Lehmann - Evangelische Akademie Tutzing

Werbung
Schmerz - Herausforderung für die Therapie
Evangelische Akademie Tutzing, 5.3.2006
Die Verbesserung der
Schmerztherapie in Deutschland
als medizinische und politische
Aufgabe
Klaus A. Lehmann
Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin,
Universität zu Köln
Wie gut ist „Schmerztherapie“
in Deutschland und muss sie verbessert werden ?
Verbesserung der Schmerztherapie
Arzneimittel in Deutschland
Eintragungen in der Roten Liste 2005
Analgetika / Antirheumatika
606
Antibiotika / Antiinfektiva
526
Psychopharmaka
450
Dermatika
396
Magen-Darm-Mittel
365
Antitussiva / Expectorantia
258
Verbesserung der Schmerztherapie
Arzneimittel in Deutschland
Häufigste Verordnungen (alle Medikamentengruppen)
Rang Präparat
Verordnungen
in Mio.
2 Paracetamol-ratiopharm
4,7
3 Voltaren / -Migräne
4,6
5 Voltaren Emulgel / Schmerzgel
4,5
6 Diclofenac-ratiopharm
4,1
16 Diclac
2,8
Böger und Schmidt, Arzneiverordnungsreport 2003
Verbesserung der Schmerztherapie
Konsultierte Ärzte
Personen mit anhaltenden Schmerzen
%
Allgemeinmediziner
48
Orthopäden
40
Internisten
17
Rheumatologen
Neurologen
nach Chrubasik et al. (1998)
1
7
andere Ärzte
10
Selbstbehandlung,
Heilpraktiker
35
0
10
20
30
40
50
60
Verbesserung der Schmerztherapie
Hilferufe (1)
Es geht um meinen 78-jährigen Vater, der seit Jahren an Osteoporose leidet in ihrer
schlimmsten Form. Zwei Rückenwirbel waren schon gebrochen - 3 Tage nach
Rentenbeginn. Das Problem ist, dass er die ständigen Schmerzen einfach nicht mehr
aushalten kann.
Alle Medikamente, die er bisher zur Schmerzlinderung erhalten hat, schlagen fehl.
Entweder die Nebenwirkungen sind derartig groß, dass die Medikamente abgesetzt
werden müssen, oder ihre Wirkung lässt bereits nach wenigen Wochen wieder nach.
Alle Versuche, ein geeignetes Mittel für ihn zu finden, sind bis heute erfolglos geblieben.
Nun hat sich mein Vater entschlossen, eine Schmerzklinik aufzusuchen, da die
ambulanten Therapien - auch bei einer Schmerztherapeutin - keinerlei Wirkungen
zeigten. ...
Die ständigen Fehlschläge haben ihn nun an einen Punkt der Mutlosigkeit gebracht, die
ihm und mir wirklich fremd sind. Er ist hoffnungslos, wie er selbst sagt. Die Schmerzen
verhindern auch, dass er innerhalb der Wohnung ein relativ normales Leben führen
kann, da sein ganzes Leben, jeder Tag, immer wieder von großen Schmerzattacken
unterbrochen wird. Inzwischen sind schon 5-minütige Telefonate ohne unterdrückte
Schmerzenslaute von ihm nicht mehr möglich.
Wie soll das ein Mensch aushalten?
