IS-Video vom 02.11.2014 Mit Screenshots und vollständiger Übersetzung der englischen Untertitel und Erläuterungen und Kommentaren von Otla Pinnow Otla Pinnow 1 „Amerika kam in den Irak, um dort einen rasenden Kreuzzug zu führen, in seinen Ärmeln eine neue Landkarte von dem, was sie den „Mittleren Osten“ nennen.“ Stellen wir uns hierzu die getragene Sprache vor, in feinstem klassischem Hocharabisch. Otla Pinnow 2 „Es kam mit seinem ganzen Ungestüm und seinem ganzen Eisen, mit seinem ganzen Stolz und seiner ganzen Überheblichkeit.“ Die Überheblichkeit – das Kernmotiv, das sich durch das ganze Video zieht. Ihr will IS begegnen. Otla Pinnow 3 Es sammelte all seine Alliierten und mobilisierte seine ganze Luftwaffe und seine Flotte und es brachte seine Pferde und seine Soldaten. Hier werden natürlich alte Mythen aufgewärmt. Die kennen wir auch aus unserer Literatur, ob Niblungenlied oder Alarich, der Gote am Busento. Die Bilder schlagen die Brücke zur Moderne, die nur bisschen anders aussehen, aber ansonsten gleich solch alten Mythen sein soll. Otla Pinnow 4 „Die Kreuzfahrer glaubten, es könne sie niemand überwinden. Doch Gott, der Mächtige, der Majestätische schändete sie natürlich und zeigte uns die Schwäche ihres Komplotts“ Die Kreuzfahrer sind in der gesamten Region eine lebendige Erinnerung, die jedes Kind kennt. Wo immer es Konflikte mit Europa gibt, werden die Kreuzzüge als Parallele heran gezogen. Otla Pinnow 5 „Die Flamme des Heiligen Krieges war entfacht, der Kreuzzug war zusammen gebrochen und der Islamische Staat war gegründet. Den Schurken zum Trotz, und Amerika wurde ausgestoßen aus dem Irak, erniedrigt und vertrieben.“ Nun ja, leicht übertrieben, würde ich mal sagen, aber macht Stimmung – und es kommt noch besser :-) Otla Pinnow 6 Besiegt und gebrochen kniffen sie ihre Schwänze ein und ließen in ihrem Kielwasser eine Karte des Islamischen Staates zurück, bereit, die Welt unter dem prophetischen Weg des Kalifats neu zu vermessen. Denn es wird sein ein Kalifat nach der Methode der Propheten. Ein Vorteil des Islam: Mohammad ist das Siegel der Propheten; mehr gibt es nicht. So kann wenigstens keiner den neuen Propheten machen. Otla Pinnow 7 Die Zeit ist gekommen für diese Generationen, die ertranken in Ozeanen der Schande, die aufgezogen wurden mit der Milch der Erniedrigung, nach ihrem langen Schlaf der Missachtung, die Zeit ist für sie gekommen, sich zu erheben. Die blumige, dramatische Sprache der alten Sagen möge nicht darüber hinweg täuschen, worum es bei IS tatsächlich geht: nicht um Religion. Was hier zum Kampf ruft, ist nicht Frömmigkeit, sondern der Zorn über die Erniedrigung. Otla Pinnow 8 Die Zeit ist gekommen für die Umma Mohammads (Friede sei mit ihm), zu erwachen von ihrem Schlaf, die unwürdige Kleidung abzuwerfen, den Staub von Erniedrigung und Schande abzuschütteln, denn die Zeit des Jammerns und Lamentierens ist vorbei und nach dem Willen Gottes ist die Morgendämmerung der Ehre neu aufgegangen. Die Kleidung ist also kein Zeichen der Frömmigkeit, sondern trotziges Bekenntnis zur eigenen Kultur. Bzw. soll es sein, denn eine Nationaltracht, der die IS-Tracht nachempfunden wäre, ist mir nicht bekannt. Insofern erinnert sie an Kaiser Wilhelms Pickelhauben, die es ja vor ihm auch nicht gegeben hatte. Otla Pinnow 9 Und die Sonne des Heiligen Krieges ist aufgegangen und es scheint die frohe Botschaft des Guten. So soll es also aussehen. Die meisten Levantiner werden da wohl an den Urgrund von Gregor von Rezzoris Maghrebinischer Geschichte aus der Zeit der Herrschaft des furchtbaren Mongolen Hülägü denken: der weiseste Satz, gültig aller Orten und zu allen Zeiten: „Auch dieses wird vorüber gehen.