Sozialer Wandel Der Soziale Wandel beschreibt die Veränderungen, die innerhalb einer Gesellschaft über einen längeren Zeitraum vor sich gehen. Zur Beschreibung dieser Entwicklung wurden verschiedene Begriffe wie Entwicklung, Fortschritt oder Evolution benutzt. Allerdings haben sich viele von ihnen als problematisch erwiesen, da hier einerseits der Eindruck von einem unabdingbar notwendigen Geschehen entstehen kann und andererseits eine Veränderung hin zu einer höheren Ebene suggeriert wird. Um einen neutraleren Begriff zu verwenden, wurde von Ogburn der Begriff des "sozialen Wandels" in die Soziologie eingeführt. Formen des sozialen Wandels Unterscheidung nach – Bedeutung: periphere (z.B. Moden, Konjunkturschwankungen und bedeutendere (Demokratisierung der politische Struktur – Umfang: partieller (lediglich einzelne Bereiche betreffend) oder totale Wandlungsprozess (durchgängige Modernisierung) – Auftreten in geplanter und ungeplanter Wandel – Ursachen: unifaktorielle (Folgewirkungen einer neuen Religion) multifaktorielle Veränderungen (Auswirkungen der Industrialisierung) – Folgen. Eufunktionaler Wandel (System fördern) und dysfunktionaler Wandel (System abträglich) Eignet sich nur als Kriterium wenn ein Fixpunkt des System mitgedacht wird. Fallgruben Eindimensionalität: Versuche, den Wandel monokausal durch einen einzelnen Faktor zu erklären (z.B. durch technische Entwicklung, ökonomische Basis, Kultur, Religion etc.), gelten unter vielen Wissenschaftlern als ungeeignet. Man geht vielmehr von einer weitreichenden Interdependenz der sozialen Handlungsfelder und Bereiche aus, wobei einzelne Bereiche anderen Bereichen vorauseilen können. Damit ist der soziale Wandel in eine Gleichzeitigkeit von Veränderung und Statik eingebettet. Fallgruben Histroizismus: Annahme einer vollkommenen Determiniertheit der Geschichte Nicht haltbar, da keine logische Erklärung möglich, die begründet, dass zukünftige Ereignisse kausale Wirkungen auf erklärungsbedürftige Sachverhalte in der Gegenwart haben. Jede historische Konstellation ist durch unterschiedliche Randbedingungen gekennzeichnet, die sich nicht immer voraussehen lassen Fallgruben Oranizismus: basiert auf ungerechtfertigten Homologie- oder Analogieschlüssen zu biologischen Systemen Ethnozentrismus: Fehler besteht darin, die eigene Gesellschaft und ihren jeweiligen Entwicklungsstand zum Maßstab der Beurteilung zu machen. weitgehend unangemessen Generalisierung westlicher Erfahrungen und Interessenlagen Fallgruben Linearität = Konvergenztheorie, von lat. convergere = sich hinneigen, ist eine sozialwissenschaftliche und politischökonomische These aus den 1950/60er Jahren, die von einer strukturell bedingten Annäherung zwischen kapitalistischen und sozialistischen Systemen ausging: Da beide Ideologien und Wirtschaftsformen mit den gleichen innergesellschaftlichen Anforderungen der modernen Industrieproduktion konfrontiert sind (z.B. Arbeitskräftekonzentration, hochgradige Arbeitsteilung, zunehmender Kapitalbedarf, Abkehr vom Familieneigentum, zunehmende Effizienzsteigerung), werden sie sich organisatorisch, technisch und wirtschaftlich angleichen. Bei Einschlagen verschiedener Entwicklungspfade werden gleiche Gesellschaftsstrukturen erwartet, da dem Industrialismus Strukturgesetzlichkeiten immanent seien, die auf eine allmähliche Eliminierung ganz bestimmter Alternativen und Optionen hinauslaufen. Moderne Als wesentliche Elemente der Moderne werden angesehen: die Säkularisierung als Folge der Aufklärung und die damit verbundene Hoffnung, eine Art Menschheitsreligion würde an die Stelle der institutionalisierten Religionen treten. die Industrialisierung, auch Industrielle Revolution genannt, insbesondere der Übergang von der manuellen, handwerklichen Fertigung zu Massenproduktion durch Maschinen, damit auch die Ablösung der feudalen Gesellschaft durch Kapitalismus und Demokratie. der Fortschrittsglaube, d. h. die Vorstellung, dass die materiellen Errungenschaften des Menschen unbegrenzt wachsen (fortschreiten) könnten. die Rationalität, d. h. der Glaube an die Vernunft und die Vorherrschaft rationaler Überlegungen (Vernunftglaube). die Autonomie gesellschaftlicher Bereiche, wie Ethik, Politik, Recht