Großwetterlage Europa und der Bund Dr. Werner Ebert Bundesministerium der Finanzen Interdisziplinärer Workshop zur Konzipierung des „Jahrbuchs der öffentlichen Finanzen 2010“ 15./16. Januar 2010 in Leipzig Bundesministerium der Finanzen Berlin „Großwetterlage“ 1. Aktuelle Wirtschaftslage in Europa 2. Institutionelle Rahmenbedingungen für die deutsche Finanzpolitik 3. Ausblick auf den Bund Bundesministerium der Finanzen 2 Berlin Finanz- und Wirtschaftskrise gedämpfte Erholung der Weltwirtschaft BIPWachstum (in % ggü. Vorjahr) 2009 Herbstprognose 2010 Frühjahrsprognose Herbstprognose 2011 Frühjahrsprognose Herbstprognose - weltweit -1,2 -1,4 3,1 1,9 3,5 - USA -2,5 -2,9 2,2 0,9 2,0 - Japan -5,9 -5,3 1,1 0,1 0,4 - China 8,7 6,1 9,6 7,8 9,5 Quelle: European Commission, November 2009 Bundesministerium der Finanzen 3 Berlin Finanz- und Wirtschaftskrise EU MS unterschiedlich betroffen BIP-Wachstum in Prozent 2008 2009 2010 2011 1,3 -5,0 1,2 1,9 -3,0 -7,5 -1,4 2,6 Spanien 0,9 -3,7 -0,8 1,0 Frankreich 0,4 -2,2 1,2 1,5 Finnland 1,0 -6,9 0,9 1,6 Großbritannien 0,6 -4,6 0,9 1,9 Eurozone 0,6 -4,0 0,7 1,5 EU 27 0,8 -4,1 0,7 1,6 Deutschland Irland Quelle: European Commission, November 2009 Bundesministerium der Finanzen 4 Berlin Konjunkturpakete in Europa Bewertung der Umsetzung durch EU KOM • Staatschefs verständigen sich auf ein Rettungspaket (Oktober 2008) - European Economic Recovery Programme – – – • Umsetzung obliegt den einzelnen MS (2008-2010) Kriterien: timely, temporary, targeted Bericht der EU KOM an ER im Dezember 2009 Auswirkungen des EERP sichtbar, Kriterien der 3 T‘s erfüllt – – – • Wirtschaft stabilisiert, Spillovers durch weltweite Verflechtung. Kurzarbeitsmaßnahmen besonders erfolgreich Unsicherheiten, ob Aufschwung nach Auslaufen der Hilfen selbsttragend Gradueller Rückzug aus Stützungsmaßnahmen – – • Bedingung nachhaltige Erholung; Arbeitsmarkt reagiert zeitverzögert Ausbalancierter Rückzug; langfristige Arbeitsmarktreformen weiterführen. Belastungen für öffentliche Finanzen durch diskretionäre Maßnahmen sowie automatische Stabilisatoren – 20. Oktober 2009: ECOFIN beschließt koordinierte Strategie für den Ausstieg aus den Konjunkturpaketen im Rahmen des SWP Bundesministerium der Finanzen 5 Berlin Stimulusmaßnahmen der EU Mitgliedstaaten Defizitänderung (aggregiert) 2008-2010 Diskretionärer Stimulus 2009 Diskretionärer Stimulus 2010 in %-Punkten in % des BIP in % des BIP Deutschland -5,0 1,8 2,5 Irland -7,5 0,7 0,9 Spanien -6,0 2,3 0,8 Frankreich -4,9 0,9 1,1 Niederlande -6,8 1,3 1,4 Finnland -9,0 1,4 2,1 Großbritannien -7,8 1,7 0,7 EU 27 -5,2 1,4 1,3 Quelle: European Commission, Dezember 2009 Bundesministerium der Finanzen 6 Berlin Institutionelle Rahmenbedingungen für die dt. Finanzpolitik • Lissabon-Vertrag schafft allg. institutionelle Neuerungen – ER und EP stärker institutionalisiert (Art. 14,15 EUV) – Abstimmungsmodus weg von Einstimmigkeit hin zu Mehrheitsentscheidung (Art. 16, 3 EUV) • Neuerungen für die Koordinierung der Fiskalpolitik – Institutionalisierung der Eurozone (Art. 136 ff. AEUV) – Defizitverfahren (Art. 126 AEUV): Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der KOM, ob übermäßiges Defizit vorliegt; betroffener MS nimmt an Abstimmung nicht mehr teil – Koordinierung im internationalen Währungssystem, einheitliche Vertretung im IWF (Art. 138 AEUV) Bundesministerium der Finanzen 7 Berlin Defizitverfahren in der EU Aktuell 20 der 27 Mitgliedstaaten der EU im Defizitverfahren Bewährungsprobe für SWP und Zusammenhalt der Eurozone Staatsdefizit ( in % des BIP) Schuldenstand (in % des BIP) Beginn Konsolidierung - Korrekturfrist - Jährlich strukt. Abbau (in % des BIP) 2009 2010 2011 2009 2010 2011 -3,4 /3,2* -5,0 -4,6 73,1 76,7 79,7 2011-2013 mindestens 0,5 -8,3 -8,2 -7,7 76,1 82,5 87,6 2010-2013 über 1 Großbritannien -12,1 -12,9 -11,1 68,6 80,3 88,2 2010-2014 1¾ Spanien -11,2 .10,1 -9,3 54,3 66,3 74,0 2010-2013 über 1,5 Irland -12,5 -14,7 -14,7 65,8 82,9 96,2 2010-2014 2 Griechenland -12,7 -12,2 -12,8 112,6 124,9 135,4 2009-2010 Art. 126 (8) AEUV Deutschland Frankreich Quelle: EU Kommission, Dezember 2009, * vorl. Ist 2009 8 Bundesministerium der Finanzen Berlin Defizitverfahren Deutschland nach Art. 126 AEUV • 2. Dezember 2009: ECOFIN stellt fest, dass in Deutschland ein übermäßiges Defizit besteht (Art. 126 AEUV, ex-Art. 104 EGV) • ECOFIN-Rat fordert ab 2011 Abbau des gesamtstaatlichen Defizits in Höhe von durchschnittlich 0,5 % des BIP (2010 gesamtstaatliches Defizit von knapp 6 % des BIP erwartet). • Im Jahr 2013 muss das deutsche Staatsdefizit den Referenzwert von 3% des BIP wieder unterschreiten. • Stabilitätsprogramm berichtet über Pläne der Regierung (im Kabinett 10. Februar 2010) • Evaluation des deutschen Stabilitätsprogramms durch EU KOM und Schlussfolgerungen des Rates im 1. Quartal 2010 • 2. Juni 2010 Bericht an die KOM über Umsetzung der Ratsempfehlungen im Rahmen des Defizitverfahrens Bundesministerium der Finanzen 9 Berlin Eckdaten zum vorläufigen Abschluss 2009 Soll 2009 *) Vorläufiges Ist 2009 Abweichung in Mrd. € Ausgaben 303,3 292,3 - 11,1 Steuereinnahmen 224,1 227,8 + 3,8 Sonstige Einnahmen 30,2 30,2 + 0,1 2,0 2,0 0 49,1 34,1 - 14,9 32,8 **) 27,1 - 5,7 davon Einnahmen aus Kapitalvermögen (u. a. Privatisierung) Nettokreditaufnahme nachrichtlich: Investitionen *) Stand 2. Nachtragshaushalt **) inklusive überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds (4 Mrd. €) und Ausgaben für Inanspruchnahme von Gewährleistungen Bundesministerium der Finanzen 10 Berlin Bundeshaushalt 2010 • Die Neuverschuldung wird im laufenden Jahr 85,8 Mrd. € (Stand 2. Regierungsentwurf) betragen. • Damit liegt sie im laufenden Jahr um mehr als 50 Mrd. € über dem Ist des Jahres 2009. • Dramatischer Anstieg gegenüber 2009 und ursprünglichem Finanzplanansatz für 2010 (+79,8 Mrd. €) als Spiegelbild der Finanz- und Wirtschaftskrise. • Bundeshaushalt 2010 belastet durch automatische Stabilisatoren und Maßnahmen zur Konjunkturstabilisierung Bundesministerium der Finanzen 11 Berlin Konsolidierungsbedarf beim Bund aufgrund der Schuldenbremse Strukturelle Kreditaufnahme 2010 nach derzeitigem Stand Plan-NKA (RegE 2010) Saldo der finanziellen Transaktionen Konjunkturkomponente = Strukturelle NKA 2010 85,8 Mrd. € - 1,0 Mrd. € -16,5 Mrd. € 68,3 Mrd. € in Relation zum nominalen BIP 2,8 % Jährliche strukturelle Abbauverpflichtung Startwert 2010 (2,8%) - Strukturkomponente 2016 (0,35%) verteilt auf 6 Jahre: 0,4% (gerundet; entspricht durchschn. jährl. rd. 10 Mrd. €) Bundesministerium der Finanzen 12 Berlin Ausblick – Exit-Strategie und Koordinierung • Im Zentrum der europäischen Koordinierung: klare fiskalpolitische Exit-Strategie – Konjunkturpakete als Impuls erlaubt – Rückkehr zu tragfähigen öffentlichen Finanzen erforderlich – Stärkung des Potenzialwachstums durch Strukturreformen und geeignete fiskalpolitische Maßnahmen – Qualität (Wachstumsbeitrag) der öffentlichen Finanzen erhöhen • Neue Architektur der globalen Koordinierung erforderlich – Neue Politikstrategien, internationale Standards und Institutionen – Im Fokus: G20, IWF (Beschlüsse von Pittsburgh und St. Andrews) Bundesministerium der Finanzen 13 Berlin Großwetterlage Europa und der Bund Dr. Werner Ebert Bundesministerium der Finanzen Interdisziplinärer Workshop zur Konzipierung des „Jahrbuchs der öffentlichen Finanzen 2010“ 15./16. Januar 2010 in Leipzig Bundesministerium der Finanzen Berlin