Ingo Rechenberg PowerPoint-Folien zur 1. Vorlesung „Bionik II / Biosensorik“ Grenzleistungen biologischer Rezeptoren Chemorezeptor, Photorezeptor, Mechanorezeptor Weiterverwendung nur unter Angabe der Quelle gestattet Themenfolge der Vorlesung 1. Grenzleistung elementarer biologischer Sensoren 2. Integrierte (exotische) Sensorsysteme in der Natur 3. Der Biosensor als bionisch/biotechnologisches Zwittersystem 4. Ungewöhnliche Biosensoren nach dem Vorbild der Natur 5. Signalwandlung und Signalverarbeitung in Biosensoren 6. Das Neuron als analog/digitale Rechenmaschine 7. Die Inhibition – Leistung einer elementaren Neuronenschaltung 8. Struktur und Arbeitsweise Neuronaler Netzwerke 9. Rechnen mit Molekülen (DNA-Chips und DNA-Computing) Leistung eines Chemorezeptors Molekülfänger eines Seidenspinnermännchens Wird im Experiment ein Schmetterlingsmännchen 1 s lang von einem Duftstrom mit 2000 Bombykolmolekülen/cm3 und einer Windgeschwindigkeit von 60 cm/s angeblasen, so löst dies einen Suchflug windaufwärts aus. Im Freien tastet das Männchen chemisch die Geruchsfahne ab, kehrt immer wieder in den Luftstrom höchster Duftmoleküldichte zurück und findet so das Weibchen. Durch diese Chemotaxis kann ein Männchen auf 1 km Entfernung ein Weibchen z. B. in 12 min finden. Bis zu 10 km weite Suchflüge sind möglich. Geruchsfahne 12 min 1 km Käfig mit Sexuallockstoff Bombykol Seidenspinnerweibchen Der Nobelpreisträger Adolf Butenandt benötigte 17 Jahre und 750 000 Seidenspinnerweibchen um 1959 die chemische Struktur von Bombykol aufzuklären. H H C C CH 3 CH 2 CH 2 H C C H CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 OH Synthetische Herstellung mit Markierung durch Tritium möglich (Tritium = radioaktiver Wasserstoff mit 2 Neutronen im Kern) Tritium markiertes Bombykol Schwirr-Reaktion Zahl der absorbierten Moleküle über den radioaktiven Zerfall Kontrollexperiment zur Bestimmung der Riechschwelle Liquor Dendriten Pore V Mikroelektrode Anstechen mit einer Mikroelektrode Sinneszellen Riechsensillen Silberdraht Aufbau einer Mikroelektrode Glasröhrchen AgCl-Überzug Konzentrierte KCL-Lösung Öffnungs- Ø 1 bis 0,1µm Als Elektroden verwendet man Glaskapillar-Mikroelektroden. Dies sind hauchdünn ausgezogene Glaskapillaren, in die ein Silberdraht hineinführt, der im Innern der Kapillare mit einer Schicht von Silberchlorid überzogen ist. Der Innenraum der Glaskapillare ist mit einer konz. KCl-Lösung gefüllt (sog. Elektrolytsäule). Sobald die feine Kapillarspitze durch die Membran eingedrungen ist, steht das Cytoplasma der Zelle über jene dünne Elektrolytsäule mit dem Silberdraht in Verbindung. Das Membranpotential wird also immer als intrazelluläres Potential relativ zum extrazellulären Potential angegeben. Das extrazelluläre Potential ist willkürlich als Null definiert. Bestimmung der während eines gegebenen Zeitintervalls absorbierten, Tritium markierten Duftmoleküle (z. B. 300). Liquor Dendriten Pore Anstechen einer Duftsinneszelle mit einer Mikroelektrode. V Die Häufigkeit einer beobachteten Potenzialänderung stimmt mit der berechneten Wahrscheinlichkeit (z.B. 1/100 bei 30000 Rezeptoren) für einen Einmolekültreffer überein. Mikroelektrode Sinneszellen Riechsensillen Einmoleküldetektion ! Der Aal und seine Nase Duftstoff Aalversteck Gummiröhre Wahlapparatur für die Röhrendressur eines Aals (Harald Teichmann, 1956) Harald Teichmann: Über die Leistung des Geruchssinnes beim Aal. Z. vergl. Physiol. 