wörter mit gleicher Denotation, aber zusätzlichen Konnotationen. 8. Notieren sie in Stichworten Denotation und Konnotationen zu den Wörtern Leitkultur und Kameradschaft. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 16 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz Wörter und ihre Bedeutung Referenz und Bedeutung in verschiedenen Sprachen Deutschland – ein Wintermärchen Fortsetzung Caput I [ 6 Strophen nur gelesen von Lutz Görner ] Es wächst hinieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, Sobald die Schoten platzen! Den Himmel überlassen wir Den Engeln und den Spatzen. Heinrich Heine 1797-1856 [ 7 weitere Strophen nur gelesen von Lutz Görner ] 9. Versuchen Sie, die letzen beiden Zeilen der 2. Strophe ins Englische zu übersetzen. Fleisch: flesh, meat; Ochse: oxen, beef; Schaf: sheep, mutton; Schwein: swine, pork Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 17 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Felder Historisches Feld: Wortfamilie abgeleitet von einem Wortstamm /sinn/ sinnen, (sich) besinnen, Sinn, Unsinn, sinnig, sinnlos, Sinnlosigkeit, Wortsinn, besonnen, Besonnenheit, ... Synchronisches Bedeutungsfeld: Wortfeld in einem Sinnbezirk sterben: entschlafen, verscheiden, heimgehen, verdursten, verhungern, verbluten, fallen, abkratzen, verrecken, ... Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 18 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Felder Historisches Feld: Wortfamilie abgeleitet von einem Wortstamm /sinn/ sinnen, (sich) besinnen, Sinn, Unsinn, sinnig, sinnlos, Sinnlosigkeit, Wortsinn, besonnen, Besonnenheit, ... Synchronisches Bedeutungsfeld: Wortfeld in einem Sinnbezirk sterben: entschlafen, verscheiden, heimgehen, verdursten, verhungern, verbluten, fallen, abkratzen, verrecken, ... Weltausschnitt: Sachfeld gesteuert von der Wirklichkeit Bahnhof: Zug, IC, ICE, Regio, S-Bahn, Bahnsteig, Gleis, Lautsprecher, Fahrkarte, Fahrplan, Verspätung Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 19 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Felder Historisches Feld: Wortfamilie abgeleitet von einem Wortstamm /sinn/ sinnen, (sich) besinnen, Sinn, Unsinn, sinnig, sinnlos, Sinnlosigkeit, Wortsinn, besonnen, Besonnenheit, ... Synchronisches Bedeutungsfeld: Wortfeld in einem Sinnbezirk sterben: entschlafen, verscheiden, heimgehen, verdursten, verhungern, verbluten, fallen, abkratzen, verrecken, ... Weltausschnitt: Sachfeld gesteuert von der Wirklichkeit Bahnhof: Zug, IC, ICE, Regio, S-Bahn, Bahnsteig, Gleis, Lautsprecher, Fahrkarte, Fahrplan, Verspätung Logisches Feld, Begriffsfeld: z. B. Klassifikationsschema Laute: Phon - Phonem - Allophon Buchstaben:Graph - Graphem - Allograph Wörter: Morph - Morphem - Allomorph Denotation und Konnotationen in drei Wortfeldern Die Offiziere dinieren und pokulieren im Kasino und transpirieren dabei kollossal. Die Soldaten fressen und saufen in der Kantine und schwitzen dabei wie die Schweine. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 20 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Relationen (Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern) Homonymie (Homonyme): gleich lautende Wörter der Tor - das Tor, der Heide - die Heide der Tau - das Tau, der Hut - die Hut • Homographen (gleich geschrieben) Paris - Paris, die Beinhaltung - die Beinhaltung • Homophone (gleich klingend) die Saite - die Seite, der Chor - das C/Korps Laut lesen! Wenn wir das Schild nicht umfahren, werden wir es umfahren! Polyseme (Polysemie): mehrdeutige Wörter Auge: zum Sehen, Hühnerauge, Fettauge im Auge des Sturms, im Kartenspiel, ... Fuchs: ? Fuchsschwanz: Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik ? 