Biochemische Netzwerke und ihre Evolution 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 1 Inhalt Einführung Begriffe und Definitionen Biochemische Reaktionen Biochemische Pfade und Netzwerke Modellierung biochemischer Netze 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 2 Inhalt Evolution Gendrift vs. natürliche Selektion Evolution biochemischer Netze Quellen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 3 Einführung Biologie: die Wissenschaft vom Leben (vom griech. bios - das Leben und logos – die Lehre) Betrachtung des Lebens zwischen mikroskopischer und makroskopischer Ebene Biochemische Reaktionen auf mikroskopischer Ebene 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 4 Begriffe und Definitionen Katalysator (vom griech. katálysis Auflösung) mit Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit Änderung der Aktivierungsenergie Einfluss auf die Kinetik chemischer Reaktionen, aber kein Einfluss auf deren Thermodynamik 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 5 Begriffe und Definitionen Abbildung 1: Reaktionsverlauf mit (dicke Linie) und ohne Katalysator (entnommen aus [1]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 6 Begriffe und Definitionen Enzyme, auch Biokatalysatoren: Proteine, die die Umsetzung anderer Moleküle (Substrate) katalysieren; für den Stoffwechsel unverzichtbar wirken auch bei Temperaturen weit unter 100 °C substratspezifische Wirkung 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 7 Begriffe und Definitionen Coenzym: niedermolekulares organisches Molekül (kein Protein) oder ein Metallion DNA: Trägerin der Erbinformationen Gen: DNA-Abschnitt, der für die Synthese eines funktionsfähigen biologischen Produkts erforderlich ist 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 8 Begriffe und Definitionen Cosubstrate: Kofaktoren, deren Umsetzung durch ein Enzym-Molekül mit der Umsetzung des Substrats gekoppelt sind wichtigste Cosubstrate: ATP, ADP, NAD+, NADP+, FAD, NADH, NADPH, FADH2, Pyridoxalphosphat der Transaminase 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 9 Biochemische Reaktionen Änderung chemischer Elemente und Verbindungen werden indirekt durch Gene beschrieben dienen der Erzeugung von Energie, der Synthese von Substanzen, dem Wachstum, der Vermehrung und zur Reaktion auf Umwelteinflüsse 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 10 Biochemische Reaktionen aus Edukten werden Produkte Edukt + Edukt Produkt + Produkt sind reversibel Gleichgewicht zwischen Edukten und Produkten Produkt kann Edukt für nachfolgende Reaktion sein 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 11 Biochemische Reaktionen Reaktionsgeschwindigkeit oft durch Enzyme beeinflusst keine Änderung des Reaktionsgleichgewichts 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 12 Biochemische Pfade und Netzwerke Pfad ist eine abstrakte Modellierung von aufeinander folgenden chemischen Reaktionen in einer Zelle Sequenz von Reaktionen R1, ...,Rn zur Umsetzung einer Substanz in eine andere, wird biochemischer Reaktionsweg genannt 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 13 Biochemische Pfade und Netzwerke für alle 1 ≤ i < n mindestens ein Produkt der Reaktion i Edukt der Reaktion i +1 geschlossene und offene Zyklen als Sonderfälle Zyklus liegt vor, wenn sich eine Folge von Reaktionen nach wenigen Schritten wiederholt 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 14 Biochemische Pfade und Netzwerke Abbildung 2: geschlossener Zyklus (entnommen aus [2] S.48) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 15 Biochemische Pfade und Netzwerke Abbildung 3: offener Zyklus (entnommen aus [2] S.48) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 16 Biochemische Pfade und Netzwerke zwei Arten von biochemischen Pfaden biochemische Pfade metabolische Pfade Anabolismus (Assimilation) 29.05.2007 regulatorische Pfade Katabolismus (Dissimilation) Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 17 Biochemische Pfade und Netzwerke metabolische Pfade: alles was den Stoffwechsel betrifft Anabolismus: Aufbau körpereigener Substanzen unter Energieverbrauch, z.B. Photosynthese 6 CO2 + 6 H2O + Energie ===> C6H12O6 + 6 O2 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 18 Biochemische Pfade und Netzwerke Katabolismus: Abbau körpereigener Substanzen zur Energiegewinnung, z.B. Glycolyse C6H12O6 + 6 O2 ===> 6 CO2 + 6 H2O + Energie regulatorische Pfade: Kontrollmechanismen in der Genex – pression 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 19 Biochemische Pfade und Netzwerke Stoffwechsel ist das Gesamtnetzwerk der in einer Zelle ablaufenden Reaktionen Gesamtheit aller biochemischen