“ Es ist mir übrigens auch nicht bekannt, dass altarabische Krieger je Sturmhauben getragen hätten. Otla Pinnow 10 Triumph zeichnet sich ab am Horizong. Die Zeichen des Sieges sind erschienen. Hier erhebt sich die Flagge des Islamischen Staates, die Flagge der Einheit, und flattert. Tawhîd, die Einheit, ist das wesentliche Prinzip des Islam, in der grundlegenden Bedeutung vielleicht vergleichbar der christlichen Erbsünde. Es ist die gegen die christliche Dreifaltigkeitslehre gesetzte göttliche Einheit, die zur Einheit innerhalb der islamischen Gemeinde, der Umma, und zur Einheit zwischen Schöpfung und Gott überhaupt ruft. Otla Pinnow 11 Ihr Schatten bedeckt das Land von Aleppo bis Diyala. Unter ihr wurden die Mauern derern, die sich Gottes Rechte anmaßen, geschleift, ihre Flaggen sind nieder gefallen, ihre Grenzen wurden zerstört. Gespenstisch und riesengroß, der IS-Krieger. So soll es für den Westen aussehen und alle Muslime, denen die ganze Richtung nicht passt, also die weit überwiegende Mehrheit. Otla Pinnow 12 „Gottes Rechte anmaßen“ ist nach dieser Lesart, Gesetze zu machen, die nicht im Koran stehen und auch nicht in den Überlieferungen, den Hadithen, zu finden sind. Darin sind freilich die meisten Gesetze, die ein Staat braucht, nicht zu finden – nicht nur Steuer- und Verkehrsrecht, sondern auch nicht Gewährleistungs- und Vertragsrecht beispielsweise, die ja zivilrechtlich von überragender Bedeutung sind. Weswegen Diktatoren sich solche Gesetze selber basteln. Nach eigener Willkür. Die dann als Scharia verkauft wird. Scharia ist eigentlich der rechte Weg, der Lebensweg der Rechtgeleiteten. Die Rechtleitung selbst steht im Koran, der freilich interpretiert werden muss, worauf der Koran selbst hinweist. Wer nicht rechtgeleitet ist, wird ihn falsch interpretieren. Dass es für Rechtleitung ja oder nein objektive Maßstäbe geben muss, war den Muslimen im Grunde von Anfang an klar. So entwickelten sich sehr schnell akribische Wissenschaften, die z.B. echte von unechten Zitaten unterschieden, nach vernünftiger und widerspruchsfreier Koraninterpretation strebten und – eine ernst zu nehmende Rechtswissenschaft. Die ist eher noch strenger und genauer als unsere Jurisprudenz. Es ist klar, so etwas muss man studiert haben, das kann sich keiner aus dem Ärmel schütteln. Freilich gibt es jede Menge Extremisten, die das von sich behaupten. Fundamentalisten wie die IS-Vertreter haben noch einen anderen Weg: sie erklären alles, was in den letzten 1.400 Jahren in den islamischen Wissenschaften passiert ist, für ungültig, sofern es ihnen nicht passt, und machen sich daran, quasi das Rad neu zu erfinden. Ohne das Genie der großen Alten. Otla Pinnow 13 Und ihre Soldaten wurden entweder getötet, oder gefangen, oder besiegt.Die Muslime haben die Ehre gewonnen und die Ungläubigen sind geschändet. Zum Schänden gehören die erniedrigenden Enthauptungsvideos, die zu Recht weltweite Empörung auslösten. Doch das Waterboarding von Foley, die orangenen Overalls der Guantanamo-Häftlinge, all dies ist mit voller Absicht so.inszeniert. Und wo jahrelang blutige Kriege herrschen, verrohen die Menschen. Da ertragen sie solche Grausamkeiten mit Gleichmut, denn ihren eigenen Leuten ist längst Schlimmeres passiert. Otla Pinnow 14 Die Leute der Sunna sind die Meister und hoch angesehen. Das Ketzervolk sind die Looser und erniedrigt. Ein universales Bild: die Versammlung der Weisen in den weißen Kleidern. Otla Pinnow 15 Die Hudud (Sharia-Strafen) werden verhängt – die Strafen Gottes in vollem Umfang In diesem Zusammenhang drängt sich das alte Bild des Menschenopfers für den Sieg auf, archaische Vorstellungen, eingeprägt in die Menschheit, ob Iphigenie oder Storms Schimmelreiter. Genau das ist aber im Islam ebenso wie im Judentum seit Abraham strengstens verboten. Otla Pinnow 16 Die Frontlinien werden verteidigt, die Kreuze und Gräber, die als Heiligengräber verehrt werden, zerstört, Gefangene werden durch Schwertes Schneide befreit. Das Gräberzerstören