Kapitel 5 Strukturen Information aus der realen Welt werden in einem informationsverarbeitenden System als Daten abgelegt. Diese stellen also eine (vereinfachte) Abstraktion der Wirklichkeit dar und spiegeln in vielen Fällen die Strukturen der Wirklichkeit wider. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die wichtigsten abstrakten Datenstrukturen gegeben, wobei dieser Begriff zum Begriff des „Datentyps“ erweitert wird. Anmerkung: Dieses Kapitel abstrahiert die Objekte mit denen Sie in „Einführung in die Programmierung“ umgehen. Dort werden diese abstrakten Objekte konkret für Java vorgestellt. Inhalt 1. 2. 3. 4. Datenstrukturen - Datentypen Datentypen: Ein Überblick Konkrete Datentypen Abstrakte Datentypen 5.1 Datenstrukturen - Datentypen In der Literatur wird meist der Begriff „Datenstruktur“ verwendet. In diesem Unterkapitel soll der Unterschied zwischen diesem Begriff und dem Begriff des „Datentyps“ erläutert werden. Inhalt 1. Datenstrukturen 2. Datentypen 3. Variablen eines Datentyps 5.1.1 Datenstrukturen In der Informatik werden Objekte der realen oder abstrakten Welt erfasst Bei der Erfassung beschränkt man sich möglichst auf die für den weiteren Transport / Speicherung/Verarbeitung/Umsetzung notwendige Information Zur internen Repräsentation werden diese Objekte abstrahiert Zur Abstraktion gehört die Erkennung von Strukturen - zunächst im Sinne einer Aggregation. Also Aus welchen Teilobjekten bestehen Objekte ? In welchem Verhältnis stehen die Teilobjekte zueinander ? Welches sind die „atomaren“ Teilobjekte ? es existieren noch weitere strukturelle Beziehungen (z.B. Vererbung) Anschließend werden diese Objekte typisiert. Typisierung ist die Einteilung von abstrakten internen Objekten in Gruppen mit gleichen oder ähnlichen Eigenschaften. 5.1.2 Datentypen Typen sind also nicht die intern repräsentierten Objekte, sondern beschreiben die Eigenschaft einer Gruppe von Objekten. Zu diesen Eigenschaften gehören: Struktur Wertebereich anwendbare Operatoren, Funktionen, Relationen Beziehungen zu anderen Typen interne Repräsentationsweise … Beispiel: Imaginäre Zahlen Einige Anmerkungen:: Der Begriff „Datentyp“ ist weitergehend als der Begriff „Datenstruktur“ In der Objektorientierten Programmierung wird statt „Datentyp“ auch der Begriff „Klasse“ verwendet (Klassen beschreiben mehr Eigenschaften) Konkrete Repräsentanten eines Datentyps werden (u.a) „Variable“ oder - bei OO-Sprachen - „Instanz“ genannt 5.1.3 Variable eines Datentyps Einen speziellen (rechnerinternen) Repräsentanten eines Datentyps bezeichnet man als Variable. Die Festlegung, von welchem Datentyp eine Variable ist, bezeichnet man als Variablendeklaration. Die Zuordnung eines Typs „Typ“ an eine Variable X wird (zunächst) wie folgt notiert: var x : Typ; Eine Variable hat alle Eigenschaften eines Datentyps. Zusätzlich dazu hat eine Variable: einen konkreten Wert. Der Wert muss aus dem Wertebereich des Datentyps sein (oder undefiniert) Die Zuweisung eines Wertes „Wert“ an eine Variable X sei (zunächst) wie folgt notiert: x = Wert; einen konkreten Speicherplatz Dieser Speicherplatz ist so dimensioniert, dass die Struktur der Variable abgebildet werden kann Dieser Speicherplatz wird (meist) implizit durch die Deklaration zugeordnet Beispiel: var x : Datentyp; // x ist vom Typ: „Datentyp“ x = 531; // Zuweisung von 531 an X 5.2 Datentypen: Überblick Nachdem sich nun der Begriff des „Datentyps“ als Oberbegriff der „Datenstruktur“ erwiesen hat, konzentrieren wir uns im Rest des Kapitels auf wichtige Datentypen. In diesem Unterkapitel wird ein Klassifikationssystem für die in der Informatik verwendeten Datentypen aufgestellt und kurz erläutert Inhalt 1. Klassifikation der Datentypen 2. Erläuterung der Klassifikation 5.2.1 Klassifikation der Datentypen Datentypen Konkrete Einfache Abstrakte Pointer(Zeiger) Idealisierte Strukturierte ... Ordinale Boolean (Wahrheitswert) Integer (Ganzzahl) Real (Fließkomma) Char (Zeichen) Array (Feld) Record Union (Verbund) (Variantenverb.) ... Enumeration (Aufzählung) 5.2.2 Erläuterung der Klassifikation Idealisierte Datentypen aus der Mathematik bekannte Datentypen: R, N, Z, ... Variablen dieser Typen sind oft nicht endlich darstellbar (Bsp: 2) In einem Computer-Algebra-System symbolisch darstellbar (Bsp: 2^( 1/2)) Konkrete Datentypen in einem Rechner von Hard- oder Software bereitgestellte Datentypen entweder vordefiniert oder durch den Benutzer definierbar Abstrakte Datentypen verbergen ihren inneren Aufbau vor dem Benutzer bestehen aus beliebigen Strukturen über konkrete/idealisierte Datentypen, sowie aus Zugriffsfunktionen bzw. Prozeduren Beispiel: Baum 13 insert (Element) 6 2 61 12 15 delete (Element) 79 search (Element) 5.3 Konkrete Datentypen Die am häufigsten abstrahierten Objekte der realen Welt sind, zumindest was die für eine weitere Verarbeitung notwendigen Informationen betrifft, einfach strukturiert und lassen sich demnach mit konkreten Datentypen abbilden. Dieses Unterkapitel gibt einen Überblick über alle konkreten Datentypen und beschreibt diese. Inhalt 1. Einfache Datentypen 2. Strukturierte Datentypen 3. Verweise 5.3.1 Einfache: Boolean (Wahrheitswert) zur Darstellung von Wahrheitswerten Wertebereich: true, false intern in manchen Programmiersprachen als 1 bzw. 0 dargestellt Operatoren: und, oder, nicht, Vergleiche, ... Operatoren entsprechend der bool‘schen Algebra oft auch allgemeine arithmetische Operationen möglich Vorsicht vor Integer-Arithmetik mit Boolean-Variablen Notation: Beispiel: var booleanVar : boolean; var switch : boolean; switch = false; switch = not(switch); switch = switch and not(switch); switch = switch or not (switch); // // // // = = = = 0 „Bool-Literal“ not(0) = 1 1 and 0 = 0 0 or 1 = 1 Wir müssen uns gleich angewöhnen die „Dinge“ so zu bezeichnen, wie sie in der Informatik bezeichnet werden: Schlüsselwort var (Variablen)Bezeichner switch Schlüsselzeichen(-wort) : (Typ)Bezeichner boolean Schlüsselzeichen(-wort); Bezeichner switch Operator = (Boolean)Literal false Schlüsselzeichen(-wort); 5.3.1 Einfache: Integer (Ganzzahl) zur Darstellung ganzer Zahlen mit oder ohne Vorzeichen Wertebereich: Unterschiedlich unsigned integer: Ganze Zahlen ohne Vorzeichen ( 0... 65535 ) oft 16 bit bzw. 32 bit als ‚short int‘ bzw. ‚long int‘ bezeichnet Vorsicht: 16 bit Integer ist verdammt wenig ((± 32267) Speicherplatz ist nicht mehr teuer benutzen Sie ‚long int‘ (Ausnahmen bestätigen die Regel) Operatoren: Grundrechenarten, Vergleiche Operatoren entsprechend der „klassischen“ Algebra Notation: Beispiel: var integerVar : integer; var i = i = i = i = i : 1; i + i / i + integer; 32;´ 17; 65535; // // // // = 1 „Integer-Literal“ = 1 + 32 = 33 = 33 / 17 = 1 ! bei unsigned Int.: Fehler ! 5.3.1 Einfache: Char (Zeichen) zur Darstellung von Zeichen Vorsicht: Typischerweise wird die ASCII-Codierung zugrundegelegt, kann aber auch Unicode sein Wertebereich: Alle Zeichen Intern codiert als ASCII oder - neuerdings immer öfter - als Unicode ASCII: 8 Bit (7 benutzt), Unicode: 16 Bit Intern oft als Integer repräsentiert Operationen: Vergleich oft auch allgemeine arithmetische Operationen möglich Vorsicht vor Integer-Arithmetik mit char-Variablen Notation: Beispiel: var charVar : char; var symbol : char; symbol = „A“; symbol = symbol + 32;´ symbol = symbol - 128; // = „A“ „Char-Literal“ // = „A“ + 32 = „a“ // = „a“ - 128 = Fehler 5.3.1 Einfache: Enum (Aufzählung) zur Darstellung endlicher benutzerdefinierter Wertebereich Es ist guter Stil, Mengen mit (garantiert) kleiner Mächtigkeit (<10) als Enum-Type zu deklarieren, anstatt sie z.B. als Integer zu kodieren. Intern werden Enum-Werte oft als Integer abgelegt Operatoren: Vergleich oft auch allgemeine arithmetische Operationen möglich Vorsicht vor Integer-Arithmetik mit Enum-Variablen Notation: Beispiel: var enumVar : enum { Wertemenge }; var ampelfarbe : enum {gruen,gelb,rot} ; ampelfarbe = gruen; // = gruen „Enum-Literal“ // Vorsicht: C++ erlaubt das ampelfarbe = ampelfarbe +1 ; ´ // = gruen + 1 = gelb ampelfarbe = ampelfarbe +1 ; ´ // = gelb + 1 = rot ampelfarbe = ampelfarbe +1 ; ´ // = rot + 1 = Fehler ! 