Weichhart - Universität Wien

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Methodische und konzeptionelle Probleme
der Gesellschaft-Umwelt-Forschung
DFG-Rundgespräch
Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), Leipzig
in Kooperation mit dem
Institut für Geographie und Regionalforschung (IGR)
der Universität Wien
Problemstellung und Zielsetzung
Peter Weichhart, Wien
Leipzig, 17. – 18. 2. 2006
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Problemstellung und Zielsetzung
Ausgangspunkt:
Wie kann die Geographie eine „post-klassische“
Konzeption einer Gesellschaft-Umwelt-Forschung
entwickeln?
Anders formuliert:
Wie kann sich die Geographie in die aktuelle
sozialwissenschaftliche Gesellschaft-UmweltForschung einbringen?
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Grundidee des Leipziger
Rundgesprächs
Fragen wir doch prominente Vertreter der Umweltsoziologie und verwandter Ansätze, wie sie die
Probleme angehen und versuchen wir, von ihnen
zu lernen.
Um einen nachhaltigen Diskurs innerhalb der Geographie in Gang zu setzen, laden wir „einschlägig
vorbestrafte“ jüngere GeographInnen ein, die bereits innovative Leistungen zu dieser Thematik vorgelegt haben.
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Ausgangsthesen
Die gegenwärtige Geographie ist als ein „MultiParadigmen-Spiel“ anzusehen.
Von allen gegenwärtig aktuellen Ansätzen bietet
das Paradigma der handlungstheoretischen Sozialgeographie die mit Abstand besten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Entwicklung einer geographischen Gesellschaft-UmweltForschung.
Einige andere Ansätze lassen sich (problemlos?)
in das handlungstheoretische Paradigma integrieren – aber nicht umgekehrt.
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Drei Problemfelder
• Möglichkeiten einer Verschränkung naturalistischer und konstruktivistischer Zugänge zur
sozialen Welt?
• nichtdeterministische Kausalwirkungen von Gegebenheiten der materiellen Welt auf menschliche
Akteure und gesellschaftliche Strukturen?
• „Variabilität und Ordnung im Alltagsgeschehen“:
Akteure, Agenten und Aktanten als „Quellen von
Kontingenz“; Settings, Kolonisierung und Metabolismus als Medien der Minderung von Kontingenzpotentialen?
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Naturalismus versus Konstruktivismus?
Die Handlungstheorie bietet die Möglichkeit, naturalistisch-materialistische (intendierte und nichtintendierte Handlungsfolgen) und kulturalistischkonstruktivistische (Genese und diskursive Begründung von Intentionalität) Deutungen der Welt
im Kontext eines kohärenten Denkmodells
zu verbinden.
„Geographie machen“ (B. WERLEN)
Problemfeld 1
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Sehen als …
Der „H-E-Kopf“
„Wir können … (eine
Illustration) … einmal als
das eine, einmal als das
andere Ding sehen. – Wir
deuten sie also, und sehen
sie, wie wir sie deuten“
(L. WITTGENSTEIN, 1984,
Philosophische Untersuchungen. Werkausgabe
Bd. 1, S. 519).
… oder:
(Quelle: Joseph JASTROW, 1900, Fact and Fable in Psychology. – Boston.
Problemfeld 1
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Der „Aspektbezug“ der Kognition
Wir können die
Graphik entweder
als Hasen- oder
als Entenkopf sehen, niemals aber
gleichzeitig als
beides!
Der H-E-Kopf lässt sich als Metapher für ein Grundproblem der Gesellschaft-Umwelt-Forschung ansehen:
Problemfeld 1
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Das Verhältnis von Sinn und Materie
Wissenschaftliche Zugänge zur Darstellung und Erklärung
der Realität weisen ebenfalls einen derartigen Aspektbezug
auf. Wir sehen die Welt entweder als rekursive kommunikative (Sinn-)Struktur oder als physisch-materielle Struktur.
Naturalistisch-materialistische
versus
kulturalistisch-konstruktivistische
Deutung der (sozialen) Welt
Problemfeld 1
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Das eigentliche Problem:
In Wahrheit besteht die (soziale) Welt aber gleichzeitig immer aus beidem: Materie und Sinn(zuschreibung) – so wie der H-E-Kopf in Wahrheit
gleichzeitig und gleichermaßen immer beides ist:
die graphische Abstraktion der Form eines Hasenund eines Entenkopfes. Das Problem liegt in der
Struktur unseres Erkenntnisapparates, nicht in
der „Realität“.
