Schemata und Kategorien Vorlesung Winter, 2011/12 Thomas Kessler Überblick • • • • Was sind Schemata? Funktionen von Schemata Kategorien Determinanten des Kategoriengebrauchs Leitfragen • Welche Funktionen erfüllen Schemata? • Welche Effekte haben soziale Kategorien? Dimensionen der Infoverarbeitung Person Motivationale Prinzipien Erfolg Eingebundenheit Wert des “Selbst” Konstruktion der sozialen Realität Sozialer Einfluss Verarbeitungsprinzipien Konservativ Verfügbarkeit tief vs. oberflächlich Soziale Welt Dimensionen der Infoverarbeitung • Top down & bottom up Verarbeitung • Top down: – Weitgehend konzeptgesteuerte Wahrnehmung, – Externe Reize werden vor dem Hintergrund gespeicherten Wissens interpretiert • Bottom up: – Weitgehend reizgesteuerte Wahrnehmung Dimensionen der Infoverarbeitung • Verarbeitungstiefe: Kapazität und Motivation • Kapazität: Je mehr die aktuelle Verarbeitung belastet ist, desto weniger tief, kann verarbeitet werden • Motivation: Einige Themen motivieren zu tieferer Informationsverarbeitung (z.B. das Selbst) Was sind Schemata? • … „sind mentale Strukturen, die Menschen benutzen, um ihr Wissen in Themenbereichen oder Kategorien bezüglich der sozialen Welt zu organisieren“ (Anderson et al., S. 62). • … beeinflussen (a) die Wahrnehmung, (b) das Denken und (c) das Gedächtnis. • … gibt es für (a) Personen, (b) Gruppen, (c) Rollen, (d) das Selbst und (e) Situationen. Was sind Schemata? • Schemata: “mental frameworks containing information relevant to specific situations or events, which, once established, help us interpret these situations and what´s happening in them“ (Baron & Byrne, 1977, p. 77) • „cognitive structures that represent knowledge about a concept or type of stimulus, including its attributes and the relations among these attributes“ (Hogg & Vaughan, 1998, p. 50). Was sind Schemata? • Stereotype: A cognitive representation or impression of a social group that people from by associating particular characteristics and emotions with the group (Smith & Mackie, 2000) • Vorurteile: Eine positive oder negative Bewertung einer sozialen Gruppe und ihrer Mitglieder. Beispielstudie • Beschreibung eines Gastdozenten als – sehr warme Persönlichkeit, fleißig, kritisch, pragmatisch und resolut oder als – eher kühle Persönlichkeit, fleißig, kritisch, pragmatisch und resolut • 20 Minuten Diskussion mit dem Dozenten • Effekte der Beschreibung auf Beteiligung an der Diskussion und Personenwahrnehmung (Schachter, 1950) Police Officers‘ Dilemma Payne et al. (2001) Fixationskreuz Prime Target + Maske Entscheidung: Waffe vs. Werkzeug Befunde: Waffen werden schneller nach schwarzen als nach weißen Gesichtern identifiziert und Werkzeuge werden nach schwarzen Gesichtern häufiger falsch als Waffen interpretiert als nach weißen Gesichtern. Falsch erinnerte Details in Abhängigkeit vom Geschichtenende Carli (1999) 8 7 6 konsistent mit Heiratsantrag konsistent mit Vergewaltigung 5 4 3 Heiratsantrag Vergewaltigung Funktion von Schemata • Organisation der Informationsverarbeitung • Deutung von mehrdeutigen Reizen • Steuerung der Aufmerksamkeit und Erinnerung Entstehung von Schemata (Stereotypen) • Wie entstehen negative Stereotype über Minderheiten? • Verteilung der Information Gruppe positives Verhalten negatives Verhalten A 18 8 • Wahrgenommene Verteilung des Verhaltens Gruppe A positives Verhalten 17.5 negatives Verhalten 5.8 B 9 4 B 9.5 6.2 Stabilität von Schemata • Schemata werden nur aktiviert, wenn sie in der gegenwärtigen Situation passen. • Mehrdeutige Reize werden im Sinne einer Schemakonsistenz interpretiert. Drei Prozesse der SchemaVeränderung nach Rothbart (1981) • Bookkeeping: graduelle Veränderung durch inkonsistente Information • Conversion: Schlagartige Veränderung durch inkonsistente Information • Subtyping: Formierung von Subkategorien, denen inkonsistente Information zugeordnet wird. Kategorisierung • Kategorisierung: Gruppierung von zwei oder mehreren unterscheidbaren Objekten, die ähnlich behandelt werden. Klassen von in der