und Wirtschaft. siehe (Emanzipation) Postmoderne Während in der Moderne die avantgardistische Perspektive dominiert, steht in der Postmoderne nicht die Realisierung des Neuen im Mittelpunkt des (künstlerischen) Interesses, sondern eine Rekombination oder neue Anwendung vorhandener Ideen. Die Welt wird nicht auf ein Fortschrittsziel hin betrachtet, sondern jenseits allen rationalen Gehalts als pluralistisch, zufällig, chaotisch und in ihren hinfälligen Momenten angesehen. Ebenso gilt die menschliche Identität als unstabil und durch viele, teils disparate, kulturelle Faktoren geprägt. Medien und Technik spielen eine wichtige Rolle. Die Postmoderne wendet sich gegen Festschreibungen, weshalb ihr auch oft der Vorwurf der Beliebigkeit gemacht wird. Postmoderne Bestimmte (nicht exklusive und auch nicht erschöpfende) Kennzeichen postmodernen Denkens und Urteilens sind: – Absage an das seit der Aufklärung betonte Primat der Vernunft (ratio) und die Zweckrationalität (die bereits in der Moderne erschüttert wurden) – Verlust des autonomen Subjekts als rational agierender Einheit – Neue Hinwendung zu Aspekten der menschlichen Affektivität und Emotionalität – Ablehnung eines universalen Wahrheitsanspruchs im Bereich philosophischer und religiöser Auffassungen und Systeme (also Absage oder kritische Hinterfragung sog. Metaerzählungen oder Mythen wie Gesetz, Geschichte, Gott, Ideologie, Utopie oder Religion) – Verlust traditioneller Bindungen, von Solidarität und eines allgemeinen Gemeinschaftsgefühls – Sektoralisierung des gesellschaftlichen Lebens in eine Vielzahl von Gruppen und Individuen mit einander widersprechenden Denk- und Verhaltensweisen – Toleranz, Freiheit und Pluralismus in Gesellschaft, Kunst und Kultur Reflexive Moderne Bezieht sich im wesentlichen darauf, soziale Praktiken zu überprüfen und zu verbessern. Moderne entfaltet ihre Reflexivität gerade darin, dass sie die »ursprüngliche« Bewegung der Moderne von ihren »totalitären«, einengenden, vereinheitlichenden Aspekten befreit. Und darin ist sie selbst »halbiert« bzw. vermittelnd: Sie stellt eine eigentümliche Mischung von (reflektierter, bewusster) Kontinuität und konsequentem Bruch zur traditionalen und der klassisch modernen Ordnung dar, vermengt bewahrende und modernisierende Elemente. Sie reflektiert (hinterfragt) die Tradition ebenso wie die Muster der »einfachen« Moderne und gewinnt so eine neue Qualität. Theorien sozialen Wandels Neo-Evolutionismus funktionalistischer Prägung (Parsons, Smelser , Eisenstadt) Bezieht sich auf soziale Systeme, die zur Selbstregulierung neigen. Gegenüber der älteren Evolutionstheorie bestehe folgende Ansprüche: Neo-Evolutionismus verfolge keine substantiellen, sondern lediglich formale Analogien mit biologischen Systemen Statt eines monothematisch-diffussen Ursprungs würden multiple und variable Ursprünge grundlegender Gesellschaftstypen angenommen Auf jedem empirischen unterscheidbaren Entwicklungsniveau sei ein mit einer Vielfalt konkreter Typen und Erscheinungsformen zu rechnen Neo-Evolutionismus Die Annahme wird eingeschränkt, dass die Entwicklung menschlicher Entwicklung gradlinig verlaufe und dass die wichtigsten Stadien dieser Entwicklung universal seien. Die Mechanismen und Wandlungsprozesse, die den Übergang von einem Stadium zum anderen bewirken, seien Gegenstand besonderer Spezifizierung Diesem Programm ist der Neo-Funktionalismus nicht annähernd gerecht geworden Machttheorien In Machtheorien (Dahrendorf, Lenski) bildet die soziale Machtkonstellation die Grundlage der Theorie. – Kernfragen dabei: Welchen Einfluss hat Macht auf den sozialen Wandel? – Welche Wandel initiieren die Mächtigen? Welche Art des Wandels soll verhindert werden? – Welchen Einfluss hat sozialer Wandel auf bestehende Machtstrukturen sowie jeweilige „Machthaber“? Marxistische Theorien Marxistische Theorien sozialen Wandels gehen davon aus, dass die privatwirtschaftliche Organisationsform wirtschaftlichen Handelns weit reichende Folgen im Hinblick auf wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Machtverhältnisse, Konzentrationsprozesse, Krisenerscheinungen usw. ausübt. Dessen ungeachtet messen neuere marxistische Theorien (z.B.