Seminar: Deutsche Teilung und Wiedervereinigung im Film • • • • САНКТ-ПЕТЕРБУРГСКИЙ ГОСУДАРСТВЕННЫЙ УНИВЕРСИТЕТ ФАКУЛЬТЕТ СОЦИОЛОГИИ Dozent: Dr. Denis Gruber In diesem Seminar werden folgende Filme und Zeitepochen analysiert: Die 1940er Jahre: "Karbid und Sauerampfer“ „Luftbrücke–Nur der Himmel war frei“ Die 1950er Jahre: „Zwei Tage Hoffnung – Der Aufstand vom 17. Juni 1953“, "Berlin-Ecke Schoenhauser" Die 1960er Jahre I: „Der geteilte Himmel“, „Spur der Steine“, "Der rote Kakadu Die 1960er Jahre II: „Berlin um die Ecke“, „Die Mauer – Berlin `61“, „Der Tunnel“ „For Eyes Only“ Die 1970er Jahre I: „Sonnenallee“, „Die Legende von Paul und Paula“, Die 1970er Jahre II: „An die Grenze“, „Mit dem Wind nach Westen“ Die 1980er Jahre I: „Die Frau vom Checkpoint Charlie“, „Das Leben der Anderen“, „NVA" Die 1980er Jahre II: Das Wunder von Berlin“, „12 heißt ich liebe dich“, „Goodbye Lenin“ Die 1980er Jahre III: „Liebe kennt keine Grenzen“, „Schulz&Schulz“, „Deutschlandspiel“ Seminar: Deutsche Teilung und Wiedervereinigung im Film - 1933 endete die Weimarer Republik und damit der erste Anlauf zu einer demokratischen Regierungsform in Deutschland - 12 Jahre menschenunwürdige NS-Diktatur waren die Folge - 1945 versank das "Tausendjährige Reich" in Schutz und Asche - Die Verbrechen der NS-Zeit hatten ein beispielloses Ausmaß - Deutschland als Staat war zerstört - Hier beginnt unser Einstieg in die deutsche Geschichte • Deutschland nach 1945: Besatzung, Teilung, Gründung der Bundesrepublik und der DDR Filmanalyse • Dimensionen der Analyse nach Korte (1999) Filmrealität Bedingungsrealität Inhalt, Form, Handlung Warum wird dieser Inhalt, in dieser historischen Situation, in dieser Form filmisch aktualisiert? Film Bezugsrealität In welchem Verhältnis steht die filmische Rezeption; Darstellung zur realen Bedeutung des Problems? Wirkungsrealität dominante zeitgenössische heutige Rezeption Filmrealität • Ermittlung aller am Film selbst feststellbarer Daten, Informationen, Aussagen • also Inhalt, formale und technische Daten, Einsatz filmischer Mittel, inhaltlicher und formaler Aufbau des Films • handelnde Personen, Handlungsorte, Handlungshöhepunkte • Informationslenkung und Spannungsdramaturgie Bedingungsrealität • Ermittlung der Kontextfaktoren, die die Produktion, die inhaltliche und formale Gestaltung des Films beeinflusst haben • Aufarbeitung der historisch-gesellschaftlichen Situation zur Entstehungszeit des Films • Stand der Filmtechnik • Bezug zu anderen inhaltlich oder intentional ähnlichen Filmen • Weitere Filme des Regisseurs • Bezug zur literarischen Vorlage Bezugsrealität • Erarbeitung der inhaltlichen, historischen Problematik, die im Film thematisiert wird • Verhältnis der filmischen Darstellung zur realen Bedeutung der historischen Ereignisse Wirkungsrealität • • • • Laufzeiten des Films Intentionen der Hersteller Zeitgenössische Rezeption Heutige Rezeption Deutschland in den 1940er Jahren Bedingungsrealität • Deutschland nach dem Kriegsende 1945 • Durch die bedingungslose Kapitulation am 7. und 8. Mai 1945 verlor das Deutsche Reich seine Staatlichkeit • In der „Berliner Deklaration“ vom 5.6.1945 wurde die Regierungsgewalt durch die USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich übernommen • Im „Potsdamer Abkommen“ vom 2.8. 1945 wurde die Teilung des Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen und vier Berliner Sektoren festgelegt Potsdamer Abkommen • Potsdamer Abkommen = Bezeichnung für das offizielle Schlussprotokoll der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 über Deutschland und seine Stellung in Europa nach dem 2. Weltkrieg. • Als Vertreter der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der UdSSR bemühten sich Harry Truman, Sir Winston Churchill (ab 28. Juli 1945 dessen Nachfolger Clement Attlee) und Jossif W. Stalin, Deutschlands Position im Europa der Nachkriegszeit