Die Psychologie der Entscheidung Tilmann Betsch M1, 812, Sprechstunde Di 15-16 Tel. 0361 – 737 – 1178 [email protected] http://www.uni-erfurt.de/psychologie/prof/sozial/slehre/slehre.htm Die postselektionale Phase: Effekte von Entscheidungen, Lernen und wiederholtes Entscheiden Teil 2 Identifikation eines Entscheidungsproblems G E D Ä C H N I S Generierung von Verhaltensalternativen Präselektionale Phase Informationssuche Bewertung und Entscheidung Implementierung des gewählten Verhaltens Selektionale Phase Postselektionale Phase FEEDBACK 3 Untersuchungen zum mere ownership effect • Beggan (1992) positivere Bewertung eines Gutes, wenn es besessen wird • Barone, Shimp & Sprott (1999) Aufwertung findet bei Gütern statt, die kongruent zum Selbstbild sind 4 Barone et al. (1999) Methode • Messung der Selbstwertschätzung mit der Rosenberg self-esteem scale: Mir fallen leicht Dinge ein, über die man reden kann. In Teamarbeit gehe ich so richtig auf. Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden. Ich fühle mich von Zeit zu Zeit richtig nutzlos. Ich fürchte, es gibt nicht viel, worauf ich stolz sein kann. Ich habe eine positive Einstellung zu mir selbst gefunden. …. Trifft gar nicht zu 0-1-2-3 Trifft voll und ganz zu 5 Barone et al. (1999) Methode • Probanden sollen Schlüsselanhänger bewerten • Hälfte bekommt ihn zuvor geschenkt • Der Schlüsselanhänger trägt entweder das Logo von Hyundai (low image) oder Porsche (high image) • Design: 2 (self-esteem, high vs. low) x 2 (Besitz, kein Besitz) x 2 (image, high vs low) 6 Barone et al. (1999) Ergebnisse Besitz 5 4 Bewertung 3 2 3 2 1 1 0 0 Low SE High SE Hyundai Porsche 5 Hyundai Porsche 4 Bewertung Kein Besitz Low SE High SE 7 Endowment / Mere Ownership Effect Fazit • Der Besitz eines Gutes führt vor allem bei Passung mit dem Selbstkonzept zur Aufwertung des Gutes • Dies äußert sich in mangelnder Bereitschaft das Gut zu verkaufen oder sich andersweitig von ihm zu trennen status quo effect • Damit führen Entscheidungen, ein Gut seinem Besitz hinzuzufügen, nach ihrer Realisierung zu Änderungen der Präferenz! 8 Wiederholte Entscheidungen … unterscheiden sich strukturell von einmaligen Entscheidungen Einmalig Wiederholt -Kein Anker -Verankert an vorheriger Entscheidung - “Welche Alternative soll ich wählen?” -Aufgabe besteht darin, eine neue Handlungslösung zu finden - “Soll ich von X abweichen oder X aufrecht erhalten?” -Aufgabe besteht darin, eine vorhandene Lösung zu bewerten 9 Das Konzept der Routine • Routine bezeichnet die Option, die einer Person als Lösung in den Sinn kommt, wenn sie erneut einer Entscheidungsaufgabe begegnet. Wiederholhäufigkeit der Option 0 1 2 3 4 5 6 7 8 …… Habit Automatisierung Routinen 10 Der Einfluss von Routinen auf Bewertungen • Mikrowelt „COMMERCE“ (Betsch et al., 2001) • Lernphase: Manipulation Routinenstärke – 15 vs 30 x wiederholte erfolgreiche Investition in eine Produktmarke • Testphase: Neue Evidenz spricht gegen Routine – p (Erfolg Routine | Gegenevidenz) = .50 • AV: Tendenz zur Abweichung von Routine in wiederholten Entscheidungen 11 Alphorium Betaurien Gammy City Renting out Central Stockpile Market c Research Institute Information Acquisition Statistics 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1. Qrtl. Goal Brand A 2. Qrtl. 700.000 Brand B Acquisition/ Disposal Decisions Brand C 12 13 Prozedur Phase 1 • Manipulation der Routinenstärke – Probanden wurden dazu gebracht, wiederholt eine bestimmte Marke zu wählen; schwache Routine 15x, starke Routine 30x. • Routine war die Marke, die sich am besten auf dem Zielmarkt vermieten ließ. – Basisrate der erfolgreichen Vermietung 80%. 