Epidemiologie und Auswirkungen
Verbesserung der Schmerztherapie
Körperliche Beschwerden in der deutschen Bevölkerung
aus der Liste der 10 häufigsten Nennungen
(n=2182, 18-60 Jahre, „erhebliche“ oder „starke“ Beschwerden)
•
•
•
•
Kopfschmerzen
Rückenschmerzen
Nacken- und Schulterschmerzen
Glieder- und Gelenkschmerzen
Schumacher und Brähler, Schmerz 13:375 (1999)
Verbesserung der Schmerztherapie
Bundesgesundheitssurvey (1997 bis 1999)
Schmerz-Items aus dem SF-36 Fragebogen
%
keine
sehr leicht
leicht
Schmerzstärke
mäßig
stark
sehr stark
sehr
ziemlich
mäßig
gar nicht
ein bisschen
Einschränkung
Verbesserung der Schmerztherapie
The economic burden of
back pain in the UK
N. Maniadakis, A. Gray: Pain 84:95-103 (2000)
production losses
86,7%
10668
million British pounds
in 1998
General cost
distribution
1632
health care cost
13,3%
Verbesserung der Schmerztherapie
Prävalenz chronischer Schmerzen
USA 1990: 8,1%
daraus geschätzt für BRD: 5 Mio. Patienten
Karlsruhe 1998 (1304 Erwachsene, 18-80 Jahre):
10% mit schweren Dauerschmerzen,
1,7% mit unerträglichen Dauerschmerzen
Schätzung für Verschlimmerungstendenz
(BRD 1999): 600 Tsd. Patienten
Verbesserung der Schmerztherapie
Hilferufe (2)
.. wurde bei meiner Schwiegermutter im Brustbereich ein pickeliger Ausschlag
festgestellt, der jedoch zu spät erst als Herpes zoster erkannt wurde. Der Ausschlag
heilte nach ca. 3 Wochen ab, doch blieb der Schmerz und entwickelte sich zu einer
postzosterischen Neuralgie. Seither haben wir verschiedenste Schmerzmittel und
Therapien der Schulmedizin wie auch der Homöopathie erprobt, u.a. Aclovir,
Akupunktur, TENS, doch zeigte sich gar keine oder nur sehr geringe Reaktionen.
Meine Schwiegermutter erscheint zunehmend depressiv. Sie zeigt für positive wie auch
für negative Ereignisse in ihrer Umgebung zunehmend geringeres Interesse, sie ist nur
selten noch dazu zu bewegen, ihre Liegestatt zu verlassen und - soweit es ihre durch
die lange Zeit des Ruhens geschwächte Muskulatur zulässt - für einige Minuten außer
Haus „an die frische Luft“ zu gehen. ...
Ich wende mich in der Hoffnung an Sie, dass Sie weiterhelfen können. Unser
vorrangiges Interesse gilt neueren Entwicklungen im Bereich der Schmerzbekämpfung.
Anschriften von Ärzten und Kliniken, die sich der Erforschung und Erprobung von
Medikamenten zur Bekämpfung der Schmerzen widmen usw.
Sodann sind wir aber auch sehr dankbar für Hinweise, wie der sich stetig steigernden
Depression begegnet werden kann, ob es Therapien oder gar Kliniken gibt bzw. wie im
familiären Rahmen Hilfe geleistet werden kann.
Wer kann helfen ?
Verbesserung der Schmerztherapie
Pain Education in Europe
EFIC Chapter Questionnaire 2001
10
number of Chapters
responding
8
not at all
in some schools
in many schools
in all schools
6
4
2
0
Do special pain-related curricula exist at Medical Schools?
Verbesserung der Schmerztherapie
Pain Education in Europe
EFIC Chapter Questionnaire 2001
8
7
number of Chapters
responding
6
5
4
3
not at all
in some schools
in many schools
in all schools
2
1
0
Are pain related topics taught at Medical School?
Verbesserung der Schmerztherapie
Pain Education in Europe
EFIC Chapter Questionnaire 2001
7
number of Chapters
responding
6
5
not at all
in some schools
in many schools
in all schools
4
3
2
1
0
Are pain related topics asked in medical students' examination?
Verbesserung der Schmerztherapie
Pain Education in Europe
EFIC Chapter Questionnaire 2001
10
number of Chapters
responding
8
not at all
in some schools
in many schools
in all schools
6
4
2
0
Are suitable teachers available for pain topics at Medical Schools?
Verbesserung der Schmerztherapie
Weiterbildung zum Facharzt
Weiterbildungsordnung
Außer im Fachgebiet Anästhesie sind schmerztherapeutische
Weiterbildungsinhalte in keiner anderen medizinischen Disziplin in einem
Ausmaß vorgesehen, die eine vernünftige Versorgung im niedergelassenen
Bereich gewährleisten könnte.
Wo derartige Weiterbildungsinhalte existieren, ist in der täglichen Praxis
(selbst in der Anästhesie) nicht gewährleistet, dass diese während der
Weiterbildungszeit systematisch vermittelt und im Rahmen der mündlichen
Facharztprüfung überprüft werden.
Allzu häufig werden schmerztherapeutische Kenntnisse lediglich durch die
pharmazeutische bzw. medizintechnische Industrie in eigenen Fort- und
Weiterbildungsveranstaltungen angeboten.