5.3.1 Einfache: Real (Fließkomma) zur näherungsweisen Darstellung reeller Zahlen Wertebereich: Unterschiedliche Genauigkeiten und Wertebereiche Wertebereich entspricht typischerweise der IEEE 754 Norm, also: Float: 32 bit Double: 64 bit Operationen: Grundrechenarten, erweiterte Arithmetik, Vergleich Notation: var realVar : real; Beispiel: //--- Variable declaration -------------------------var pi, flaeche, radius : real; // all real ! //--- Initialisation -------------------------------pi = 3,141; // needs not to be more accurate radius = 5; // might be changed by user //--- Computation of surface -----------------------flaeche = 2 * pi * (radius ^ 2); // common formula 5.3.2 Strukturierte: Array (Feld) Arrays sind eine Aggregationen von Daten des gleichen Typs (des „Basistyps“) Aggregation := Zusammenfassung, Anhäufung, Angliederung Die Grenzen des Arrays sind (meist) statisch bestimmt Operation: Auswahl Die Auswahl eines Datenelementes erfolgt über einen ganzzahligen Index über den (Auswahl-)Operator „ [ ] “ Vorsicht: Zugriff außerhalb des deklarierten Bereiches führt zu Fehlern Notation: Beispiele var arrayVar : array[min .. max] of Datentyp Eindimensionales array: Zweidimensionales array: var Vektor : array[1..4] of real; Operator var m : array[1..3] array[1..2] var v : array[1..4] v[3] = 5,03; v[4] = m[1][2] = v[3] * 12 var Matrix : array[1..3] of array[1..2] of real; of of real; of real; 4,12; - v[4]; 5.3.2 Strukturierte: Record (Verbund) Verbunde sind Aggregationen von Daten möglicherweise unter-schiedlichen Typs manchmal auch „structure“ oder „struct“ genannt Operation: Auswahl Die Auswahl erfolgt durch Angabe des Komponentennamens (durch einen Punkt vom Variablennamen getrennt) Notation: var recordVar : record { komponent1 : type1; ... }; Beispiel: var d : { tag monat }; d.monat d.tag record : Integer; : Integer; = 10; = 20; 5.3.2 Strukturierte: Variant Record (Variantenverb.) Verbunde, deren Struktur mögliche Alternativen zulassen manchmal auch „union“ genannt lassen „Varianten“ eines Record-Types zu Operation: Auswahl (wie bei records über Punkt-Operator) Notation: var recVar : record { komponent1 : type_1; ...; case variant (variant1,...) of { variant1 : type_n; ... } TAGGED TYPE } Unterelement „variant“ implizit definiert bei „tagged type“ Nur ein Unterelement aus variant1, ... (sinnvoll) verwendbar Beispiel: var adam,eva : record { name : array [1..20] of char; case sex (m,f) of { f: {IQ: integer}; m: {muscle: real}; // in cm } adam.sex adam.muscle eva.sex eva.IQ = = = = m; 20,5; f; 132; 5.3.2 Strukturierte: Variant Record var adam,eva : record name case f: m: } adam.sex adam.muscle eva.sex eva.IQ = = = = m; 20,5; f; 132; Umsetzung: name { : array [1..20] of char; sex (m,f) of { {IQ: integer;} {muscle: real;}} sex IQ / muscle Variant Records mit „Untagged Types“ (z.B. C, C++ : Union) struct { char[20] name; enum {m,f} sex; // ... union { int IQ; real muscle;} // in cm } adam, eva; (2. Variante) adam.sex adam.muscle eva.sex eva.IQ = = = = m; 20,5; f; 132; 5.3.2 Vereinfachung der Notation („type“) var Person : record { surname : array [1..20] of char; forename : array [1..20] of char; birthday : record { year : integer; month : enum {jan,...}; day : integer; }; }; var Akt_Datum : record { year : integer; month : enum {jan,feb,...}; day : integer; }; In (fast) allen Programmiersprachen ist es möglich, beliebig strukturierte Datentypen neu zu bezeichnen und diese Typ-Bezeichner wie vordefinierte Typen zu verwenden: Notation: Beispiel: type NeuTyp : Typ; type Datum : record { year : integer; month : enum {jan,feb,...