21 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Relationen (Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern) Synonymie Synomyme (sinnverwandte Wörter); gleiche Bedeutungen gibt es kaum, zumindest haben Wörter unterschiedliche Konnotationen. Bei Bedeutungsvarianten gibt es entsprechende Synonymenreihen; in Wörterbüchern werden sie durch Semikolon getrennt . dick: beleibt, drall, feist, fett, fleischig, füllig, gemästet, korpulent, massig, mollig, pausbäckig, pummelig, rundlich, stämmig, stark, vollschlank, wohlgenährt; aufgebläht, aufgedunsen, aufgetrieben, geschwollen; entzündet; eingedickt, verdickt, ... Synonymie ist eine der Relationen von Wörtern in Wortfeldern. Dampf: Dunst, Nebel, Qualm, Rauch, Schwaden schreiben: abfassen, darstellen, formulieren, kritzeln, niederlegen, notieren, ... Schreiben Sie Synonyme zu den 6 aufgeführten Wörtern. Wenn Sie Bedeutungsvarianten finden, setzen Sie Semikola. Abfall aber beweisen ernst essen Zug Kommt der Antek von der Toilette. Fragt Frantek: “Alles klar mit den Tüchern?” - “Alles klar: A für Arsch und G für Gesicht.” - “Bist du ungebildet! A für Antlitz und G für Gesäß!“ Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 22 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Relationen (Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern) Antonymie Antonmyme (Gegenwörter) Antonyme haben einen gemeinsamen Bezugsrahmen. Amntonymie ist oft eine Frage der Bewertung im Bezugsrahmen; deshalb gibt es viele Adjektivepaare. Schreiben Sie jeweils ein Antonym und den Bezugsrahmen auf. Wenn Sie bei einigen Wörtern zwei zwei mit verschiedenen Bezugsrahmen finden, um so besser . dick - dünn, groß - klein, nass - trocken lieben - hassen, wachen - schlafen oben - unten, hinten - vorn jung [Natur, Leben] alt neu [Artefakte, Begriffliches] heiß arm klug interessant leicht fröhlich schön arbeiten frieren innen Riese - langsam Westen hell duften windig Tag immer wenig gut böse Natur - Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 23 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Relationen (Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern) Hyponymie Hyponyme (Oberbegriffe) Extension (allgemeine Bedeutung) Intension (spezielle Bedeutung) Uhr Armband- Wand- Wecker Bahnhofsuhr uhr uhr ... Baum Ober- und Unterbegriffbeziehungen (Hyponymie-Relationen) sind weitere Relationen von Wörtern in Wortfeldern. Schreiben Sie zwei Gruppen von Ober- und Unterbegriffen zu den beiden angegebenen Oberbegriffen (Hyponymen). Blume Gedicht Laubbaum Buche Eiche Nadelbaum ... Tanne Palme Fichte Kiefer Eibe Stille Betrachtung Es gibt Tiere, Kreise und gibt Ärzte. Es gibt Tierärzte, Kreisärzte und Oberärzte. Es gibt einen Tierkreis und einen Ärztekreis. Es gibt auch einen Oberkreitierarzt. Ein Oberkreistier aber gibt es nicht. Alexander Roda-Roda Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 24 ... Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz Metaphern, metaphorischer Prozess der Bedeutungsübertragung Metapher als Denkfigur, als sprachliches Bild (Bedeutungssemantik) Achill als Löwe in der Schlacht Wurzel allen Übels Metapher gesteuert von der Wirklichkeit (Referenzsemantik) flüsterndes Schilf bleierne Luft Metaphern aus Sprachnot führen zu Lexikalisierung und damit zu polysemen Wörtern Handwurzel, Fußwurzel, Haarwurzel Haube (Kopfbedekung) > Motorhaube Arm (Gliedmaße) > Schwenkarm eines Krans Metaphern in Texten, bedonders in der Dichtung, zielen auf besondere Wirkungen: Stimmung, Anschaulichkeit usw. Zwei Texte von Heinrich Heine Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest von konfiszierlichen Büchern. Die Mitternacht war kalt und stumm, Ich irrte klagend im Wald herum. Ich habe die Bäum’ aus dem Schlaf gerüttelt, Sie haben mitleidig die Köpfe geschüttelt. Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 25 Semiotik und Semantik: Ordnungen im Wortschatz semantische Netzwerke Legende: Synonymie Antonymie Hyponymie Metapher Dessert “Gefrorenes” (österr.) Dampf Nebel Rauch Wasser Nachtisch Eis Qualm Speiseeis Softeis Natureis Spaghetti-Eis Vanilleeis Himbeereis Schokoladeneis ... Kunsteis Kälte Zurückweisung Gefühlskälte Karl-Dieter Bünting (Universität Essen): Grundkurs Germanistik/Linguistik 26