Verbesserung der Schmerztherapie
Pain Education in Europe
EFIC Chapter Questionnaire 2001
anaesthesiology
rheumatology
oncology
special degrees available,
issued by Government or Medical Boards:
3 countries;
issued by Medical Associations:
4 countries
neurology
family practice
orthopaedics
number of Chapters
responding
surgery
0
2
4
6
8
10
12
14
Which specialities teach pain-related topics during Postgradual Education?
Verbesserung der Schmerztherapie
Spezielle Kenntnisse
Schmerztherapievereinbarung, Zusatzbezeichnung
Die 1994 eingeführte sog. Schmerztherapievereinbarung ist ein Vertragswerk
zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den Krankenkassen, in
der eine besondere Vergütung für die Behandlung chronisch schmerzkranker
Patienten und die Modalitäten für die Aufnahme in dieses Vertragswerk
festgelegt sind. Besondere KV-Kommissionen prüfen die Antragsteller nach
eigenen Richtlinien, die sich vorwiegend an den sog. Algesiologiezertifikaten
von schmerztherapeutischen Vereinigungen orientieren.
1996 wurde vom Deutschen Ärztetag eine Zusatzbezeichnung „Spezielle
Schmerztherapie“ verabschiedet, die auf eine gemeinsame Initiative von
schmerztherapeutischen Vereinigungen zurückging. Ihr Erwerb ist an den
Nachweis theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen gebunden;
sie ermöglicht die öffentliche Bekanntgabe der erworbenen und von der
Ärztekammer geprüften Kenntnisse.
Bisher ist der Erwerb der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“
keine Voraussetzung für die Beteiligung an der Schmerztherapievereinbarung.
Verbesserung der Schmerztherapie
Hilferufe (3)
Ich bin 56 Jahre alt. Seit März bin ich nach einem Verkehrsunfall arbeitsunfähig. Bei
diesem Unfall (während der Arbeitszeit) erlitt ich ein Schleudertrauma,
Nervenverletzungen u.a. Da die Schmerzen unerträglich waren, wurde ich im Mai / Juni
stationär behandelt. Dort wurde mir gesagt, dass die Schmerzen chronisch wären und
dass ich in eine Schmerzklinik eingewiesen werden sollte.
Im Oktober hat die Berufsgenossenschaft die Behandlung für beendet erklärt mit der
Begründung, dass diese Schmerzen auf Vorerkrankungen zurückzuführen sind.
Daraufhin hat mein Hausarzt bei der Krankenkasse einen Antrag zur Aufnahme in eine
Schmerzklinik gestellt. Dieser wurde zwar befürwortet, aber im Hinblick auf eine evtl.
Erwerbsunfähigkeit an die BfA weitergeleitet.
Diese genehmigte zwar eine Kur, aber keine Schmerztherapie.
Angeblich belegt die BfA keine Schmerzkliniken.
Verbesserung der Schmerztherapie
Verbesserung der Schmerztherapie
Tatbestand
Die Klägerin ist Fachärztin für Anästhesie mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle
Schmerztherapie“. Sie beantragte die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten
Behandlung gesetzlich Krankenversicherter für Konsiliaruntersuchungen sowie die
Ermächtigung für die Durchführung besonderer Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden auf dem Gebiete der Schmerztherapie auf Überweisung von
Fachärzten für Chirurgie, Orthopädie, Neurologie und Rheumatologie.
Dieser Antrag wurde vom Zulassungsausschuss der KV mit dem Hinweis auf eine
ausreichende Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte (und 7 Anästhesisten
und Allgemeinärzte, die an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmen) abgelehnt.
Das Gericht bemängelt, dass es für die schmerztherapeutische Versorgung keine
nachvollziehbare Bedarfsplanung gebe. Aus den vorliegenden epidemiologischen
Daten resultiere für den Großraum Köln, dass etwa 16.250 Personen schmerztherapeutisch versorgt werden müssten, d.h. pro Praxis der 10 Ärzte mit Teilnahme an
der Schmerztherapievereinbarung 1.625 Patienten. Die Wartezeiten in den
entsprechenden Einrichtungen betrügen aber bekanntlich etwa 2 bis 6 Monate.