42 (1959), S.206-254. Andressur des Aals mit fortschreitender Verdünnung des Duftstoffes b-Phenylethylalkohol Die Schlussphase des Verhaltensexperiments ─ Erreichen der Riechschwelle des Aals Inhalt der Nase des 12,4 cm langen Versuchsaals: 0,30 mm3 Rechnerisch befindet sich im Aalnasenvolumen nur 0,53 „Molekül“ Einmoleküldetektion Formel zur Berechnung der Molekülzahl MZ pro cm3 MZ = Substanzmenge [g] × Avogadrozahl Molmasse [g] × Volumen [cm3] Avogadrozahl = 6,022 · 1023 b-Phenylethylalkohol 0,1 g Grenzempfindlichkeit der Aalnase 1/5 Tropfen Überlingen Meerburg Konstanz 50 Bo Mi de l li a Friedrichshafen nse rd e n m 3 e Lindau C8H10O Bregenz Rauschgift-Spürhund Lawinenhund Brandmittel-Spürhund Sprengstoff-Spürhund Biosensor Hundenase Ehemalige Cargolifter-Halle: Länge: 360 m Breite: 210 m Höhe: 107 m Volumen: 5,5 Millionen m3 Jetzt „Tropical Island“ 1,6 Millionstel Gramm Buttersäure in der Halle kann ein Hund noch riechen ! 2000 Moleküle/cm3 225 Mio. 147 Mio. 126 Mio. 6 Mio. Schäferhund Foxterrier Dackel Mensch Anzahl der Riechsinneszellen Leistung eines Photorezeptors Minimale Reizenergie ≈ 2·10 -17 J n ≈ 60 Photonen/s 100 W =100 J/s A n0 600 km r =? 4 n Pupille: A = 0,5 cm2 3·10 20 Photonen/s Annahme: Nur 2% der von der Glühlampe ausgesendeten Photonen liegen im maximalen Empfindlichkeitsbereich des Auges (um 550 nm). n0= 6·1018 Photonen/s Bei sehr klaren Wetterbedingungen wird die Intensität eines Lichtstrahls pro 100 km auf etwa 1/3 seiner Ausgangsstärke abgeschwächt. Energie eines Photons: Plancksches Wirkungsquantum Lichtgeschwindigkeit 6,62 10 34 [ Js] 3 108 [m/ s] h c E= = = 3,6 10 19 J 9 550 10 [m] Lichtwellenlänge n ≈ 60 Photonen/s Ein Photorezeptor misst ein Lichtquant Von der „Schrotladung“ der 60 Photonen treffen nur 10 auf einen Rezeptor ! Photorezeptor des Pfeilschwanzkrebses reagiert ebenfalls auf ein Lichtquant Der Pfeilschwanzkrebs gilt als lebendes Fossil, da er sich seit 175 Millionen Jahren morphologisch kaum verändert hat Leistung eines Mechanorezeptors Das Vater-Pacini-Körperchen reagiert auf Eindellungen der Haut. Das bedeutet, dass es besonders auf Druck reagiert. Das Vater-Pacini-Körperchen liegt im Übergangsbereich von Lederhaut und Unterhaut. Das Meissner-Körperchen reagiert empfindlich auf Berührung. Es ist besonders zahlreich in den Fingerkuppen. Mit dem Meissner-Körperchen können wir die Oberfläche und die Ausdehnung von Gegenständen fühlen. Mechanorezeptoren Die Haarzelle reagiert auf mechanische Verschiebungen. Haarzelzellen gibt es im Seitenlinienorgan der Fische und mit Haarzellen sind wir in der Lage zu hören. Haarzellen sind die empfindlichsten Mechanorezeptoren. 