Welt vorhandenen Objekten. • Natürliche Arten vs. Artefakte (Induktives Potential). Kategorisierung • Eine (soziale) Kategorie „ist die Gruppierung zweier oder mehrerer unterscheidbarer (sozialer) Objekte, die als gleich behandelt werden“ (Leyens & Dardenne, 1996, S. 113). • Ein Prototyp „ist ein mentales Modell von den typischen Eigenschaften der Mitglieder einer Gruppe bzw. den Exemplaren einer Kategorie“ (Baron & Byrne, 1997, p. 77). • Er beschreibt das wirklich typische Mitglied einer Kategorie, das dementsprechend die Kategorie am besten repräsentiert. Wozu Kategorisierung? • Kategorien als Hilfsmittel zur Reduktion von Komplexität und zur Gewinnung von Bedeutung. • Vereinfachung und Ordnung • Herstellen einer Beziehung zwischen einem diskontinuierlichen Merkmal (z.B. Nationalität) und einem kontinuierlichen Merkmal, z.B. einer Urteilsdimension (Körpergröße, Intelligenz) • Kategorisierung und Differenzierung sowie potential zu sozialer Diskriminierung Wozu Kategorisierung? • „Categorization is a means of simplifying the environment, of reducing the load of memory, and of helping us to store and retrieve information efficiently.“ (Markman, 1989) • Without concepts, mental life would be chaotic. If we perceived each entity as unique, we would be overwhelmed by the sheer diversity of what we experience and unable to remember more than a minute fraction of what we encounter“ Smith & Medin, 1981) Brauchbare Kategorien • Was kann man alles falsch machen? "Auf ihren weit zurückliegenden Blättern steht geschrieben, dass Tiere sich wie folgt gruppieren a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppe gehörige, i) die sich wie tolle gebärden, k) die mit einem feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen.„ (Enzyklopädie des himmlischen Wissens, L. Borges) Brauchbare Kategorien • Eindeutige Sortierung von Objekten • Bruner (1957): „Categories are nouns to cut slices through our environment“ Brauchbare Kategorien • Hierarchische Struktur MORE INCLUSIVE European Italian British English Scottish Welsh Sicillian LESS INCLUSIVE Neapolitan Effekte der Kategorisierung • Intraklassen Assimilierung: Unterschätzung der Unterschiede innerhalb der Kategorien. • Zwischenklassen Differenzierung: Überschätzung der Unterschiede zwischen den Kategorien • Untersuchung von Tajfel & Wilkes 1963 Effekte der Kategorisierung • Tajfel & Wilkes 1963 • Einschätzung der Länge von Linien Effekte der Kategorisierung • 3 Bedingungen Kategorisiert A A A A B B Geordnet B B Gemischt Effekte der Kategorisierung Effekte der Kategorisierung • Aber: • Kontrast und Assimilation funktionieren nur, wenn die Maßeinheit unvertraut ist (Corneille et al., 2002) Effekte der Kategorisierung • Differenzierung und soziale Diskriminierung • Vorurteile (subtile Version) • Overexklusion (Aufrechterhaltung der eigenen Werte) Determinanten des Kategoriegebrauchs • Passung der Kategorien – Strukturelle Passung (comparative fit) – Inhaltliche Passung (normative fit) • Accessibility – Verfügbarkeit und – Aktivierbarkeit von Kategorien Determinanten des Kategoriegebrauchs Ind./Gruppe Ziele Accessibility Overexclusion IG/OG Vorurteile/ Priming Chronische & Situative Acc. Kategoriewahl Fit Ähnlichkeit/ Nähe/Schicksal Distinktheit Min/Maj. Entitativität Zusammenfassung • Schemata organisieren Wissen, lenken die Aufmerksamkeit und geben uneindeutigen Reizen Bedeutung • Soziale Kategorien gruppieren Dinge als zusammengehörig und verschieden von anderen Dingen. Literatur • Jonas, K., Stroebe, W., & Hewstone, M. (2007). Sozialpsychologie. Eine Einführung (5.Auflage). Springer. • Smith, E. R. & Mackie, D. M. (2008). Social psychology (3rd editon). Psychology Press. • Carli, L. L. (1999). Cognitive Reconstruction, Hindsight, and Reactions to Victims and Perpetrators. Personality and Social Psychology Bulletin, 25, 966-979. • Payne, B. K. (2001). Prejudice and perception: The role of automatic and controlled processes in misperceiving a weapon. Journal of Personality and Social Psychology, 81, 181192.