festzuschreiben • Entnazifizierung, Verhaftung der führenden NSDAPMitglieder sowie die Entlassung von NSDAP-Mitgliedern aus öffentlichen Ämtern, Gewährung von Meinungs- und Pressefreiheit, Bildung von der Demokratie verpflichteten Parteien und Gewerkschaften • Deutschland sollte entmilitarisiert und von den Alliierten militärisch besetzt werden • tatsächliche politische Macht in den einzelnen Besatzungszonen sollte den Militärgouverneuren WIEDERERWACHEN DES POLITISCHEN LEBENS IN DEUTSCHLAND • Nachkriegszeit in Deutschland war gekennzeichnet durch eine katastrophale Ernährungslage, durch die Zerstörung der Großstädte, Wohnraummangel und umfangreiche Demontagen seitens der Besatzungsmächte • Gleichzeitig strömten Massen von Flüchtlingen nach Deutschland, die ernährt, untergebracht und möglichst in die Gesellschaft integriert werden mussten • Ungeachtet dieser Umstände begann sich schon relativ früh das politische Leben in den Besatzungszonen zu entwickeln Gründung politischer Parteien Besatzungszeit in Deutschland 1945-1949 • Besatzungszeit in Deutschland 19451949, Zeit zwischen dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 und der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1949 • Von 1945-1949 bestimmten die vier alliierten Besatzungsmächte das politische Leben in Deutschland WIEDERERWACHEN DES POLITISCHEN LEBENS IN DEUTSCHLAND • In den Westzonen knüpften die Alliierten, wenn auch in unterschiedlicher Weise an bestehende deutsche Traditionen an, in der sowjetischen Zone suchte man eher den Bruch mit ihnen: • Amerikaner übernahmen die deutsche föderalstaatliche Tradition, die auch ihrem eigenen Verfassungsverständnis entsprach • Amerikaner förderten den wirtschaftlichen Wiederaufstieg ihrer Zone, dann der anderen Westzonen • • • • • WIEDERERWACHEN DES POLITISCHEN LEBENS IN DEUTSCHLAND Großbritannien setzte weniger auf die föderalen Staatstraditionen, sondern orientierten sich vornehmlich auf eine Kommunalverwaltung Doppelspitze aus Verwaltungschef und dem gewählten Bürgermeister Wirtschaftspolitisch folgten die Briten sehr stark der amerikanischen Politik Ursachen: auch Briten waren nach Kriegsende in ökonomischer Abhängigkeit von den USA Folge: schon 1946 wurden die amerikanische und britische Besatzungszone in Westdeutschland zur Bizone zusammengelegt und einheitlich verwaltet • • • • • WIEDERERWACHEN DES POLITISCHEN LEBENS IN DEUTSCHLAND Frankreichs Besatzungspolitik folgte in erster Linie sicherheitspolitischen Prämissen Ursachen: Kriege von 1870/71, 1914/18 und 1939/45, in denen die Kriegshandlungen zwischen Deutschland und Frankreich auf franz. Territorium stattfanden Aus Sicht Frankreichs durfte sich keine Konstellation wiederholen, aus der heraus ein deutscher Staat Frankreich angreifen konnte Frankreich wollte Auflösung des Dt. Reiches in viele Einzelstaaten, strebte einen „deutschen“ Zustand wie vor 1871 an Frankreich versuchte seine Besatzungszone, insbesondere das Saarland, wirtschaftspolitisch für sich nutzbar zu machen • • • • • • • WIEDERERWACHEN DES POLITISCHEN LEBENS IN DEUTSCHLAND Sowjetunion verfolgte das Ziel der Schaffung eines zentralisierten Einheitsstaates, wie er später mit der DDR errichtet wurde Übertragung des sowjetischen Staatsmodells auf ihre Besatzungszone Wirtschaftlich war die sowjet. Besatzungszone erheblich schlechter gestellt als die anderen Sowjetische Wirtschaftskraft war traditionell schwächer und kein anderes Land hatte neben Deutschland unter dem 2. Weltkrieg gelitten Kein anderes Land hat dieselben Opfer an Menschen SU war deshalb gar nicht zu einer wirtschaftspolitisch relativ großzügigen Politik in der Lage Eisenbahnschienen beispielsweise, die in der SBZ demontiert wurden, brauchte man in der SU, genauso wie wichtige Bodenschätze und Produktionsanlagen Karbid und Sauerampfer Karbid und Sauerampfer • Nach dem Ende des 2. Weltkrieges liegt Dresden in Schutt und