´Regulationstheorien’) auch dem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Handeln sowie den institutionellen und kulturellen Eigenheiten bestimmter Gebiete durchaus Gewicht zu. Differenzierungstheorien Differenzierungstheorien sozialen Wandels machen sichtbar, welche Konsequenzen die Geschichte, die institutionellen Vorgaben sowie die Politik und Kultur der einzelnen Länder und Regionen für zukünftige Entwicklungen haben. Aus der Sicht von Differenzierungstheorien ergeben sich Entwicklungsunterschiede z.B. zwischen dem christlichen Europa und der Welt des Islam, zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, zwischen katholischen und protestantischen Ländern, zwischen einzelnen Nationalstaaten oder zwischen bestimmten Regionen einzelner Länder (wie z.B. zwischen West- und Ostdeutschland). Modernisierungstheorien Modernisierungstheorien zufolge sind bestimmte Entwicklungstrends Ausdruck bestimmter Zielsetzungen (Zweckrationalität, Fortschrittsgedanke, Säkularisierung, Individualität, Aktivität etc.), diesbezüglich funktionaler Differenzierungen und leistungsfähiger Basisinstitutionen (Marktwirtschaft, Konkurrenzdemokratie, Wohlfahrtsstaat, universelle Normen etc.). Modernisierungen werden heute nicht länger als rein linear verlaufende, ausschließlich positiv zu bewertende und international völlig gleichartige Entwicklungsprozesse nach westlichem Muster angesehen. Dennoch sehen Modernisierungstheorien international recht ähnliche Entwicklungen voraus. Verhaltenstheorien 1. 2. 3. Hierbei werden Menschen als Träger und Betroffene sozialen Wandels in den Mittelpunkt der Analyse gerückt. Lerntheoretischer Ansatz von Kunkel: Menschliches Verhalten findet in einem je spezifischen Kontext statt: es ist kontextabhängig. Der soziale Kontext bestimmt weitgehend Umfang und Richtung von Lernprozessen. Diese Lernprozesse erfolgend gemäß den Mechanismen elementaren und komplexen Lernens. Nach Maßgabe der Kontextabhängigkeit werden solche Verhaltensweisen begünstigt, für die Personen (oder Personengruppen) belohnende Konsequenzen erwarten (z.B. Privilegienzuwachs). Einige dieser Konsequenzen verändern die sozialen Strukturen, verändern damit auch wieder den Kontext für das Folgehandeln der Gesellschaftsmitglieder. Diejenigen Personen oder Gruppen haben den stärksten Einfluss auf sozialen Wandel, die über die größten Ressourcen (Macht) verfügen und/oder an strategischer Stelle fungieren und/oder die Modelle nachahmenswerten Handelns abgeben. Verhaltenstheorien Rational Choice Ansatz: Menschen sind rationale, nutzenorientierte Geschöpfe, die ihre Wahrnehmungen, ihr Denken und Handeln - aufgrund begrenzter Informationsverarbeitungskapazität, dem Zwang zur Reduktion von Komplexität und begrenzter Zeitressourcen - möglichst ökonomisch bezüglich des Kosten/Nutzenverhältnisses organisieren. Sie sind eher aktive und bewusste denn passive, unbewusste Teilnehmer am sozialen Leben, dass eine Voraussetzung für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit darstellt. Ein vollständiger Entscheidungsprozeß würde in drei Phasen verlaufen: – – – Erstens dem Framing als selektiver Kognition der Situation Zweitens der subjektiven Evaluation der antizipierten Konsequenzen von Handlungsalternativen Drittens der Auswahl einer befriedigenden Alternative. In der sozialen Realität wird dieser Prozeß jedoch gerade aus ökonomischen Gründen relativ selten beschritten: Verhaltenstheorien Zentraler Punkt der Theorie ist die Wahrnehmung, deren Fokus bzw. Selektivität sich sowohl aus den verfolgten Zielen als auch früheren Erfahrungen, gewissermaßen Routinen im Lernen, herleitet. Wenn z.B. Routinen in ihrer Effizienz, also ihrem Nutzen nachlassen, kann das einerseits von außen, z.B. durch Veränderung der physikalischen Umwelt herbeigeführt werden, es kann aber auch interne Ursachen bei gleich bleibenden äußeren Randbedingungen haben, wenn z.B. die Wahrnehmung sich in ihrer Selektivität verändert. Mit dieser Annahme wird der Findigkeit und Kreativität von Menschen Rechnung getragen. So werden nicht nur Verhalten, sondern auch verhaltens- und wahrnehmungssteuernde kognitive Strukturen den Situationen, Lebenslagen und den Basishypothesen, die das Individuum über sich selbst hat, angepasst.