Gehirn-Bewusstseins-Problem John C. Eccles: „Wie das Selbst sein Gehirn steuert“ von Thomas Smettan und Philipp Neumann Das Leib-Seele-Problem Das Leib-Seele-Problem ist der Kern der Philosophie des Geistes. Es ist die Frage danach, wie sich die mentalen Zustände zu den physischen Zuständen verhalten. Das Nachdenken über den Zusammenhang zwischen Körper und Geist geht bis in die Antike zurück. Aristoteles: Descartes: Platon: Die Seele ist das zwischen Wesensind des Menschen, nicht-körperlich und und Er unterscheidet Alle Lebensphänomene drei mechanisch Seelen: vegetativ, erklärbar animalisch unsterblich. vernünftig. Ausnahme: das Denken Sie ist das Lebensprinzip gewisser Lebewesen. Der Mensch kann nur aufgrund seiner Seele denken. Ohne Seele Körper: res extensa Die Seele belebt alles,sie daskann sie berührt und muss deshalb wäre erres kein Mensch, also nicht ohne Körper sein. Seele: cogitans notwendigerweise selbst Leben sein. Mensch kann sich nur denkend denken Das Leib-Seele-Problem Ich forschte nun, Wer ich sei. Ich fand, dass ich mir einbilden konnte, keinen Körper zu haben, und dass es keine Welt und keinen Ort gäbe, wo ich wäre; aber nicht, dass ich selbst nicht bestände; vielmehr ergab sich selbst aus meinen Zweifeln an den anderen Dingen offenbar, dass ich selbst sein müsste; während, wenn ich aufgehört hätte zu denken, alles Andere, was ich sonst für wahr gehalten hatte, mir keinen Grund für die Annahme meines Daseins abgab. Hieraus erkannte ich, dass ich eine Substanz war, deren ganze Natur oder Wesen nur im Denken besteht, und die zu ihrem Bestand weder eines Ortes noch einer körperlichen Sache bedarf; in der Weise, dass dieses Ich, d.h. die Seele, durch die ich das bin, was ich bin, vom Körper ganz verschieden und selbst leichter als dieser zu erkennen ist; ja selbst wenn dieser nicht wäre, würde die Seele nicht aufhören, das zu sein, was sie ist. Das Leib-Seele-Problem Das Leib-Seele-Problem wird auch als Körper-Geist-Problem bezeichnet, da das Wort Seele schon religiös angehaucht ist. Da weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass der Geist (wenn es ihn gibt, und er irgendwie in Kontakt mit dem Körper steht) nicht mit dem ganzen Körper in Kontakt steht, sondern nur mit dem Gehirn, spricht man auch vom Gehirn-Geist-Problem. Da es sehr verschiedene Meinungen darüber gibt, was man sich unter dem Wort Geist vorzustellen hat (manche sogar bezweifeln, dass es ihn gibt) ist es wohl sinnvoll vom Gehirn-BewusstseinsProblem zu sprechen. Das Leib-Seele-Problem Jedoch läuft man bei dieser Formulierung Gefahr, den Geist auf das Bewusstsein zu beschränken, obwohl er vielleicht vielmehr ist als nur Bewusstsein. John Eccles spricht vom Selbst. Selbst = erfahrene Einheit, die sich aus einer Verbindung von Erinnerungen an bewusste Zustände herleitet, die zu sehr unterschiedlichen Zeiten über das ganze Leben verteilt erfahren werden "Ich habe sehr viele Leichen seziert, aber eine Seele habe ich nicht gefunden." (Rudolph Virchow) Geist-Gehirn-Theorien (Auswahl) Geist-Gehirn-Substanzdualismus: K + S • Interaktionistischer Substanzdualismus: KK KS SK SS • Parallelistischer Substanzdualismus: KK SS • Epiphänomenalistischer Substanzdualismus: KK KS Geist-Gehirn-Theorien (Auswahl) Materialistischer Monismus: K • Eliminativer Materialismus: es gibt keine geistigen Zustände • Reduktiver Materialismus: geistige Zustände lassen sich auf körperliche Zustände reduzieren Geist-Gehirn-Theorien (Auswahl) Idealistischer Monismus: G • Eliminativer Idealismus: es gibt keine körperlichen Zustände • Reduktiver Idealismus: körperliche Zustände lassen sich auf geistige Zustände reduzieren Geist-Gehirn-Theorien (Auswahl) Panpsychismus = Geist-Materie-Monismus • Das Geistige ist kein bloß subjektives Phänomen. • Geistiges lässt sich nicht auf Physisches reduzieren, Physisches nicht auf Geistiges. • Geistiges und Physisches sind immer eine einzige Substanz („Geistmaterie“). • Eine geistmaterielle Substanz hat körperliche und geistige Eigenschaften. • Eine geistmaterielle Substanz einer gewissen Komplexität ist ein Subjekt. Geist-Gehirn-Theorien (Auswahl) Substanzmonistischer Eigenschaftsdualismus • Materialistischer Eigenschaftsdualismus: Geistige Zustände lassen sich nicht auf physische Zustände reduzieren. Geistige Zustände sind nicht mit physischen Zuständen identisch. Geistige Zustände haben keinen substanziellen geistigen Träger. Geistiges und Physisches sind Eigenschaften materieller Substanzen. Geistige Eigenschaften emergieren aus komplexen materiellen Substanzen. Es gibt psychophysische Gesetze. • Idealistischer Eigenschaftsdualismus Kritik an materialistischen Theorien Materialistische Theorien können (noch) nicht erklären, wie sich aus toter Materie Bewusstsein entwickelt. Materialistische Theorien, die die Interaktion zwischen Geist und Gehirn leugnen, können nicht erklären, worin der Überlebensvorteil liegt, wenn Geistiges nicht auf Körperliches einwirkt. (Evolutionäres Argument) Die Beweislast liegt wahrscheinlich bei der Theorie, die den Interaktionismus (oder mentale Zustände überhaupt) bestreitet, da der Mensch durch alltägliche Erfahrung / Alltagsverständnis glaubt, dass er einen Geist hat. Kritik am interaktionistischen Dualismus Kann nicht erklären, wie (und wo) diese Interaktion zwischen Geist und Körper stattfinden soll. Wenn mentale Zustände physische Zustände beeinflussen könnten, dann widerspräche dies dem Energieerhaltungssatz. Diese Einwände will Eccles beseitigen! 3-Welten-Theorie Alles Seiende Welt 1: Welt 2: Welt 3: Physikalische Objekte und Zustände Zustände des Bewusstseins Wissen im Objektiven Sinn „Man kann 1984 erschien dendas Geist Buch im „Das anerkannten Wunder Sinn der Existenz“ des Wortes von als dem ein Feld Physiker Henry betrachten, aberMargenau. er ist ein nicht-materielles Feld. Vielleicht kommt ihm ein Wahrscheinlichkeitsfeld noch am nächsten [...] es muss „Sehr komplexe physikalische Grundbausteine auch keine Energie enthalten, Systeme um für all[...] die deren bekannten klein genug sind, um probabilistischen, quantenmechanischen Phänomene verantwortlich zu sein, in denen der Geist mit dem Gesetzen zu unterliegen, sindtritt.“ stets einer Vielzahl möglicher Gehirn in Wechselbeziehung physikalischer Veränderungen ausgesetzt, von denen jede eine eindeutige In Feldern quantenmechanischer Wahrscheinlichkeit aufweist. Größenordnung Findet eine istVeränderung es möglich, statt, die Energie oder mehr oder weniger Wahrscheinlichkeitsverschiebungen zu verursachen, Energie als ohne einedas andere erfordert, gleicht der komplexe Energieerhaltungsgesetz zu verletzen. Organismus die Differenz automatisch aus. Deshalb braucht der Geist selbst dann, wenn er etwas mit der Veränderung zu tun hat – d.h. selbst im Fall einer Wechselbeziehung zwischen Geist und Körper –, keine Energie beizutragen.