Asche. Darunter auch die Zigarettenfabrik. Für den Wiederaufbau benötigt man Karbid zum Schweißen. Kalle, der früher hier gearbeitet hat, möchte, dass sein alter Arbeitsplatz wieder aufgebaut wird. Deshalb macht sich der Nichtraucher Kalle auf, um Karbid zu beschaffen. Von seinen Arbeitskollegen erfährt er von Karbidfässern in Wittenberge. Dort bekommt er sieben Fässer Karbid und muss diese nun ohne eigenes Transportmittel nach Dresden schaffen. Häufig reist er per Anhalter nach Dresden zurück. Sein Zahlungsmittel sind Zigaretten, seine Wegzehrung Sauerampfer. Als erstes nimmt ihn die sympathische Karla auf ihrem Fuhrwerk mit. Am liebsten würde er länger bei ihr bleiben, doch die Pflicht treibt ihn weiter. Er verspricht, wiederzukehren. • Er wird er von einem LKW-Fahrer mitgenommen. Letztlich wird die Rückfahrt deutlich schwerer als gedacht. Kalle wird verdächtigt, ein Plünderer zu sein, muss sich mit einem geschäftstüchtigen amerikanischen Soldaten auseinandersetzen, ebenso wie mit Rotarmisten, die ihm mehrere seiner Fässer abnehmen. Er erleidet Schiffbruch und muss sich einer mannstollen Witwe erwehren. Trotz aller Widrigkeiten bringt er zwei Fässer bis nach Dresden. Nun kann ein Neuanfang beginnen. Nicht zuletzt, weil es für den Hallodri Kalle nötig ist, eine gute Grundlage zu schaffen; immerhin werden er und Karla Eltern. Karbid und Sauerampfer • Die Geschichte des Films basiert auf wahren Ereignissen. Autor Hans Oliva-Hagen schrieb an dem Stoff schon, während „Gewissen in Aufruhr“ - ebenfalls mit Erwin Geschonneck in der Hauptrolle - gedreht wurde. Ursprünglich sollte ebenfalls Günter Reisch Regie führen; da dieser jedoch nicht verfügbar war, wurde Frank Beyer Regisseur des Films. Zunächst hatte er Probleme, Geschonneck als Hauptdarsteller durchzusetzen, da man bei der DEFA einen jüngeren Hauptdarsteller wollte. • • Der echte Karbid-Kalle - Richard Hartmann - hatte mehr Erfolg als Karbid-Kalle im Film. Mit einem Kollegen brachte er alle seine neun Fässer ins Werk. Allerdings erlebte er nicht ganz so aufregende Abenteuer und zeugte unterwegs auch kein Kind. Hartmann und Geschonneck lernten sich erst nach den Dreharbeiten kennen. Alternativ war als Titel auch Karbid-Kalle in der Überlegung. Die Episode, in der Pilze in einem Minenfeld gesammelt werden, geht auf ein wahres Erlebnis von DEFA-Regisseur Kurt Maetzig zurück. Für Erwin Geschonneck war der Film der endgültige, wenn auch späte, Durchbruch zum großen DEFA-Star und Charakterkomiker. Der Schwarzweißfilm der DEFA-Gruppe KAG „Roter Kreis“ hatte am 27. Dezember 1963 im Berliner Kino Kosmos Premiere. • Die 1950er Jahre im geteilten Deutschland Berlin – Ecke Schönhauser Filmrealität • alle am Film selbst feststellbaren Daten • männliche Hauptfiguren Dieter, Karl – Heinz und der namenlose Kommissar der Volkspolizei im Mittelpunkt • Auf Ihre Einstellungen und Motivationen bezüglich der beiden Systeme der gespaltenen Stadt soll näher eingegangen werden • Vopo – Kommissar genießt einen besonderen Status im Film, er soll den von Klein und Berlin – Ecke Schönhauser • Welche Einstellung hat Dieter zum politischen System der DDR ? • Am Tage arbeitet er fleißig im Betrieb, wo er ein vorbildlicher Arbeiter ist. • Seine Freizeit verlebt Dieter am liebsten auf der Straße, wo er Abwechslung und Freiheit findet. Dieter kann die pädagogischen Auslassungen seines volljährigen Bruders nicht mehr hören (Schenk 1994, 127). Er lässt sich ungern bevormunden und will seine eigenen Wege gehen. • Seine Freundin Angela, sein Bruder (trotz diverser Meinungsverschiedenheiten wichtige Identifikationsfigur) und das Heimatgefühl, des Berlins der Schönhauser Allee, sind die Werte, die er schätzt und verteidigt. • Zum System der Deutschen Demokratischen Republik fehlt ihm die Meinung, er gibt sich als politisch uninteressiert und verkörpert die Person eines typischen Einzelgängers. Er betont, dass