Ermöglicht die Handlungstheorie
eine „Kopenhagener Deutung“?
Problemfeld 1
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Wer (oder was) besitzt Agency?
Die handlungstheoretische Sozialgeographie ist in
starkem Maße subjektzentriert.
Menschliche Akteure qua Subjekte werden
als die eigentlichen motorischen Elemente
von Handlungssystemen angesehen. Nur
Subjekte besitzen Handlungsfähigkeit.
Unbestritten bleibt dabei, dass Subjekte nicht omnipotent sind,
in starkem Maße vom umgebenden Sozialsystem beeinflusst
werden (Sozialisation, Kultursystem, …), suboptimal informiert
sind, nach den Kalkülen einer subjektiven Rationalität agieren
(„Attributizer“) und in Organisationen etc. eingebunden sind.
Problemfeld 2
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Warum sind die Subjekte
unverzichtbar?
„Subjektivität“ kennzeichnet die Sprach-,
Handlungs- und Selbstbestimmungsfähigkeit
von ego. Das Subjekt ist damit als „Quelle
von Kontingenz“ anzusehen.
Subjekte sind eine entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit, Phänomene wie
„Gewissen“, „Verantwortung“ und „NichtDeterminiertheit“ („freier Wille“) des
Menschen zu postulieren.
Problemfeld 2
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Wie gehen wir mit der Möglichkeit
nicht-menschlicher Wirkfaktoren um?
In Mensch-Umwelt-Systemen lassen sich aber auch nichtmenschliche Wirkfaktoren vermuten, die einen Einfluss auf
das System ausüben und damit Rückwirkungen auf Akteure
und soziale Strukturen aufweisen.
Können auch Elemente der physisch-materiellen
Welt etwas Ähnliches wie Agency aufweisen?
Kann also die physisch-materielle Welt ursächlich
auf die soziale Welt und die Subjekte einwirken?
Affordanz (J. J. GIBSON, 1979), Action Settings
Problemfeld 2
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Methodisch-konzeptionelle
Probleme I
Wie lassen sich solche Wirkfaktoren konzeptionell
fassen und in die Handlungstheorie „einbauen“?
Wie löst man das Determinismus-Problem? Wie verhindert man den Rückfall in einen kurzschlüssigen
Naturalismus? Wie lässt sich dabei die grundsätzliche Kontingenz der sozialen Welt behandeln? Wie
kann man demgegenüber die Konstitutionsleistung
der Subjekte und Diskurse einordnen?
Problemfeld 2
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Methodisch-konzeptionelle
Probleme II
Wie lässt sich das Zusammenspiel der symbolisch
vermittelten Formen der gesellschaftlicher Interaktion mit der physisch-materiellen Welt und den
funktionalen Beziehungen (Metabolismus, strukturelle Interaktionen) darstellen?
Welches Verständnis von Gesellschaft ist erforderlich, um Fragen der Rückwirkungen der physischmateriellen Welt auf Subjekte und gesellschaftliche
Strukturen behandeln zu können?
Problemfeld 2
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Kontingenz versus „Ordnung im
Alltagsgeschehen“
Im alltagsweltlichen Handeln existieren unzählige
Situationen und Zusammenhänge, die eine Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Kontingenz bewirken, obwohl die grundsätzliche
Möglichkeit von Kontingenz immer offen bleibt.
„Plastische“ versus „gusseiserne“ Steuerung
(K. POPPER, 1973, S. 287)
Problemfeld 3
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Kontingenz versus „Ordnung im
Alltagsgeschehen“
Was sind die möglichen „Quellen von Kontingenz“
bei Gesellschaft-Umwelt-Systemen?
Wie verhindern gesellschaftliche Systeme die Gefahr einer chaotischen Ausbreitung von Kontingenz?
Wie wird die empirisch vorfindbare Ordnung im Alltagsgeschehen hergestellt?
Welchen Beitrag leisten nicht-menschliche Wirkfaktoren für die Produktion dieser Ordnung?
Problemfeld 3
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Drei Themenblöcke
• Agenten und Aktanten versus Akteure – wie
lassen sich nicht-menschliche Wirkfaktoren in
die Handlungstheorie einbauen?
• Gesellschaftsmodelle der Mensch-UmweltForschung
• Kontingenz versus „Ordnung im Alltagsgeschehen
P236DFGLProb/18
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