DER DISKURS ZUM GLOBALEN KLIMAWANDEL ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND MASSENMEDIEN FACHTAGUNG “WALDSTERBEN” Freiburg, 14. Juni 2007 “Und ewig sterben die Wälder” Petra Pansegrau Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) Universität Bielefeld Der Diskurs zum Klimawandel zwischen Wissenschaft und Medien (1975 – 1995) Klimawandel in der Wissenschaft ► Wissenschaftliche Unsicherheit über Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen ► Übersetzung der wissenschaftlichen Hypothese in Gegenstand politischer Regulierung ► offensive Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaft Wissenschaftliche Unsicherheiten: Titel Publikationen Flohn 1981: Klimaänderung als Folge der CO2-Zunahme? ► Bolle 1987: Führt der Anstieg atmosphärischer Spurengaskonzentrationen zum „Klimakollaps“? ► Cubasch 1995: Klimamodelle – Wo stehen wir? Erreichtes und Probleme bei der Vorhersage und dem Nachweis anthropogener Klimaänderungen mit globalen Klimamodellen. ► Hansen 1978: Mount Agung Eruption provides Test of a Global Climatic Perturbation. ► Ramanathan 1988: The Greenhouse Theory of Climate Change: A Test by an Inadvertent Global Experiment. ► Ramanathan 1989: Cloud-Radiative Forcing and Climate: Results from the Earth Radiation Budget Experiment. ► Klimawandel als politisches Handlungsfeld ► ► ► ► ► ► ► ► Flohn 1941: Daher ist die Beschäftigung mit dieser Frage nicht nur von wissenschaftlicher Bedeutung; sie hat auch eine erhebliche praktische Aufgabe in der Raumordnung des nationalsozialistischen Reiches. (22) Bach 1976: Therefore the important question that man has to ask himself is, How much certainty must he have before he will take policy action ? (465) Bolin 1977: /.../ we need to take care in dealing with the global ecosystem. (615) Flohn 1986: /.../ dieser Aspekt bei einer verantwortbaren künftigen Energiepolitik hinreichend berücksichtigt werden muß. (8) Schlesinger 1987: These tasks and the enormous computational resources they require must be given high priority. (796) Graßl 1989: Mein Wunsch lautet deshalb: Rasche Verabschiedung einer weltweiten Klimakonvention mit zugehörigen Protokollen zur Minderung der Emission einzelner Spurengase /.../. Gleichzeitig sollten die Industrienationen, die Hauptverursacher, massiv einsteigen in eine Politik der effizienteren Energienutzung. (206) Cubasch 1995: Um das Klimaänderungssignal nachzuweisen und um es eindeutig den Änderungen im CO² zuzuweisen /.../, dieses erfordert einen massiven Ausbau der Rechnerkapazitäten /.../ (276) Wissenschaftliche Warnungen durch den DPGAufruf 1986 ► ► ► ► ► ► ► "Durch weltweite Erwärmung kann die Erde unbewohnbar werden" "Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, muß bereits jetzt wirkungsvoll damit begonnen werden..." "... bis in vermutlich ein bis zwei Jahrzehnten deutliche Klimaveränderungen sichtbar werden, wird es aller Voraussicht nach bereits zu spät sein." "...bei einer Verdreifachung der Wärmeisolation der Atmosphäre durch Zuwachs an Spurengasen die mittlere Temperatur auf der Erde von heute +15 Grad Celsius auf +30 Grad Celsius ansteigen." "Gerade deshalb liegt die einzig mögliche Gewähr für eine Verhinderung oder wenigstens Einschränkung einer weltweiten Klimakatastrophe in der Reduktion aller wesentlichen Ursachen auf ein Maß, für welches nach unserem heutigen Wissen die mittlere Temperatur auf der Erde um höchstens etwa ein Grad Celsius ansteigen sollte." (alle Zitate: FR, 19.9.1986: 15) Zweite Warnung durch DPG/DMG-Aufruf 1987 "Die Klimaänderungen sind (...) eine der größten Gefahren für die Menschheit." (Phys. Bl. 43 (1987): 8: 349) Klimawandel in den Medien ► Ignorieren der vorhandenen wissenschaftlichen Unsicherheiten ► „Klimakatastrophe“ zentraler Bezugspunkt der Berichterstattung ► Alltagsrelevanz des Klimaproblems „Katastrophische“ Spiegel-Titel 9/1979 11/1980 21/1981 13/1982 - 16/1982 10/1983 4/1986 33/1986 32/1988 43/1988 45/1988 14/1989 23/1989 10/1990 21/1990 48/1990 3/1991 23/1991 17/1992 18/1992 18/1993 18/1993 19/1995 1/1196 Tod im Treibhaus In 50 Jahren vorbei Auf dem Weg in die Katastrophe Die Erde wird ein öder Stern (I - IV) Die Dürre wird kommen Tod im Treibhaus Die Klimakatastrophe Langsam versandet die Erde Es geht darum, unsere Haut zu retten Die Zeit läuft uns davon Gefährlicher Warmmacher Es wird alles noch schlimmer kommen Der Globus ist angenagt 14 Milliarden Menschen? Wir haben alles verloren (I - III) Es wäre die Hölle los Warten, bis wir alle gegart sind? Es geht ums Überleben Schlimmster Krieg aller Zeiten Immer heißer Klimawechsel im Eiltempo Massentod im Morast Am Rande des Abgrundes Katastrophismus im Mediendiskurs ► „Überraschend war die Katastrophe nicht gekommen. Wissenschaftler hatten beizeiten gewarnt. (...) Das Desaster, der weltweite Klima-Gau ist nicht mehr aufzuhalten. (...), Schäden, die in eine verheerende Klimakatastrophe führen“ (Der Spiegel 33/1986: 122/23) ► „... so würde die Klimakatastrophe dramatisch beschleunigt“ (Der Spiegel 28/1988: 159) ► „... ist eine oft gestellte Frage gerade auch angesichts der nun drohenden Klima-Katastrophe. Zu resignieren wäre tödlich, führte letztlich zum Untergang der Menschheit“ (SZ 30./31.7.1988: 86) ► „Deutliche Signale für die kommende Klimakatastrophe gibt es schon in Fülle“ (Der Spiegel 29/1989: 114) ► „Die Diskussion über eine vom Menschen verursachte globale Klimaveränderung wird zeigt man sich sehr beunruhigt, appelliert zum Teil direkt an die Öffentlichkeit und warnt vor einer bevorstehenden Katastrophe“ (FAZ 29.3.1995: N3) Alltagsrelevanz des Klimaproblems (1) ► „Das Jahr 1988 brach alle Wärmerekorde auf den Meßskalen der Klimatologen. (...) Seit dem letzten Sommer spielt das Wetter verrückt, wie seit Menschengedenken nicht. (...) Inzwischen bekennen sich immer mehr Experten zu der Überzeugung, dass es sich bei den jüngsten Wetter-Kapriolen um Vorboten des befürchteten Klimaschocks handelt“ (Der Spiegel 29/1989: 114) ► „Kühe mit Sonnenbrand, Engpässe bei Ventilatoren und Mineralwasser, und der Bürger wälzt sich im Bett. Seit fünf Wochen stöhnt Deutschland unter tropischer Hitze. Der Juli brach alle Jahrhundertrekorde - ein Vorgeschmack auf die Treibhauszukunft, so prophezeien es die Rechnungen der Klimaforscher“ (Der Spiegel 31/1994: 18) ► „Die Häufung von Überschwemmungen ist Menschenwerk. Ist sie schon Vorbote der Klimakatastrophe?“(Der Spiegel 5/1995, 18) Alltagsrelevanz des Klimaproblems (2) ► „Wenn die Vorhersagen über eine globale Erwärmung durch den zunehmenden Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre stimmen, ist in den nächsten 70 Jahren mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 20-30 Zentimeter zu rechnen“ (FAZ 14.4.1982: 33) ► „Unsere Enkel werden uns verfluchen (...)“ (Der Spiegel 29/1989: 122) ► „... Die Zukunft der Kinder ruinieren“ (FAZ 6.5.1994: 32) ► „Wenn die Menschheit wie bisher weiter wirtschaftet, wird in etwas 25 Jahren eine Klimaveränderung eingetreten sein, das das erträgliche Maß überschreitet“ (FAZ 1.11.1995: 1) Alltagsrelevanz des Klimaproblems (3) ► „Vieles wird dann Wüste werden, Subtropen werden tropisch, an den Polen herrscht mildes Klima, leider mit der schlimmen Folge, dass das Eis an den Polkappen abschmilzt und das Meer ansteigt. Dann bleibt vom Tiefland nicht mehr viel übrig. Hamburg verschwindet, Berlin, Köln auch, Frankfurt wird Seestadt, doch München bleibt uns erhalten“ (FAZ 21.5.1982: 25) ► „Der reiche Norden wird von den übelsten Plagen bis auf weiteres nur am Rande berührt - vorausgesetzt, es schottet sich weiterhin konsequent gegen den Einwanderungsdruck aus dem Süden ab. Doch dem Treibhauseffekt, der weltweit die Temperatur um anderthalb bis zweieinhalb Grad hochtreiben und den Meeresspiegel um ein bis zwei Meter anheben wird, kann der Norden nicht entgehen“ (Der Spiegel 21/1990: 161) ► „Schmelzende Gletscher, fehlender Schnee, Tauwetter auf dem Großglockner Klimaforscher sagen das Ende des Wintersports in den Alpen voraus“ (Der Spiegel 47/1991: 340) ► „... und prognostizierten der Bundesrepublik ihre eigene Katastrophe: mehr Steinschlag, weniger Sylt“ (FAZ 6.5.1994: 32) ► „Die Erwärmung des Erdklimas hat für die Schweizer Hinterlandgemeinde Saas Balen bedrohliche Folgen. Die Gefahr geht von einem Gletscher aus, der rasch abschmilzt und bei seinem Rückzug Seen bildet, die auf das Dorf herabstürzen könnten“ (Der Spiegel 42/1995: 1999) Konsequenzen - Risiken der Kommunikation ► rasante Entwicklung der Klimatologie ► Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ► Gefährdung Medien der Marktchancen der AKTUELLE ENTWICKLUNGEN DES KLIMADISKURSES Aufmerksamkeit für den globalen Klimawandel (relative Häufigkeit in %) Globaler Klimawandel in Wissenschaft und Massenmedien 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1997 1998 1999 Spiegel 2000 2001 FAZ 2002 2003 Science 2004 2005 Nature 2006 2007