Reaktionswege 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 20 Biochemische Pfade und Netzwerke Abbildung 4: Ausschnitte aus dem ’Biochemical Pathways’-Poster der Fa. Boehringer Mannheim (entnommen aus [3]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 21 Biochemische Pfade und Netzwerke autokatalytisch: Netzwerk produziert seine eigenen Katalysatoren katalytische Abgeschlossenheit: autokatalytisches Netzwerk, bei dem die Reaktionen in Zeiträumen ablaufen, die in der gleichen Größenordnung wie Lebensprozesse liegen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 22 Biochemische Pfade und Netzwerke Abbildung 5: einfaches autokatalytisches System (entnommen aus [4]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 23 Biochemische Pfade und Netzwerke S. Kauffman: "Der Ursprung des Lebens besteht... in der katalytischen Abgeschlossenheit, die ein Gemenge von Molekülarten erzielt. Jede Molekülart für sich genommen ist tot. Doch sobald sich das kollektive System der Moleküle katalytisch abgeschlossen hat, ist es lebendig." 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 24 Biochemische Pfade und Netzwerke Ansatz zur Modellierung eines Zufallsgraphen nach S. Kauffman: • man gebe Menge von 100 000 Knoten vor • wähle 2 beliebige Knoten aus, verbinde sie durch eine Kante und lege sie zurück 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 25 Biochemische Pfade und Netzwerke • ziehe erneut 2 Knoten und verbinde diese, usw. • bis gewünschte Anzahl von Kanten erreicht • Entstehung von Clustern mit zunehmender Kantenanzahl 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 26 Biochemische Pfade und Netzwerke bei Verhältnis von Kanten zu Knoten > 0,5 : „Kristallisation“ des Netzwerks, d.h. die meisten Knoten zu einer einzigen Komponente verbunden 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 27 Biochemische Pfade und Netzwerke herauskristallisierte Komponente bei genügend vielen Knoten in der Regel autokatalytisch abgeschlossen S. Kauffman: " Ein solches Netz, so zeigt sich, ist fast immer autokatalytisch – fast immer selbst erhaltend, also ´am Leben´. " 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 28 Modellierung biochemischer Netze als Graphen Edukte und Produkte als Knoten Reaktionen als Kanten 6 CO2 + 6 H2O + Energie C6H12O6 + 6 O2 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 29 Modellierung biochemischer Netze als Petrinetz Plätze als Edukte und Produkte Marken als Konzentrationen der Edukte und Produkte Transitionen als Reaktionen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 30 Modellierung biochemischer Netze Abbildung 6: reduziertes Glycolyse-Netzwerk (entnommen aus [5] S.60) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 31 Modellierung biochemischer Netze KEGG (Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes) drei miteinander verknüpfte Datenbanken Ligand: Informationen zu chemischen Verbindungen, Enzymen und Reaktionen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 32 Modellierung biochemischer Netze PATHWAY: graphische Darstellung der Reaktionswege und Listen der Enzyme und Reaktionen GENES: Genkataloge aller vollständig sequenzierten Genome und einiger unvollständig sequenzierter Genome sowie Listen der Gene 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 33 Modellierung biochemischer Netze Abbildung 7: Pathway der Glycolyse (entnommen aus [6]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 34 Evolution Evolution nach Lamarck : Theorie einer allmählichen "Evolution" (Entwicklung) die Veränderungen haben mit funktionaler Anpassung zu tun und hängen von der Intensität des Gebrauchs bestimmter Organe (z.B. Giraffenhals) ab Vererbung „angelernter“ Eigenschaften 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 35 Evolution Evolution nach Darwin: Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation Veränderung steht in Zusammenhang mit der Anpassung (adaptation) der Individuen einer Art an die Erfordernisse ihrer Umwelt 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 36 Evolution Individuelle Merkmale in Genen kodiert bei der Fortpflanzung kopiert und an den Nachwuchs weitergegeben (Rekombination) durch Mutationen Entstehen unterschiedlicher Varianten (Allele) der Gene 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 37 Evolution daraus resultierend erblich bedingte Unterschiede zwischen Individuen Änderung der Häufigkeit der Allele einer Population durch natürliche Selektion oder Gendrift 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 38 Evolution Rekombination: Vermischung der elterlichen Erbinformation, bei der Sequenzabschnitte zwischen homologen