0,3 nm 7,5 mm 5 μm An der Hörschwelle 150 m 0,1 nm Wasserstoffatom 0,1 V Empfindlichkeit einer Haarzelle Mensch: Vergleich Auge – Ohr Minimale Reizenergie ≈ 2 · 10 -17 J Minimale Reizenergie ≈ 5 · 10 -18 J Entspricht der Energie von 60 Photonen (550 nm) Chemorezeptor Photorezeptor Mechanorezeptor Thermorezeptor Hygrorezeptor Elektrorezeptor Magnetorezeptor Wie funktioniert ein biologischer Rezeptor ? Wie erklärt sich die unglaublich hohe Empfindlichkeit ? 0 - 70 mV Ruhepotential einer Nervenzelle Wie entsteht ein Ruhepotenzial ? Nerven- und Sinneszellenpotenziale entstehen durch Ionenströme, die durch veränderliche Poren der Zellmembran fließen. Um die Zahlenverhältnisse der beteiligten Ionen zu veranschaulichen, wird eine Volumenelement betrachtet. Die Zellmembran teilt dieses Volumen in zwei gleich große Hälften von 1 µm Breite, 1 µm Höhe und 0,001 µm Tiefe. 0 mV 100000 + 10000 Na+ 2200 Cl 107800 + K+ A 2000 K + 108000 Na+ 110000 Cl Im intrazellulären Testvolumen von 10 -12 mm3 befinden sich 100 000 + 6 Kaliumionen, 10 000 Natriumionen, 2 200 Chloridionen und 107 800 + 6 negativ geladene Aminosäuremoleküle. Das gleich große extrazelluläre Testvolumen enthält 2 000 Kaliumionen, 108 000 Natriumionen und 110 000 Chloridionen. Wir messen die Spannungsdifferenz 0 V. -90 mV Zum Anfangszustand Die Zellmemran besitzt Poren, durch die die Kaliumionen hindurchgelassen werden. Wegen der Konzentrationsdifferenz beginnen Kaliumionen nach außen zu diffundieren. Es baut sich eine elektrische Gegenkraft auf. Bei 6 aus dem Testvolumen herausdiffundierten Kaliumionen ist diese Gegenkraft im Gleichgewicht mit der Diffusionskraft. Wir messen eine Spannung von -90 mV. -70 mV Zum Anfangszustand Die Zellmembran besitzt einige Poren, durch die auch die größeren Natriumionen hindurchtreten können. Wegen der höheren extrazellulären Natriumkonzentration diffundieren langsam Natriumionen in das Zellinnere. Andererseits fördert eine vom Stoffwechsel betrieben Natriumpumpe Natriumionen nach außen. Es stellt sich eine neue Gleichgewichtsspannung von -70 mV ein. Wie entsteht ein Rezeptorpotenzial ? Zum Anfangszustand mV Reiz Ein Reiz verändert die Durchlässigkeit der Zellmembran, hier die Durchlässigkeit für Natriumionen. Extrazelluläre Natriumionen diffundieren schlagartig in das Zellinnere. Die Spannung steigt an. Ein mechanischer Reiz könnte die Membranporen durch Deformation öffnen, ein chemischer Reiz durch Anbindung der Signalmoleküle an Membranschlösser diese aufschließen. Zum Anfangszustand +30 mV Der Na-Einstrom käme erst bei einer Spannungsdifferenz von + 60 mV zum Stillstand (10 in das Testvolumen eindiffundierte Natriumionen). Aber durch Abnahme der elektrischen Gegenkraft, die zuvor das Ausströmen weiterer Kaliumionen verhinderte, diffundieren nun weitere Kaliumionen zellauswärts. Der Natrium-Ioneneinstrom kann nur eine Spannung von + 30 mV aufbauen. Zum Anfangszustand -70 mV Rezeptorzellen adaptieren, wenn der Reiz länger anhält. Der Natriumioneneinstrom wird gesperrt, und der intrazelluläre Überschuss an Kaliumionen stellt das Ruhepotential von -70 mV wieder her. Die in die Zelle eindiffundierten Natriumionen und die aus der Zelle gelangten Kaliumionen werden durch eine stoffwechselgetriebene gekoppelte Natrium-Kalium-Pumpe wieder zurücktransportiert. Wie funktioniert eine Riechsinneszelle Membran