}; day : integer; }; var Person: record {surname : array [1..20] of char; forename : array [1..20] of char; birthday : Datum }; var Akt_Datum: Datum; 5.3.3 Pointer (Zeiger, Verweis) Zeiger-Datentypen sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: Die Struktur ist identisch der eines Integer-Datentyp (also oft 16,32,... Bit) Der Wertebereich ist der des Adressbereiches eines Rechnersystems, der zusätzliche Wert „nil“ bezeichnet einen ungültigen Zeiger. Operatoren sind: Erzeugen eines Zeigers (Referenzierung &) Zugriff auf verwiesenen Bereich (Dereferenzierung *) Integer-Operatoren (Vorsicht !!!!) Notation: Beispiel: var pointerVar : *Type; var x : *Integer; // Deklaration var y,z : Integer; // Deklarationen y = 5; // Initialisierung der Variablen y x = &y; // Referenzieren: x ist Zeiger auf y x* = 2; // Derefenzierung: das worauf x zeigt wird zu 2 z = y; // Variable z bekommt den Wert von Variable y zugewiesen. // z hat jetzt den Wert 2 5.3.3 Pointer: Beispiel Vorsicht:: Werte oft undefiniert Bsp.: x : *Integer; // Deklaration y : Integer; // Deklaration 1 2 3 4 5 6 7 8 9 23 24 25 26 27 28 Wortadressen nil 0 ... y = 5; // Initialisierung der Variablen y 1 2 3 4 5 6 7 8 9 23 24 25 26 27 28 nil 5 ... x = &y; // Referenzieren: x ist Zeiger auf y 1 2 3 4 5 6 7 8 9 23 24 25 26 27 28 25 5 ... x* = 2; // Dereferenzierung: das worauf x zeigt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 23 24 25 26 27 28 25 2 ... x = 2; // Zuweisung ohne Dereferenzierung ! 1 2 3 4 5 6 7 8 9 23 24 25 26 27 28 2 2 ... 5.3.3 Pointer: Dynamische Datentypen Mit konkreten, d.h. einfachen und strukturierten Datentypen lassen sich nur statische Struktur aufbauen d.h. Strukturen, deren Speicherbedarf beliebig aber fest sind Bem.: Die Beliebigkeit ist begrenzt durch die Gesamtspeicherkapazität Mit Zeiger-Datentypen lassen sich Strukturen aufbauen, die sich dynamisch auf- und abbauen lassen d.h. Strukturen, deren Speicherbedarf sich dynamisch verändern kann d.h. der Speicherplatz muss auch dynamisch organisiert werden. Bem.: Auch hier ist die Beliebigkeit begrenzt durch die Gesamtspeicher-kapazität Beispiel: type knoten : record { symbol : char; links : *knoten; rechts : *knoten; } var wurzel : knoten Huffman (Bsp. aus Kap.2) B C E D A 5.3.4 Beispiel: Kombinierte Datentypen Um nun beliebig komplexe Strukturen der „realen“ Welt in einem Rechensystem abbilden zu können, kann man die vorgestellten Datentypen beliebig miteinander Kombinieren Beispiel.: type Person : record { surname : array [1..20] of char; forename : array [1..20] of char; birthday : Date; next : *Person; previous : *Person; } type Date year : month : day : } : record { integer; enum {jan,feb,...}; integer; 5.4 Abstrakte Datentypen Grundsätzlich lassen sich alle Objekte der realen Welt ausschließlich mit Hilfe einfacher Datentypen abbilden. Diese Abbildung ist aber meist „unnatürlich“, weil sie die Struktur realer Objekte nicht ausreichend berücksichtigt. Abhilfe schaffen hier strukturierte Datentypen, die allerdings grundsätzlich nur endliche Objektmengen repräsentieren können. Hier schaffen Zeigertypen Abhilfe. Kann man nun mit diesen Mitteln Strukturen realer Objekt natürlich abbilden, so fehlen diesen abstrakten Datentypen einige der Eigenschaften, die konkreten Datentypen von Datenstrukturen unterscheiden, dies sind insb. Operationen und Beziehungen zu anderen Typen. Einen vertieften Einblick in die bunte Welt abstrakter Datentypen bietet die Vorlesung des 2. Semesters Datenstrukturen 5.5 Zusammenfassung des Kapitels Datentypen Konkrete Einfache Abstrakte Pointer(Zeiger) Idealisierte Strukturierte ... Ordinale Real (Fließkomma) Array Record Union (Feld) (Verbund) (Variantenverb.) ... Enumeration Boolean Integer Char (Wahrheitswert) (Ganzzahl) (Zeichen) (Aufzählung) Wir sind damit auch an die Grenzen dessen gelangt, was in dieser Vorlesung über die „Statik“ von Objekten gesagt werden soll und wenden uns einem noch spannenderem Themenbereich zu ;-)