er seine Arbeit hat und sich selbst versorgen kann. Berlin – Ecke Schönhauser • Bei einem Verhör im Westberliner Büro kann er keine negativen Eindrücke über das kommunistischen System liefern. Im Zwiegespräch mit dem Kommissar der Volkspolizei äußert er, dass sie ihn alle in Ruhe lassen können, Vorschriften des Staates lässt er sich nicht aufdiktieren. • Sein Interesse am politischen Leben ist gering, sein Bruder erzählt ihm schon genug von Sachen, die ihn nicht interessieren. • Er wehrt sich gegen einen Eintritt in die FDJ, welch große Mühe sich auch die Funktionäre geben. Dieter braucht keine Organisation nach der Arbeit, das Leben auf der Straße kann man ihm nicht ersetzen. • Das Misstrauen an den politischen Institutionen wächst, als Dieter erfährt, dass der Vopo – Kommissar den FDJ – Funktionären von seiner Anwesenheit am Ort des Ausweisdiebstahl berichtet. Er erkennt nicht, dass ihn der Kommissar helfen wollte, um nicht auf die illegale Bahn zu gelangen und seine Freizeit fernab negativer Einflüsse in der FDJ zu verleben. Berlin – Ecke Schönhauser - Motivationen von Karl – Heinz • Am charakteristischsten für die Lage des geteilten Berlins ist sicherlich die Figur des Karl – Heinz (Joho 1957). • Vor den anderen Jugendlichen markiert er oft den reichen Mann, ihm ist es wichtig seinen Freunden seine neue Jacke aus dem Westen zu präsentieren. • „Kohle“ fordert er auf, eine Straßenlaterne zu zertrümmern, kann ihm jedoch die versprochene Mark gar nicht zahlen • Vor acht Monaten ging er vom Gymnasium, weil es ihm zu langweilig war, seither ist er ohne feste Arbeit, nach Ansicht des Vopo – Kommissars liegt er seinen Eltern auf der Tasche • hat den widerlichen Ost – West – Opportunismus seines Elternhauses satt. Er fordert seine Eltern auf, endlich in den Westen abzuhauen • Sein Vater entgegnet ihm, dass sich der Westen im psychologischen Vorteil befindet und das ganze System zusammenbrechen wird, er möchte Geld und Haus nicht aufgeben Berlin – Ecke Schönhauser • Motivationen von Karl – Heinz • Karl – Heinz zeigt sich vom Westen vorschnell beeindruckt, er sieht nur die Verlockungen des Westens und das schnelle Geld, welches sich verdienen lässt • Durch seine Kontakte zu Westberlinern gerät er in Kriminellenkreise, hierbei versucht er durch Diebstahl von Personalausweisen Westgeld zu verdienen • Ihm fehlt die Kenntnis, in welche Geschäfte er verwickelt ist und welche Gefahren der Westen mit sich bringt und gerade deshalb verhängnisvoll scheitert • er muss erkennen, dass er im Westen nicht glücklich wird und flieht nach dem Totschlag an Berlin – Ecke Schönhauser • Welche Person soll der Vopo – Kommissar in dem Spielfilm verkörpern ? • Kommissar nimmt eine ganz wichtige Rolle im Film ein • verkörpert die humane und erziehende Rolle • durch Hilfsbereitschaft und Diskussion sowie väterliches Geleit sollen die Menschen für die noch junge Republik gewonnen werden • überlegtes Auftreten und Ermahnungen die von Herzen kommen zeichnen den Kommissar aus • verurteilt die Jugendlichen nicht vorschnell, sondern kümmert sich verständnisvoll um sie und versucht sie wieder auf die richtige Bahn zu lenken Bedinungsrealität • Kontextfaktoren ermitteln, welche die inhaltliche und formale Gestaltung des Films beeinflusst haben • politische Intentionen des Regisseurs • in wieweit hat die staatliche Politik die Dreharbeiten beeinflusst Berlin – Ecke Schönhauser Bezugsrealität • inhaltliche und historische Problematik, die im Film thematisiert • Hauptaugenmerk hat die besondere Situation der geteilten Stadt Berlin und die damalig aktuelle Frage „Fliehen oder Bleiben“ • Zudem wird auf die sozialen Probleme der Berliner Jugend Mitte der 50er Jahre eingegangen Berlin – Ecke Schönhauser Wirkungsrealität • öffentliche Reaktion auf den Film in beiden Seiten Deutschlands dargestellt • Beurteilung des Spielfilms durch die politische Führung des Landes