Jeff Koons (* 1955): St. John the Baptist (1988) Porzellan, 153,5 x 76,2 x 62,2 cm Jeff Koons (* 1955): Pink Panther (1988) Porzellan, 104,1 x 52,1 x 48,3 cm Sarah Kirsch (* 1935): Erdreich (1982) Erdreich Nachrichten aus dem Leben der Raupen Der Kuckuck stottert und die gebackenen Beete Zerreißen sich wenn ich Gießkannen schleppe Die mir überantworteten Gewächse verlausten Gemüse Hilflos betrachte, als ich vor Jahren In meines Vaters Garten ging Gab es die siebfachen Plagen Höllisches Ungeziefer nicht und der Boden Tat noch das Seine, der hier Ist ein Aussteiger niederträchtig und faul Ihn muß man bitten den Dung Vorn und Hinten einblasen sonst bringt er Nicht maln Pfifferling vor was müssen die Menschen Das Erdreich beleidigt haben mir erscheint Siebenundzwanzig Rosenstöcke zu retten Ein versprengter Engel den gelben Kanister Über die stockfleckigen Flügel geschnallt Der himmlische Daumen im Gummihandschuh Senkt das Ventil und es riecht Für Stunden nach bitteren Mandeln. Paul Klee (1879-1940): Angelus Novus (1920) Walter Benjamin (1892-1940): Über den Begriff der Geschichte (1940) Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradies her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm. Walter Benjamin Über den Begriff der Geschichte (1940) Durs Grünbein (* 1962): Grauzone morgens (1988) Durs Grünbein: Was alles klar wird WAS ALLES KLAR WIRD an so einem Morgen. Du bist noch immer derselbe wie gestern oder jedenfalls scheint es so, ganz egal was du selbst von dir hältst. (‚Lieber erstickt als erfroren‘, sagen die Leute hier, aus Erfahrung.) In dieser Grauzonenlandschaft am Morgen ist vorerst alles ein toter Wirrwarr abgestandener Bilder, z.B. etwas Rasierschaum im Rinnstein, ein Halsband oder im Weitergehen ein Verbotsschild. Du fliegst nicht auf. Vor den letzten Ruinen haften Eltern für ihre Kinder (was hier so Brauch ist). Und schon bist du eingeschlossen geduldig im Leib des Tausendfüßlers, der seinen Gang geht. Entlang der Straßen tobt architektonischer Kalter Krieg, stalineske Fassaden, an denen noch immer kein Riß sichtbar wird (TRAUM oder TRAUMA) schattenlos wie der idiotische alte Zeppelin schwarz über ‚Europas Balkon‘. Dresden 1945 Der „Balkon Europas“: „Brühlsche Terrasse“, Dresden Zeppelin über Dresden (Aufnahme von 1928) Thomas Bernhard (1931-1989) Der Theatermacher (1985), Heldenplatz (1988) Österreich ist nichts als eine Bühne auf der alles verrottet und vermodert und verkommen ist eine in sich selber verhaßte Statisterie von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige (89) in diesem fürchterlichsten aller Staaten haben Sie ja nur die Wahl zwischen schwarzen und roten Schweinen ein unerträglicher Gestank breitet sich aus von der Hofburg und vom Ballhausplatz und vom Parlament über dieses ganze verluderte und verkommene Land (164) Patrick Süskind (* 1949): Das Parfüm (1985) Das Parfüm (2006), R: Tom Tykwer, D: Ben Whishaw, Karoline Herfurth Christoph Ransmayr (* 1954): Die letzte Welt (1988) Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. – ca. 17 n. Chr.) 8 n. Chr.: (historisch) Verbannung des Ovid 17 n. Chr.: (fiktives) Eintreffen des Cotta in Tomi Handlungsdauer: April 17 bis Jänner 18 Philomela: Schwalbe Procne: Nachtigall Tereus: Wiedehopf Ceyx und Alkyone ICH HABE EIN WERK VOLLENDET DAS DEM FEUER STANDHALTEN WIRD UND DEM EISEN SELBST DEM ZORN GOTTES UND DER ALLESVERNICHTENDEN ZEIT WANN IMMER ER WILL MAG NUN DER TOD DER NUR ÜBER MEINEN LEIB GEWALT HAT MEIN LEBEN BEENDEN ABER DURCH DIESES WERK WERDE ICH FORTDAUERN UND MICH HOCH ÜBER DIE STERNE EMPORSCHWINGEN UND MEIN NAME WIRD UNZERSTÖRBAR SEIN. Metamorphosen, Buch XV,871-879 (vivam = ich werde leben) Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur [1940] Nicolas Poussin: Narziss und Echo (2. Drittel des 17. Jhdts.; Ausschnitt) Das erste Menschengeschlecht Kannte kein Gesetz und keine Rache Ohne Soldaten zu brauchen Lebten die Völker sorglos Und in sanfter Ruhe dahin Metamorphosen, Buch I,89-93 Deukalyon und Phyrra Pieter Brueghel d. Ä. (?), Landschaft mit Sturz des Ikarus (um 1555-1568) Jasons „Drachensaat“ Episkop lupus est homo homini (Plautus, Asinaria, ~ Ende des 3. Jhdt.s v. Chr.) Lykaos • Intertextualität • Der abwesende Autor • Der suchende Leser • Medialität • Autoreflexivität • Mythos und Geschichte (nach Monika Schmitz-Emans, 2004) Roland Barthes (1915-1980): Der Tod des Autors (La mort de lʼauteur; 1968) ICH HABE EIN WERK VOLLENDET DAS DEM FEUER STANDHALTEN WIRD UND DEM EISEN SELBST DEM ZORN GOTTES UND DER ALLESVERNICHTENDEN ZEIT WANN IMMER ER WILL MAG NUN DER TOD DER NUR ÜBER MEINEN LEIB GEWALT HAT MEIN LEBEN BEENDEN ABER DURCH DIESES WERK WERDE ICH FORTDAUERN UND MICH HOCH ÜBER DIE STERNE EMPORSCHWINGEN UND MEIN NAME WIRD UNZERSTÖRBAR SEIN. Metamorphosen, Buch XV,871-879 (vivam = ich werde leben)