„Selbst wenn man diese Zahlen als unsicher ansieht, bedeutet es doch, dass selbst die
Hälfte der durch diese Bedarfsrechnung ermittelten Ärzte für die spezielle
Schmerztherapie im Planungsbereich Köln nicht zur Verfügung steht.“
Mythen
Verbesserung der Schmerztherapie
• Wahnsinn oder Selbstmord ist
das häufige Ende unglücklicher
Morphinisten.
• Man hüte sich vor Opiumgenuss
wie vor jedem anderen Gift!
• Halten wir uns also frei von
Stoffen..., die so oft den Tod
beschleunigen.
Dr. A. Fischer-Dückelmann:
Die Frau als Hausärztin (1908)
Verbesserung der Schmerztherapie
Schmerzintensität bei gastrointestinalen Tumoren
610 Tumorpatienten, Schmerzambulanz Universität Köln
keine
vor Therapie
leicht
erste Kontrolle
mäßig
stark
sehr stark
max. vorstellbar
ohne Angabe
3
28
5
28
16
24
33
10
30
3
11
0
2
7
%
Verbesserung der Schmerztherapie
Schmerzintensität sterbender Tumorpatienten
160 Tumorpatienten, Schmerzambulanz Universität Köln
46
ohne Angabe
65
keine
28
leichte
15
mäßige
6
starke
sehr starke
0
Verbesserung der Schmerztherapie
Präfinale Morphindosen
160 Tumorpatienten, Schmerzambulanz Universität Köln
35
%
oral
parenteral
30
25
20
15
10
5
mg/d
0
15-60
61-120
121-180
181-240
241-300
301-360
Verbesserung der Schmerztherapie
Das WHO-Stufenschema zur
Tumorschmerzbehandlung hat
sich außerordentlich bewährt.
Psychische Abhängigkeit („Sucht“)
tritt bei sachgemäßer Anwendung
praktisch nicht auf.
Das Konzept wird nun immer
häufiger auch zur Behandlung
sog. nicht-maligner Schmerzen
eingesetzt.
Dies impliziert die Verordnung von
Morphinderivaten z.B. zur
Behandlung von Rückenschmerz
oder bei Schmerzen infolge
rheumatischer Erkrankungen.
Wissenschaftliche Belege für die
Eignung von Opioiden zur
Behandlung von NichtTumorschmerzen sind derzeit
noch widersprüchlich.
Rechtliche Aspekte
Verbesserung der Schmerztherapie
K. Kutzer, Richter am Bundesgerichtshof
(1)
.. Das Recht wird nicht länger hinnehmen können, dass Patienten schwersten
Schmerzen nur deshalb ausgeliefert sind, weil der behandelnde Arzt aus
Unwissenheit, Selbstüberschätzung oder Bequemlichkeit die Möglichkeiten der
Schmerzbekämpfung .. nicht ausschöpft. ....
Daher ist jeder Arzt verpflichtet, sich auf diesem Gebiet .. fortzubilden und sich
über moderne Verfahren der Schmerzbehandlung umfassend zu unterrichten.
Er muss sie entweder selbst beherrschen oder so viel von ihnen verstehen,
dass er den Schmerzkranken an einen geeigneten Spezialisten oder eine
fachkundige Einrichtung überweisen kann.
Schmerz 5:53-55, 1991
Verbesserung der Schmerztherapie
K. Kutzer, Richter am Bundesgerichtshof
(2)
.. Es ist nicht Aufgabe von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft,
curriculare Forderungen zu einer entsprechenden Aus- und Fortbildung der
Ärzteschaft zu stellen; wohl aber ist es ihre Sache, rechtliche Konsequenzen
für den Fall des Fehlens vermittelbarer schmerztherapeutischer Konsequenzen
anzudrohen und auszusprechen.
Denn der Patient hat einen Rechtsanspruch darauf, dass ein Arzt alle heute
möglichen Verfahren der Linderung schwerster und chronischer Schmerzen
zum Vorteil des Kranken ausschöpft.
.. Eine rechtswidrige Körperverletzung begeht der Arzt, der in vermeidbarer
Weise Schmerzen verursacht oder verschlimmert, deren Entstehen nicht
vorbeugt oder sie nicht oder nicht lege artis beseitigt. ..
Es ist daher als rechtswidrige Körperverletzung zu beurteilen, wenn trotz
schmerztherapeutischer Indikation Morphine nicht, nicht in ausreichender
Menge oder nicht kunstgerecht, insbesondere nicht in regelmäßigen
Abständen vor der Wiederkehr der Schmerzen .. appliziert und dadurch
schwerste Schmerzzustände nicht verhindert werden.