ist mit protestantischer Bilderstürmerei zu vergleichen. Der Islam ist zum Ärger aller Fundamentalisten eine zutiefst mystische Religion; was IS zerstört, sind die im Volk sehr verehrten Gräber als heilig angesehener Mystiker. Otla Pinnow 17 Die Menschen im Staat, die auf dem Land leben, regen sich um ihren Lebensunterhalt und ihre Reisen. Leben und Eigentum wissen sie sicher. Das Hauptargument, das IS der Bevölkerung gegenüber hat: wenn du uns gehorchst, ist dein Leben und das deiner Angehörigen sicher und geplündert wirst du auch nicht. In Irak und vor allem Syrien ist das mehr, als alle anderen versprechen können – und außerdem wird ein Kämpfer sich als großer Beschützer toll fühlen. Man möge nicht übersehen, es handelt sich hier um ein Werbevideo. Otla Pinnow 18 Gouverneure und Richter wurden ernannt, Kopfsteuer für Nicht-Muslime durchgesetzt, Enteignungen (Fay') und Almosensteuer eingesammelt und Gerichtshöfe eingerichtet, um Dispute und Klagen zu lösen. IS schafft also geordnete Zustände für das Volk, die kleinen Leute. Streng hierarchisch natürlich. Zu sagen haben die 'kleinen Leute' nichts. Da unterscheidet sich IS in nichts von allen anderen Faschisten. Otla Pinnow 19 Fay' ist eine weitgehend unbekannte Sache. Sie gehört zu den Spezialitäten um Mohammads Krieg gegen Mekka, längst vergessen, aber von IS wieder ausgegraben. Es ist die Enteignung von Nicht-Muslimen zugunsten der Staatskasse, vulgo: Beute machen. Dasselbe, was auch der NS-Staat tat, Stichwort Raubkunst.. Für IS ist das eine gute, gottgefällige Tat; nur beim privaten Beutemachen sind sie sich nicht so ganz einig. Ob staatlich oder privat, Beute darf nur im „Haus des Krieges“ gemacht werden. Haus des Krieges ist für IS alles, was nicht vom Islam regiert wird. Verträge gelten da ihrer Meinung nach nicht, das würde ein heiliger Krieg so mit sich bringen. Die Folge ist, einfach gesagt: was er zum Leben und für den Krieg braucht, darf der ISKrieger sich nach Meinung einer relevanten Gruppe, jedenfalls sieht's in entsprechenden Foren danach aus, im „Haus des Krieges“ zusammen stehlen. Wenn wir damit rechnen müssen, dass sich auch bei uns terroristische IS-Zellen bilden, dann tunlichst auch damit, dass die sich z.B. über organisierten Bankraub finanzieren. Wie weiland die Rote Armee Fraktion. In anderen IS-Videos tauchte übrigens das organisierte Beutemachen für Privat als Attraktion auf. Der Lohn des Kriegers: er darf sich reichlich an Feindes Eigentum bedienen, einschließlich seiner Frauen. Die weit überwiegende Mehrheit der Muslime sieht das alles allerdings als unehrenhafte Kriminaliät an. Otla Pinnow 20 Das Böse wurde vertrieben, Lehrgänge und Klassen wurden in den Moscheen gehalten und durch Gottes Gnade ist die Religion volll und ganz nur für Gott da. Alle Fundamentalisten, insbesondere auch die Evangelikalen, behaupten, die Religion sei für Gott da. Theologisch ist das Unsinn, da der vollkommene Gott keine Bedürfnisse haben kann, lässt sich aber wunderbar instrumentalisieren. Denn wenn einer nicht gehorcht, wird behauptet, er habe sich nicht weltlichen Herrschern widersetzt, sondern Gott. Otla Pinnow 21 Übrig blieb nur ein Problem, eine kollektive Verpflichtung, bei der die Gemeinde sich versündigt, wenn sie sie verwirft. Es ist eine vergessene Pflicht. Die Umma hat keine Ehre geschmeckt, seit sie sie verloren hat. Es ist ein Traum, der in den Tiefen der Seele jedes muslimischen Gläubigen lebt, eine Hoffnung, die im Herzen eines jeden echten Monotheisten flackert. Na, was das wohl sein mag. Otla Pinnow 22 Es ist das Kalifat. Es ist das Kalifat – die missachtete Verpflichtung dieser Zeit. Man beachte: so richtig schön wird ein Kalif nur mit mittelalterllichem Kettenhemd. Otla Pinnow 23 Gott der Erhabene sprach: und als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde auf der Erde