Signalmolekül Rezeptor V Ionen Ein etwas zu simples mechanisches Modell eines Riechrezeptors Phenomenologisches Modell der Geruchserkennung Wir empfinden vielleicht kugelförmige Moleküle als kampferartig, scheibenförmige Moleküle als moschusartig, keilförmige Moleküle als pfefferminzartig, stabförmige Moleküle als ätherartig, u.s.w. Vom Duft zum elektrischen Signal Winzige Spuren eines Duftstoffs genügen, schon nehmen wir die Witterung auf. Wie schafft es das Gehirn, wenige Moleküle wahrzunehmen? Um diesen Vorgang zu verstehen, muss man ins Innere der Zelle vordringen. Das Geruchssignal wird hier kaskadenförmig verstärkt. Das geschieht in mehreren Schritten: Zunächst dockt der Geruchsstoff an der Riechzelle an. Sein Anker ist ein Rezeptor, ein längliches Eiweißmolekül, das sich durch die Zellhaut (Membran) hindurchschlängelt. Das Geruchsmolekül aktiviert den Rezeptor, die Kaskade beginnt. Der Rezeptor spaltet ein G-Protein im Inneren der Zelle (Schritt zwei). G-Proteine sind Eiweißmoleküle, die als „reitende Boten“ in der Zelle eine zentrale Rolle spielen. Das G-Protein kurbelt (Schritt drei) ein Enzym namens AC an, das seinerseits massenhaft BotenMoleküle namens cAMP produziert (Schritt vier). Dann dockt cAMP an Ionenkanälen in der Zellhaut an (Schritt fünf). Das cAMP fungiert wie ein Schleusenwärter, der die Kanäle öffnet. Das führt dazu, dass elektrisch geladene Teilchen (Ionen) in die Zelle einströmen. Das elektrische Potenzial der Zellmembran ändert sich schlagartig. Aus dem chemischen ist auf diese Weise ein elektrisches Signal entstanden – die im Gehirn „gängige Währung“ der Informationsübertragung. Genaueres Modell des Riechens mit molekularer Verstärkung Duftstoff Rezeptor AC cAMP cAMP cAMP cAMP ATP cAMP cAMP b G-Protein ATP ATP cAMP AC = Adenylcyclase cAMP = cyclo-Adenosinmonophosphat 10 000 Katalysator 100 Signalmolekül Katalysator 1 Katalysator Rezeptor Einmolekülmessung durch eine Katalysatorkaskade Wie funktioniert eine Lichtsinneszelle Licht überführt den Sehfarbstoff Rhodopsin in seine enzymatisch aktive Form (R*). Ein aktiviertes R* aktiviert 3000 Transducin-Proteine (T*). Diese Form des Transducins aktiviert das Enzym Phosphodiesterase (PDE*). Ein Molekül der PDE* wiederum ist in der Lage, 2000 cyclo-GuanosinmonophosphatMoleküle (cGMP) zu inaktivieren. In zwei Stufen erreicht die Kaskade also einen Verstärkungsgrad von 6 Millionen. R* aktiviertes Rhodopsin -70 mV R -70 mV -30 R* Transduktionskaskade 1 Photon schließt 10 6 bis 10 7 Natriumkanäle -30 mV R* -70 mV Photomultiplier Dynoden Verstärkung durch Lawineneffekt Anode Biochemische Verstärkungskaskade Wie funktioniert ein Haarzellensensor - 50 mV - 40 mV - 30 mV - 40 mV - 50 mV - 60 mV - 70 mV - 60 mV - 40 mV Ende 0 mV 100 000 + 10 000 Na+ 2 200 Cl 107 800 + K+ A 2 000 K + 108 000 Na+ 110 000 Cl 0 mV 100 000 + 10 000 Na+ 2 200 Cl 107 800 + K+ A 2 000 K + 108 000 Na+ 110 000 Cl 0 mV 100 000 + 10 000 Na+ 2 200 Cl 107 800 + K+ A 2 000 K + 108 000 Na+ 110 000 Cl 0 mV 100 000 + 10 000 Na+ 2 200 Cl 107 800 + K+ A 2 000 K + 108 000 Na+ 110 000 Cl 0 mV 100 000 + 10 000 Na+ 2 200 Cl 107 800 + K+ A 2 000 K + 108 000 Na+ 110 000 Cl