Festschrift Hannskarl Salger, 1995
Verbesserung der Schmerztherapie
Der Kieler Mordprozess (1)
Augenscheinlich gesunde 88-jährige Patientin, die nach einer Mittagsmahlzeit
abdominelle Beschwerden entwickelt.
Ein hinzugezogener Internist diagnostiziert ambulant ein Pankreas-Karzinom
mit offensichtlich infauster Prognose; man entscheidet sich auf Wunsch der
Patientin gegen eine Krankenhauseinweisung und für eine häusliche Pflege.
Die Patientin verschlechtert sich innerhalb weniger Tage dramatisch, erbricht,
aspiriert, entwickelt ein Lungenödem, muss endotracheal abgesaugt werden:
hierzu ist eine Analgosedierung mit Pethidin (DolantinR) erforderlich.
Nach 300-450 mg Pethidin innerhalb 2 Tagen verstirbt die Frau an einer
inkarzerierten paraösophagealen Gleithernie.
Die behandelnde Anästhesistin wird nach einem mehrjährigen spektakulären
Verfahren verurteilt, aktive Sterbehilfe begangen zu haben.
Eine durch die Verteidigung angestrebte Revision beim Bundesgerichtshof
führt zur Neuaufnahme des Verfahrens in einer anderen Stadt, bei dem die
Angeklagte freigesprochen wird.
Verbesserung der Schmerztherapie
Der Kieler Mordprozess (2)
.. Eine absolute Grenze für jede Schmerzbehandlung setzt die Vorschrift des
§ 216 des Strafgesetzbuches über Tötung auf Verlangen. Aktive Tötung als
Mittel der Schmerzbeseitigung ist dem Arzt auch dann verboten, wenn der
Leidende ausdrücklich und ernsthaft darum bittet.
Anders ist die Rechtslage, wenn die schmerzlindernde Medikation das Leben
des Todkranken verkürzen kann und der Arzt dies bei der Behandlung als
unbeabsichtigtes, aber unvermeidbares Risiko in Kauf nimmt. ..
Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit unter
Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten ist ein höherwertiges
Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch einige Tage
länger leben zu müssen.
Verbesserung der Schmerztherapie
Pressemitteilung (1)
15.02.2006
DGSS-Präsident verurteilt Hamburger Sterbehilfe-Vorstoß
Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des
Schmerzes, hat den Vorstoß des Hamburger Justizsenators Roger Kusch (CDU),
Sterbehilfe in Deutschland zu legalisieren, scharf verurteilt.
Roger Kusch plant, nach einem gescheiterten Vorstoß für die legalisierte
Sterbehilfe nun einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung der begrenzten
Sterbehilfe einzureichen. Sie solle zulässig sein, wenn der Patient über 18 Jahre
alt ist, ein dokumentiertes Beratungsgespräch mit einem Arzt über den zu
erwartenden Krankheitsverlauf und Alternativen zum Sterben hatte und sein
Wunsch nach Sterbehilfe notariell beurkundet ist.
„Das ist eine unsägliche Idee von einem Politiker, dessen Partei auch noch
‚christlich’ in Namen trägt“, sagte Zenz. Grund für den vielfachen Wunsch nach
Sterbehilfe sei nachgewiesenermaßen eine mangelnde palliativmedizinische
Versorgung, von der gerade Hamburg besonders betroffen ist, so Zenz.
„Kuschs politische Aufgabe ist es nicht, nach Alternativen für die Versäumnisse in
der Palliativmedizin zu suchen, sondern diese Versäumnisse zu beseitigen“,
sagte der Schmerzspezialist.
Verbesserung der Schmerztherapie
Deutsches Ärzteblatt 2006
Palliativmedizin
Eine Palliativ-Behandlung kommt in
Betracht, wenn das Grundleiden nicht
mehr geheilt werden kann und dessen
quälende Symptome unterdrückt
werden müssen.
Ihr Ziel ist die Verbesserung der
Lebensqualität des Kranken, nicht
dessen Lebensverlängerung.
Ausblick
Verbesserung der Schmerztherapie
Wer trägt die Schuld an der Misere ?