“ Hypothese: Mentale Ereignisse ändern über ein quantenmechanisches Wahrscheinlichkeitsfeld die Wahrscheinlichkeit der Emission von Vesikeln aus präsynaptischen Vesikelgittern. Aufbau einer Nervenzelle Bouton = synaptisches Endknöpfchen am Ende einer Verzweigung eines Axons Synapse = Zusammenschluss eines Boutons mit einer nachfolgenden Zelle ein synaptischer Spalt trennt Bouton von nachfolgender Zelle Bouton (synapt. Endknöpfchen) 4 Ca2+-Ionen aktivieren enthält ca. 2000 Vesikel,mittels die Calmodulin jeweils 5000(= – Calcium10000 Moleküle bindendes Protein) ein Vesikel der Transmittersubstanz und können es veranlassen, enthalten einen Kanal durch die synaptische Membran zu öffnen 30 bis 50 Vesikel befinden sich im präsynaptischen Freisetzung der Vesikelgitter Transmittermoleküle Nervenimpuls Influx von Ca2+-Ionen P( Exozytose ) < 0,5 Exozytose kurzfristigen Mini-EPSP (EPSP = exzitatorisches postsynaptisches Potential = Änderung des Membranpotentials [= elektrische Spannung zw. Innen- u. Außenseite einer Biomembran]) Weiterleitung entlang dem Dendriten Summierung vieler Mini-EPSPs entstehendes EPSP am Ende der Dendriten ist groß genug (10 bis 20 mV), um zur Impulsentladung entlang des Axons der Pyramidenzelle zu führen Impuls führt zur effektiven Erregung an den vielen Synapsen der Pyramidenzelle IPSP (= Inhibitorische Postsynaptische Potential) EPSP > IPSP Abfeuern eines Signals inhibitorische Synapsen (von ihnen ausgehende Signale verstärken das IPSP eines Neurons) An tausenden von Dornsynapsen muss eine Wahrscheinlichkeitssteigerung erfolgen! Vesikelgitter geben jeweils ein synaptisches Vesikel zur Exozytose frei „Sperrfeuer“ auf das ihnen angeschlossene Neuron EPSP wird erhöht Weitergabe eines Impulses Verstärkung durch Dendron Bündelung der Dendriten der Pyramidenzellen zu Dendronen ermöglicht eine Verstärkung des Effekts Der Geist ist in der Lage, die Exozytosewahrscheinlichkeit in einem ganzen Dendron zu erhöhen. hat Zugriff auf zehntausende präsynaptischen Vesikelgitter Wirkung ist verstärkt Dendronen bündeln sich wiederum zu funktionalen Einheiten, den Modulen. Der Ausdruck Modul beschreibt die abstrakte Einheit. Interface = Liaison-Gehirn Liaison-Gehirn ist im Präfrontallappen zu verorten auf Seite des Gehirns postuliert Eccles hierzu Mikroareale • dies sind wahrscheinlich die präsynaptischen Vesikelgitter • Grundeinheit für die Interaktion ist in den Dendronen zu vermuten, da sie die kleinsten neurologischen Einheiten sind, der eine effiziente Wirkung nachgewiesen werden kann • Dendron-Psychon-Hypothese Dendron-Psychon-Hypothese Eccles Hypothese Hypothese: Geist ist aktiv mit dem Auslesen aus der Vielzahl aktiver Zentren in den Moduln der Liaison-Zentren befasst. Er selektiert aus diesen Zentren in Übereinstimmung mit seiner Aufmerksamkeit und seinen Interessen und integriert seine Wahl, um von Augenblick zu Augenblick die Einheit bewusster Erfahrung zu vermitteln. Er wirkt auch zurück auf die neuronalen Zentren. Eccles Hypothese Hypothese: • Alle mentalen Ereignisse und Erfahrungen sind eine Zusammensetzung elementarer oder eindeutiger mentaler Ereignisse Psychonen • Jedes dieser Psychone ist auf eindeutige Weise reziprok mit seinem Dendron verbunden. Die Psychonen stellen keine Wahrnehmungswege zu den Erfahrungen von Welt 2 dar, sondern sie sind selbst die Erfahrungen in ihrer ganzen Vielfalt und Eindeutigkeit. • Die Psychonen können auf die ihnen zugeordneten Dendronen einwirken, indem sie in jedem der Vesikelgitter der synaptischen Boutons die quantale Wahrscheinlichkeit der Exozytose verändern. Intentionsgesteuerte Zunahme von P Lösung des Leib-Seele-Problems? 1992 Lösung: Eine mentale Absicht des Selbst wird neuronal wirksam, indem sie vorübergehend die Wahrscheinlichkeiten für Exozytosen in einem ganzen Dendron erhöht und auf diese Weise die große Zahl von Wahrscheinlichkeitsamplituden koppelt, um eine kohärente Wirkung zu erzielen. Es gibt nur noch keine Experimente, die beweisen, dass mentale Ereignisse die Wahrscheinlichkeit einer Exozytose erhöhen. Hauptproblem ist aber gelöst, da kein Widerspruch zu den Erhaltungssätzen der Physik vorliegt.