einen Stellvertreter (Kalif) einsetzen (Sure 2, Vers 30); Imam alQurtubi sagte in seiner Koranauslegung: „Dieser Vers ist eine fundamentale Basis für die Berufung eines Führers und Kalifen, auf den gehört wird und gehorcht wird. Auf dass die Umma durch ihn vereinigt sei und seine Befehle ausgeführt werden... Otla Pinnow 24 Al-Qurtubi, 1214-1237, war ein bekannter Rechtswissenschaftler und Korankommentator; am meisten wird er freilich in Sachen Besessenheit zitiert. Al-Qurtubi war entschieden der Meinung, selbstverständlich gäbe es Besessenheit durch Dschinns oder gar den Teufel selbst; das war nämlich selbst damals schon von etlichen islamischen Gelehrten bezweifelt worden; die waren der Auffassung, entsprechende Symptome hätten ganz natürliche Ursachen. Es gibt also immer unterschiedliche Meinungen im Islam. Woran einer sich nun hält, dafür ist er allein verantwortlich. Im hier erwähnten Fall ist allerdings Al-Qurtubis Auslegung sehr seltsam. Denn Vers 30 ff aus Sure 2 befasst sich mit der Erschaffung des Menschen. Der nämlich und nicht irgend eine Einzelperson ist lt. Koran Stellvertreter Gottes (=Kalif) auf Erden. Anders ergibt die Sache aus dem Kontext heraus keinen Sinn. Wenn allerdings hier behauptet wird, Kalif sei Gottes Willen,dann ist des Kalifen Willkürherrschaft Gottes Wille, der man sich nicht widersetzen darf: das Gottkönigtum des Absolutismus. Im Folgenden wird auf den hier angeblich bestehenden Idjma' verwiesen, den Konsens aller Gläubigen bzw. Gelehrten. Ein wichtiges und im Grunde demokratisches Entscheidungsprinzip des Islam: was allgemeiner Konsens ist, kann nicht falsch sein. Dem Konsens helfen Sekten nach bewährter Methode dadurch nach, dass sie alle, die ihnen nicht zustimmen, zu vom Islam Abgefallenen und Ungläubigen erklären. Otla Pinnow 25 … Es gibt innerhalb der Umma keinen Disput über diese Sache und auch nicht innerhalb der Gelehrten. Außer dem, was von dem Tauben berichtet wurde. Seine Taubheit hinderte ihn daran, die Scharia zu hören.“ Damit endeten seine (Al-Qurtubis) Worte. Qurtubi lebte kurz nach den großen islamischen Philosophen al-Farabi, Avienna und Averroes. Selbst zu seiner Zeit kann man von Konsens nicht ausgehen. Otla Pinnow 26 Also studierte der Rat des Islamischen Staates die Sache. Nachdem der Islamische Staat durch Gottes Gnade das Wesentliche errang, was für das Kalifat notwendig ist, wären die Muslime sündhaft, wenn sie sich nicht bemühen würden, es zu errichten. Im Lichte der Tatsache, dass der Islamische Staat keine rechtmäßige Einschränkung oder Entschuldigung hat, die das Verschieben oder Ablehnen der Errichtung des Kalifats so rechtfertigen könnte, dass es nicht sündig wäre, löste der Islamische Staat, vertreten durch die Leute seiner Autorität, bestehend aus den Ältesten, den Führern und dem Shura-Rat, das Problem, indem er die Errichtung des Islamischen Kalifats verkündete. Otla Pinnow 27 Die Ernennung eines Kalifen für die Muslime Passt auf, jetzt kömmt er. Otla Pinnow 28 und nach der Bitte der Gefolgschaft, der Scheichs und Krieger um einen Gelehrten, der tut, was er predigt, dem Gottesdiener, dem Führer, dem Krieger, dem Reformator, der der Familie des Propheten entstammt, der Sklave Gottes, Ibrahim Ibn Awwad Ibn Ibrahim Ibn Ali Ibn Muhammad al-Badri al-Hashimi al-Hussayni, nach der Linie alQuraishi Da kömmt er, da steigt er, gebeugt von der schweren Bürde seiner Verantwortung und seines Amtes mit seinen ehrwürdigen Namen die Treppe hinauf, die Treppe zur Kanzel in der großen Moschee... Quraish ist übrigens Mohammads Stamm, also so was wie vom Stamme Otla Pinnow Davids bei Jesus 29 As-Sammura'i von Geburt und daselbst aufgewachsen, al-Baghdadi von Wohnort und Gelehrtensitz. 'Und er hat den Eid abgelegt. So ist er der Kalif für die Muslime, wo immer sie sind. Prost Mahlzeit. Otla Pinnow 30 Otla Pinnow 31