Politik:
Approbationsordnung, Ausstattung der Universitäten, Positivliste
Krankenkassen:
Wettbewerb mit unseriöser Werbung, fehlende Repressalien
Verbesserung der Schmerztherapie
Wer trägt die Schuld an der Misere ?
Politik:
Approbationsordnung, Ausstattung der Universitäten, Positivliste
Krankenkassen:
Wettbewerb mit unseriöser Werbung, fehlende Repressalien
Pharmaindustrie, Apotheken:
Marketing, fehlende (oder sogar falsche) Beratung
Verbesserung der Schmerztherapie
Pressemitteilung (2)
07.12.2005
Starke Schmerzmittel für den Notfall: nur in jeder 5. Notdienst-Apotheke !
Tumorschmerzpatienten müssen zu lange warten
Nicht einmal jede 5. Apotheke in NRW hält im Notdienst stark wirksame
Schmerzmittel z.B. gegen Akutschmerzen bei Tumorpatienten bereit. Zu
diesem Ergebnis führte eine telefonische Befragung bei 74 zufällig
ausgewählten Notdienstapotheken, die das Palliativnetz Bochum im
November 2005 durchführte.
„Für einen Tumorpatienten ist die Tatsache, dass ein notwendiges
Schmerzmittel erst in 24 Stunden besorgt wird, wirklich unerträglich“,
kommentiert Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft
zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), und mit Blick auf vorgeschlagene
Änderungen der Regeln zur Vorratshaltung der Apotheken:
Ich wünsche keinem Politiker, dass er eine solche Verordnung einmal selber
kennen lernt.“
Verbesserung der Schmerztherapie
Wer trägt die Schuld an der Misere ?
Politik:
Approbationsordnung, Ausstattung der Universitäten, Positivliste
Krankenkassen:
unseriöse Werbung, fehlende Repressalien
Pharmaindustrie, Apotheken:
Marketing, fehlende (oder sogar falsche) Beratung
Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen:
weit verbreitete Unkenntnis der Notlage, Besitzstandwahrung
Fachgesellschaften:
Abhängigkeit von Sponsoren, Pressemitteilungen
Verbesserung der Schmerztherapie
Pressemitteilung (3)
05.11.2002
Zusatzbezeichnungen (spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin,
suchtmedizinische Versorgung ….)
Haben Sie nicht langsam auch die Nase voll, von den Super-Spezialisten,
die uns gegen teures Geld das beibringen wollen, was wir seit Jahren selbstverständlich tun?
Wir brauchen landesweit engagierte Mitglieder, die den „Super-Spezialisten“
sagen, wie die Realität aussieht. Melden Sie sich zu Wort, gehen Sie in
Selbsthilfegruppen, nehmen Sie an den Öffentlichkeitsveranstaltungen teil!
aus einem Aufruf an die Mitglieder des Hausärzteverbandes,
vom Vorsitzender des Saarländischen Hausärzteverbandes e.V.
Verbesserung der Schmerztherapie
Wer trägt die Schuld an der Misere ?
Politik:
Approbationsordnung, Ausstattung der Universitäten, Positivliste
Krankenkassen:
unseriöse Werbung, fehlende Repressalien
Pharmaindustrie, Apotheken:
Marketing, fehlende (oder sogar falsche) Beratung
Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen:
weit verbreitete Unkenntnis der Notlage, Besitzstandwahrung
Fachgesellschaften:
Abhängigkeit von Sponsoren, Pressearbeit wichtiger als Mitglieder
Wir Ärzte:
mangelnde Einsicht („das machen wir doch schon immer …“):
Wo haben wir den Umgang mit Schmerz gelernt ?
Verbesserung der Schmerztherapie
Pressemitteilung (4)
Schmerzen, Spezielle Schmerztherapie
und der Facharzt zum Blutabnehmen - offener Brief an eine Ärztekammer
„Und eine letzte Frage, speziell an Sie, verehrte Kollegin, die bei der letzten
Abstimmung in der Kammerversammlung argwöhnte, wenn man die
„Spezielle Schmerztherapie“ einführe, stünde als nächstes der Facharzt zum
Blutabnehmen zur Diskussion:
glauben Sie inzwischen nicht vielleicht auch, dass derartige Überlegungen ein
bisschen an der Realität vorbeigehen?“
K.A. Lehmann (2001)
Herunterladen