Chromosomen ausgetauscht und neu verteilt werden (crossing over) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 39 Evolution Abbildung 8: verschiedene Typen des crossing over (entnommen aus [1]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 40 Evolution natürliche Selektion: entsteht aus den unterschiedlichen Reproduktionserfolgen der Individuen einer Population innerhalb von Populationen und zwischen Arten eine natürliche, vererbbare Variabilität 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 41 Evolution die Anzahl der Nachkommen der Individuen viel höher als die Kapazität des jeweiligen Lebensraumes Konkurrenz Überlebens- und Reproduktionserfolge der Individuen einer Population daher unterschiedlich 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 42 Evolution Weitergabe der vererbbaren Merkmale durch die erfolgreich reproduzierenden Individuen einer Generation Erhöhung der genetischen Fitness (survival of the fittest) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 43 Evolution Gendrift: Veränderung der zufälligen Verteilung von Genen durch zufälligen Verlust oder Erwerb von nichtadaptiven Allelen innerhalb einer Population mit für die Bildung von Arten verantwortlich (abgeschnittene Zufallspopulation) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 44 Gendrift vs. natürliche Selektion gleichzeitig wirkende Evolutionsfaktoren basieren auf der Änderung der Zusammensetzung des Genpools Veränderungen unabhängig davon, ob sie vorteilhaft oder nachteilig auf den Phänotyp wirken (Gendrift) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 45 Gendrift vs. natürliche Selektion Gendrift zufallsbedingt und unabhängig von genetischer Fitness natürliche Selektion bevorzugt Allele, die die genetische Fitness erhöhen Wirkung von Gendrift und natürlicher Selektion abhängig von Populationsgröße 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 46 Gendrift vs. natürliche Selektion Abbildung 9: Einfluss von Gendrift und Mutation auf den Genpool einer Population (entnommen aus [1]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 47 Evolution biochemischer Netze Modellierung durch Graphen, Petrinetze, Workflow Änderungen der Gene führen zu Änderungen in biochemischen Netzwerken Mutation spaltet Knoten auf bzw. legt sie zusammen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 48 Evolution biochemischer Netze dadurch Entstehung bzw. Wegfall von Pfaden bzw. Teilnetzen Entstehung bzw. Verschwinden von Zyklen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 49 Evolution biochemischer Netze Graphen: • Entstehung neuer Kanten im Graph durch neue molekulare Wechselwirkungen • Entstehung bzw. Verschwinden von Zyklen 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 50 Evolution biochemischer Netze Abbildung 10.1: durch Evolution eines biochemischen Netzes bedingte Graphentransformation (entnommen aus [2] S.206) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 51 Evolution biochemischer Netze Abbildung 10.2: durch Evolution eines biochemischen Netzes bedingte Graphentransformation (entnommen aus [2] S.206) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 52 Evolution biochemischer Netze Abbildung 10.3: durch Evolution eines biochemischen Netzes bedingte Graphentransformation (entnommen aus [2] S.206) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 53 Evolution biochemischer Netze Petrinetze: • Strukturänderungen • neue Instanzen laufen automatisch auf Basis der neuen Struktur 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 54 Evolution biochemischer Netze Abbildung 11: Evolution eines Petrinetzes (entnommen aus [7]) 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 55 Quellen [1] Kurth, W. (2003): Skript zur Vorlesung "Artificial Life", BTU Cottbus [2] Schreiber, F. (2001): Visualisierung biochemischer Reaktionsnetze. Dissertation, Fakultät für Informatik der Universität Passau 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 56 Quellen [3] Zhao, D. (2004): Exploration und Visualisierung biochemischer Reaktionspfade. Studienarbeit, Institut für Informatik der BTU Cottbus [4] Kauffman, S. (1995): Der Öltropfen im Wasser. Piper-Verlag München, Zürich 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 57 Quellen [5] Winder, K. (2006): Invariantenbasierte Strukturierung von Petri-Netzen. Diplomarbeit, Institut für Informatik der BTU Cottbus 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 58 Quellen [6] KEGG: Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes. http://www.genome.ad.jp/kegg/, 28.05.2007 [7] http://www.answers.com/topic/ petri-net 27.05.2007 29.05.2007 Regelbasierte Programmierung mit XL Frank Karstan 59