Vorschläge für eine bedarfsorientierte Neuordnung des Finanzausgleichs Tagung „Das Teilen beherrschen. Analysen zur Reform des Finanzausgleichs 2019“ Prof. Dr. Nathalie Behnke, Universität Konstanz Berlin, 26.06.2014 1 Das Argument im Überblick 1. 2. 3. 4. 5. Autonomie und Solidarität ‚Eigene‘ Steuereinnahmen Finanzkraft oder strukturelle Bedarfe Der Reformvorschlag Schlussbemerkung 2 1. Autonomie und Solidarität Spannungsverhältnis, aber auch Komplementarität zwischen beiden Anforderungen Jeweils vertikale und horizontale Dimension 3 1a. Autonomie Vertikal: ergibt sich aus Föderalismusprinzip • Dezentrale Finanzausstattung und Fiskalkompetenz (Einnahmen) • Dezentrale Ressourcenverantwortung (Ausgaben) Horizontal: verwirklicht Leistungsprinzip • Nicht: Wettbewerb • Aber: Leistungsmotivation und Selbstwertgefühl 4 1b. Solidarität Vertikal: Steuerverbund und Deckungsquotenprinzip zur Sicherung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse • Nicht notwendig: Vertikalisierung Horizontal: solidarische Verteilung zur Sicherung der aufgabengerechten Finanzausstattung aller Länder • Nicht notwendig: nachträgliche Um-Verteilung 5 2. ‚Eigene‘ Steuereinnahmen? Grundsatz des örtlichen Aufkommens • Verteilung des Steueraufkommens nach ‚wirklicher‘ Steuerkraft Ort der Wertschöpfung Knüpft an Autonomieprinzip an Aber keine eindeutige Zurechenbarkeit von Leistung zu Ertrag Logische, praktische und psychologische Probleme der Zurechnung 6 2. Probleme der Zurechnung des ‚Eigenen‘ Logisch: Ertrag wird durch viele andere Faktoren außer der Eigenleistung beeinflusst • Steuergesetze • Wirtschaftliche und finanzielle Verflechtungen • Pfad- und Konjunkturabhängigkeit Praktisch: Steuerzerlegung • Hoher administrativer Aufwand zur Ermittlung der eigenen Steuereinnahmen • Abhängig von Produzenten- und Arbeitnehmerentscheidungen sowie von Zerlegungsregeln Psychologisch: Normativer Verfügungsanspruch • Ist real höchstens teilweise gerechtfertigt 7 3. Finanzkraft oder strukturelle Bedarfe FK als Leitprinzip im aktuellen System • Gilt als objektives und wenig strategieanfälliges Verteilungskriterium • Unterstellt strukturell vergleichbare Ausgabenlasten pro Einwohner im Bundesgebiet • Durchsetzt mit Bedarfskomponenten, aber unsystematisch 8 3a. Probleme der Finanzkraft Keine eindeutige Berechnung • Anteil der kommunalen Einnahmen • Steuerzerlegung • Allein im FAG zwei verschiedene Berechnungsweisen Gleiche Finanzkraft bedeutet nicht automatisch gleiche Aufgabenerfüllung Sehr große Unterschiede im Bundesgebiet 9 3b. Strukturelle Mehrbedarfe und Regionale Disparitäten ‚Grundbedarf‘ an Ausgaben pro Einwohner Mehrbedarfe variieren in der Fläche • Dicht- / Dünnbesiedelung • Soziallasten • Demographischer Wandel Müssen durch Bedarfsindikatoren in der Verteilung abgebildet werden 10 Zwischenfazit: die bisherige Logik des Finanzausgleichs 1. Das ‚Eigene‘ herausfinden und zuweisen 2. Danach vom ‚Eigenen‘ umverteilen 3. Ziel: Finanzkraftausgleich als äquivalent zu Leistungsausgleich Erst differenzieren, dann nivellieren • Umständlich, fehleranfällig, hoher Verwaltungsaufwand • Anreizfeindlich und entsolidarisierend 11 Einnahmen der Länder vor und nach Ausgleichszahlungen 250 500 450 200 400 350 150 StGes in 10€ je EW 300 in 10€ pro EW 250 StGes je EW in % des Durchschnitts 100 50 in % der Ausgleichsmesszahl* 200 150 100 50 NW BY BW NI HE RP SH SL HH HB SN ST TH BB MV BE 0 NW BY BW NI HE RP SH SL HH HB SN ST TH BB MV BE 0 12 Aternativvorschlag: die Logik umkehren 1. Verteilung nach Bedarfen echte aufgabengerechte Finanzausstattung 2. Differenzierung durch zusätzliche eigene Steuereinnahmen echter Leistungsanreiz, da Einnahmen vollständig im Land verbleiben • • • • Spart Bemessungs- und Verwaltungsaufwand Besseres Verteilungsergebnis Schafft Anreize Gefährdet nicht Solidarität 13 Der Reformvorschlag im Überblick 1. Beibehaltung des dualen Steuersystems mit großem Steuerverbund 2. Beibehaltung der vertikalen Steuerverteilung nach dem Deckungsquotenprinzip 3. Horizontale Verteilung nach Grund- und Mehrbedarfen, nicht nach Finanzkraft 4. Zusätzlich länderspezifisch variable eigene Steuereinnahmen 14 Ausgestaltungsbedarf des Reformvorschlags 1. Änderungen an der Aufteilung von eigenen und Gemeinschaftssteuern notwendig? Einbeziehung der kommunalen Ebene? 2. Vertikalisierung der Soziallasten mit entsprechender Verschiebung der Deckungsquote? 15 Ausgestaltungsbedarf des Reformvorschlags 3. Geeignete Indikatoren für Grund- bzw. für Mehrbedarfe? Mischungsverhältnis? a) Grundbedarf: Einwohner b) Mehrbedarfe: Bevölkerungsdichte, Sozialindikatoren, demografischer Wandel c) Mischungsverhältnis durch Simulation schätzen und politisch diskutieren 4. Geeignete Steuer für Differenzierung zwischen den Ländern? a) Aufschlag auf ESt innerhalb eines Korridors b) Andere Steuer geeignet? 16 Vorteile des Reformvorschlags Keine Zerlegungsproblematik Keine Verteilung der USt in zwei Schritten Keine Berechnung der Finanzkraft Keine weiteren horizontalen und vertikalen Ausgleichszahlungen Einnahmen nach dem Autonomieprinzip verbleiben zu 100% im Land 17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 18