20% 50 % 80% 14 Prozedur Phase 2 • Veränderung der Welt: Routine obsolet! – Neue Evidenz (Marktforschungsinstitut) zeigt dies eindeutig an; hit-rate der Vorhersage 80%, false alarm 20 %. Bei einer Basisrate des bisherigen Erfolges der Routine von 80% ist p (Erfolg Routine | pessimistische Vorhersage) = 50 % • Manipulation: Set der verfügbaren Alternativen enthält Routine (EG) oder nicht (KG) 10% 70% 40% 10% 70% 40% 15 Betsch et al. (2001) • Übergewichtung der Basisrate bisherigen Erfolgs bei starken Routinen • Aber: Starke und schwache Routinen hatten identische Erfolgsraten Einfluss der Stichprobengröße p (Routinewahl) Ergebnisse Starke R Schw. R .50 Anzahl Entscheidungen 16 Routinen und nachfolgende Bewertungen Fazit • Routinen verändern Bewertungen von neuer Evidenz • Konservativismus steigt mit der Routinenstärke (Wiederholhäufigkeit der Routine) 17 Routinen und Infosuche • Mit zunehmender Routinisierung werden – weniger Informationen gesucht (Aarts et al., 1997) – einfachere Suchstrategien verwendet – relevantere Informationen betrachtet (Klein, 1999) • Mit zunehmender Routinisierung wird nicht zwangsläufig konfirmatorisch gesucht – Moderation durch wahrgenommene Neuartigkeit der Situation (Betsch et al., 2001 Exp.2) 18 Betsch et al. (2001, Exp 2) Methode • Mikrowelt „COMMERCE“ • Lernphase: Manipulation Routinenstärke – 15 vs 30 x wiederholte erfolgreiche Investition in eine Produktmarke • Testphase: „Wichtige“ Entscheidung, zusätzliche Informationen verfügbar – Mouselab • Manipulation der wahrgenommenen Neuartigkeit – vertraute oder neuartige Aspekte des Problems werden hervorgehoben 19 Betsch et al. (2001, Exp 2) Ergebnisse Bestätigungstendenz 1,5 familiär 1 0,71 neuartig 1,2 0,53 0,5 0 -0,32 -0,5 -1 schwache Routine BT= (pro R + contra Alt) – (contra R + pro Alt) starke Routine 20 Routinen und Infosuche Fazit • Routinen verändern Infosuche • Wird die Situation als vertraut erlebt steigt die Wahrscheinlichkeit zur konfirmatorischen Suche (Bestätigungstendenz) mit ansteigender Routinenstärke • Dies passiert nicht in Situationen, die als neuartig erlebt werden 21 Routinen und die Implementierung der Entscheidung • Routinen begünstigen Rückfallfehler – Schwarz (1936) – Trotz implementation intentions, Betsch et al. (2004), OBHDP: Unter Zeitdruck führen Routinen bei Abweichungsversuchen zu Rückfallfehlern in über 70% der Fälle 22 Jede Person lernte 4 Routinen Schwach A-Stadt 2 Wiederh. B-Stadt Stark C-Stadt 10 Wiederh. D-Stadt 23 Lernen der Routine Starke Routine 10 Labyrinthe Schwache Routine 2 Labyrinthe B-Stadt 24 Die Welt ändert sich … A-Stadt B-Stadt C-Stadt D-Stadt A-Stadt B-Stadt C-Stadt D-Stadt 25 Fahre nach B-Stadt ! JA Einsteigen? NEIN 26 Regellernen vs Implementation Intentions Regel: “Die rote Linie fährt jetzt nach A-Stadt” Implementation Intention: “Wenn ‘A-Stadt’ und ‘rote Linie’ am Bildschirm erscheint, dann werde ich die ‘JA’-Taste drücken.” Danach Entscheidungen unter Zeitdruck + leistungskontingente Bezahlung 27 % Falsche Wahlen Rückfallfehler bei Abweichungsversuchen Starke R 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Regel / 1400 Regel / 700 Schwache R Imp Int / 1400 Imp Int / 700 28 Wiederholtes Entscheiden Zusammenfassung • Unsere Erfahrung und unsere Routinen beeinflussen systematisch alle Stufen nachfolgender Entscheidungsprozesse • Nach dem ersten Mal ist alles anders! • Die theoretischer Modellierung wiederholter Entscheidungen steckt in ihren Anfängen. 29